Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Schlagwort: Wien (Seite 6 von 12)

219/366: Mund aufmachen! Über die leisen Frauen in der Politik

“Allen grünalternativen Frauen in Funktionen, sei es als Bezirksrätinnen, sei es parteiintern, sei eines aus eigener Erfahrung empfohlen: Mund aufmachen, keine Ängste und brüllt sie ruhig an, auch wenn eine andere Kultur angebracht wäre”, schreibt Hedvig-Doris “Hedi” Spanner-Tomsits in ihrer Rückschau auf drei Jahre als grüne Bezirksrätin in Wien-Josefstadt, erschienen in der Zeitschrift “Brot & Rosen” 4/1992.

Download im Original-Layout: 219-brot-rosen-bezirksraetin-mund-aufmachen (PDF, 0,3 MB)


Als Frau schaffst Du alles.

Als Frau schaffst Du alles.

Grüß Sie Gott, Frau Bezirksrat eh -Rätin!

Gremien, ob offizielle oder private, entpuppen sich in der Regel nach kürzester Zeit als Tummelplätze der Selbstdarstellung, insbesondere männlicher Selbstdarstellung. Oftmals erinnern sie in ihrem Habitus an die Urzeiten der Menschheit oder besser ausgedrückt an die evolutionäre untere Ebene, nämlich der Menschenaffen.

oberlehrerhaft

Natürlich hierarchisch gegliedert, erlebt man die Auftritte der sogenannten offiziellen bzw. inoffiziellen Führer, je nach Gruppenstruktur. Von belehrendem Verhalten gegenüber der eigenen Fraktion als auch gegenüber der Gegnerkollegenschaft: “Schauen’s, Frau Kollegin, des müssens so machen” bis über’s oberlehrerhafte Abprüfen der Geschäftsordnung: “Des müssens eigentlich schon wissen!”. Die Oberliga der Bezirksführerschaft ist, was natürlich durchaus als politisch-strategisches Denken aufgefaßt werden kann, nicht besonders auskunftsfreudig, allerdings auch dort, wo’s längst überflüssig ist. In mittlerweile altbekannte Angelegenheiten wird endlos hineingeheimst, sodaß es an Magierituale der Medizinmänner von Naturvölkern erinnert.

Durchschaut man mit der Zeit diese Strukturen, erlebt man, daß die Informationsbeschaffung hauptsächlich vom Bezirksvorsteher erfolgt. D.h. in der Praxis weiß der Bezirksvorsteher plus Vertreter soviel wie die kleinen Oppositionsparteien. Ob es an eigener Unfähigkeit liegt oder an tatsächlich behaupteter Uninformiertheit seitens der eigenen Partei, möge dahingestellt sein. Allerdings ist ersichtlich, und wird so im privaten Rahmen gerne bestätigt, daß die eigenen Bezirksgranden seitens des Rathauses nicht sonderlich ernstgenommen werden. Abänderungsvorschläge der Bezirksstrukturen werden aber empört abgewiesen, hätten sie doch zumindest die eigene Existenz betreffend, äußerst nachteilige Konsequenzen für die Bezirkshäuptlinge. Weiterlesen

217/366: Was haben Indianer mit Zwentendorf gemeinsam?

Was haben Indianer und Zwentendorf gemeinsam?

Was haben Indianer und Zwentendorf gemeinsam? (Plakat aus dem Grünen Archiv)

Was haben Indianer mit Zwentendorf zu tun? Was ist der Hintergrund dieses Plakats? Am 15. Juni 1984 wurde in der Volkshochschule Wien-Margareten der Film “Sacrifice Area” (deutsch: “Das geopferte Land”) von den niederländischen Dokumentarfilmern Ernie Damen und Otto Schuurman vorgeführt.

In den “Black Hills” (Pahá Sápa) im US-amerikanischen Bundesstaat South Dakota wurden Kohle und Uranium abgebaut. 1972 erklärte Präsident Richard Nixon diese Region zur “National Sacrifice Area”, also einem Landstrich, der “geopfert” wird zugunsten der Atomenergie – der sowohl durch den Verbrauch der Wasservorräte für die Industrie als auch durch die nukleare Verseuchung nicht mehr bewohnbar ist. Diese Gegend wird aber von den hier ansässigen Lakota-Indianer_innen als heiliger Ort betrachtet und war ihnen im Vertrag von Fort Laramie aus dem Jahr 1868 zur Gänze zugeschrieben worden.

Dieser Dokumentarfilm wurde 1980 gedreht und 1981 uraufgeführt. Er illustriert die negativen Auswirkungen des Bergbaus auf die lokale Bevölkerung – auf die Lakota-Indianer und auf die weißen Farmer. Außerdem wird der anhaltende Widerstand von Umweltorganisationen und Einheimischen gezeigt (Quelle: British Film Institute).

Opfer des Uranabbaus

//zitat// Der Film SACRIFICE AREA handelt von diesen Opfern, die es überall gibt, wo Uran und Kohle abgebaut werden: in Namibia, Australien, Kanada, Europa und in Amerika. SACRIFICE AREA konzentriert sich auf die USA, weil sich wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt ein deutlicheres Beispiel für die gegensätzlichen Interessen von einheimischer Bevölkerung und westlicher Energielobby finden läßt. Bestimmend für das Thema von SACRIFICE AREA ist die Überschneidung zweier historischer Linien. Die eine Linie ist die Geschichte der Indianer Nordamerikas; die andere die der weißen Eroberer, die sich der Erde bemächtigen und sie ausbeuten. Im Schnittpunkt dieser beiden Linien liegen die “Black Hills”, ein herrliches Naturgebiet in South Dakota.

Der weiße Mann hat in der Geschichte der Indianer immer eine blutige Rolle gespielt; er hat sie vertrieben, mit seinem Alkohol vergiftet, er hat sie gedemütigt und vergewaltigt. Er hat darüber hinaus ihre Kultur gestohlen, sie getötet und die Überlebenden gezwungen, in entlegene, unfruchtbare Reservatsgebiete zu ziehen. Und nun sind es erneut die Indianer, die den Interessen der Weißen geopfert werden. Sie werden aus ihren Gebieten vertrieben, weil sie “große Energievorräte” enthalten. Erde und Wasser werden durch verantwortungslose Abbaumethoden zur Urangewinnung verseucht und vergiftet. Immer mehr Indianer sterben an Krebs, Leukämie und anderen Krankheiten. Die Zahl der mißgebildeten Babys und Fehlgeburten ist in manchen dieser Minenstädte viertausendmal (4.000) höher als im Bundesdurchschnitt. //zitatende//

(Quelle des Zitats: 12. Internationales Forum des jungen Films Berlin, 1982)

Dokumentation des World Uranium Hearing in Salzburg.

Dokumentation des World Uranium Hearing in Salzburg (1993).

World Uranium Hearing in Salzburg

Im September 1992 wurde in Salzburg das “World Uranium Hearing” abgehalten, wo Vertreter_innen der weltweiten Anti-Atomkraft-Bewegung die Gefahren schilderten, die vom Uranabbau für Gesundheit und Umwelt ausgehen. Die Beiträge wurden im von der Grünen Bildungswerkstatt Salzburg unterstützten Sammelband “Der Tod, der aus der Erde kommt” veröffentlicht (nachzulesen im Grünen Archiv).

James Garrett, Umweltjurist und Aktivist der Black Hills, schrieb damals:

Der nukleare Brennstoffkreislauf in den USA beginnt und endet in der Heimat der Indianer. Sie kommen, graben das Uran aus und machen damit, was sie wollen. Den Leuten in Europa erzählen sie, das wäre eine tolle, saubere Industrie, und damit ließe sich die Welt retten. Doch währenddessen klopfen sie wieder bei uns an, weil sie nicht wissen, wo sie das verdammte Zeug sonst für ewige Zeiten lagern können.

Ja zur Kernkraft – ja zum Völkermord?

Wäre Zwentendorf oder ein anderes Atomkraftwerk in Österreich ans Netz gegangen und Uran, das unter diesen Bedingungen gewonnen wurde, verwendet worden, hätte dann das “Ja zur Kernkraft” auch ein “Ja zum Völkermord” bedeutet, wie auf dem Plakat zur Filmvorführung gefragt wird?

Zum Weiterlesen

216/366: Der Brieftaubenbeamte und die Grünen

Renate Welsh: Der Brieftaubenbeamte. Illustrationen von Reinhard Kiesel. München: Verlag für Jugend und Volk 1983

Renate Welsh: Der Brieftaubenbeamte. Illustrationen von Reinhard Kiesel. München: Verlag für Jugend und Volk 1983

Die Wiener Schriftstellerin Renate Welsh veröffentlichte 1983 das Buch “Der Brieftaubenbeamte” (nur mehr antiquarisch und in Bibliotheken erhältlich). Klappentext:

// Roderich Rapuse ist Kanzleioberoffizial im Brieftaubenberingungsamt, ein außerordentlich ordentlicher Beamter, der völlig in seiner Arbeit aufgeht. Eines Tages stellt er bestürzt fest, daß ein roter Expreßtaubenring fehlt. Verstört meldet er dem Amtsvorsteher, daß die Inventur zum ersten Mal nicht stimmt. Der aber lacht nur. Es gibt längst keine Brieftauben mehr im Postdienst, man hat bloß vergessen, das Brieftaubenberingungsamt aufzulösen… Daß Brieftauben auch in unserer Zeit verwendet werden, erfährt Roderich, als er zwei Wochen Urlaub macht. Es ist ein Urlaub, der Roderich Rapuses Leben von Grund auf ändert. Schließlich faßt er einen Plan, der nicht nur für ihn weitreichende Folgen hat. //

Was hat das jetzt mit den Grünen zu tun? Dass es sich bei den Brieftauben um eine umweltschonende Transportmöglichkeit handelt (wenngleich die Tierfreundlichkeit hinterfragt werden kann)? Nein, die neuen Freund_innen von Roderich wären in einer etwaigen Fortsetzung des “Brieftaubenbeamten” sicher alternative Bezirksrät_innen geworden: Sie fahren mit dem Rad, betreiben Urban Gardening (avant la lettre), gründen einen selbstverwalteten Betrieb, setzen sich für Wohnstraßen und Spielplätze ein, protestieren vorm Amtshaus gegen den Abbruch alter Häuser im Zentrum und vieles mehr 😉

211/366: Schnitzel von der Alternativen Liste

ALsergrund 9 /1984

Baum gegen Schnitzel – ALsergrund 4 /1984

//zitat// In einer Anfrage wollten wir uns informieren, was der Herr BVorst. [Bezirksvorsteher Wolfgang Schmied, ÖVP, Anm.] zu unternehmen gedenkt, falls die 18 Bäume im Bereich der US-Botschaft doch gefällt werden sollten. Nun: Laut eigener Aussage hat er zwar keine rechtlichen Mittel dagegen, will sich aber gerne mit uns an die Bäume anketten lassen, soferne ihn die ALW [Alternative Liste Wien, Anm.] mit genügend Wr. Schnitzeln versorgt.

[…] Unser Antrag auf die Entfernung der Pflastersteine rund um die Pappeln vor dem Fr.-Josefs-Bahnhof bringt Erstaunliches zutage: Die Polizei war seinerzeit gegen eine ‘lose’ Verpflasterung der Baumscheiben, da ja die Steine dazu benützt werden könnten, etwas einzuschmeißen… Vielleicht überlegt man sich auch, daß ja auch die Bäume böswillig gefällt werden könnten (ev. zwecks Barrikadenbaues?).Unsere Sorge um den Baumbestand stößt z.T. auf gellendes Gelächter, man schlägt eine ‘Baumbefragung der Baumbasis’ vor und zeigt damit, wie ernst es den etablierten Parteien um ‘mehr Grün für Wien‘ ist. Schließlich erklärt man uns gönnerhaft, daß man ja der Vertreterin der ALW auch ein kleines Erfolgserlebnis gönnen möchte und daher diesem Antrag ebenfalls zuzustimmen gewillt ist – und stößt damit nicht durchwegs auf Zustimmung: ‘Wir haben ja eh schon einen angenommen’. //zitatende//


Alternative Liste Alsergrund über die Bezirksvertretungssitzung am 8. März 1984, veröffentlicht in der Zeitschrift “ALsergrund” vom 9. April 1984

206/366: Wilfriede Monogioudis und Irene Windisch im Gespräch

Wilfriede Monogioudis und Irene Windisch im Gespräch.

Wilfriede Monogioudis und Irene Windisch im Gespräch.

Bei der Grazer Gemeinderatswahl am 24. Jänner 1988 verlor die Alternative Liste Graz (ALG) zwei  ihrer vier Mandate und kam auf 7074 Stimmen. Die Vereinten Grünen (VGÖ) waren unter dem irreführenden Namen “VGÖ-AL” angetreten und erreichten mit 1510 Stimmen kein Mandat. “Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen” ist der Titel eines Interviews mit den neuen ALG-Gemeinderätinnen Wilfriede Monogioudis und Irene Windisch, das im Grünen Rundbrief vom 5. Februar 1988 erschien. Die Fragen stellte Ridi Unfried vom Bundesvorstand.

Download des Interviews: 206-gemeinderatswahl-monogioudis-windisch.pdf (PDF, 2 MB)


Viele Grüne in allen Bundesländern hoffen bei den Grazer Wahlen nach den schlechten Ergebnissen von Burgenland und Wien auf eine Trendumkehr, zumindest auf einen Stop des negativen Trends. Was waren Eure Erwartungen?

Wilfriede: Auch nach den Wahlen in Salzburg, Wien und im Burgenland waren wir davon überzeugt, daß in Graz “die Uhren anders gehen”, und wir unseren Mandatsstand halten können. Unser Wahlziel war die Erreichung eines Sitzes im Stadtsenat, dazu wäre ein relativ geringer Stimmenzuwachs notwendig gewesen.

Warum habt Ihr dieses Wahlziel nicht erreicht?

Wilfriede:

  1. Das Ergebnis der Grazer Wahlen liegt nicht im Bundestrend. Die Spitzenkandidaten von SPÖ und OVP, Bürgermeister [Alfred] Stingl und Vizebürgermeister [Erich] Edegger, schafften es, ihre Eigenständigkeit gegenpber der Großen Koalition zu betonen. Nur die FPÖ versuchte mit [Jörg] Haider, Bundespolitik in den Wahlkampf einzubringen.
  2. Der Wahlkampf der Großparteien war inhaltsleer. Jede Konfrontation wurde vermieden, es gab z. B. keine Podiumsdiskussionen; im Vordergrund stand das Bekenntnis zur Zusammenarbeit der großen politischen Kräfte. Diese Harmonisierung schaffte ein Klima, in dem Inhalte großteils untergingen.
  3. Unsere Aussichten, die 4 Mandate zu halten, ja selbst auf einen Stadtrat, wurden auch in den Medien als gut ha-zeichnet. Das durfte manche ALG-Wähler von 1983 dazu veranlaßt haben, anderen “Bedrohten” zu Hilfe zu eilen. Zum Beispiel Erich Edeggers ÖVP, dem – alleingelassen von der Landespartei – ein deutlicher Verlust prognostiziert wurde. Oder der KPÖ, die sich – obwohl eine Woche vor den Wahlen noch totgesagt – von 1,8 auf 3,1 % verbessern konnte.
  4. Das Angebot an Listen war diesmal größer. Reine Protestwähler, die uns 1983 ihre Stimme gaben, sind wieder abgewandert.
  5. Grünalternative lokale Gründe: Die ALG wurde vor 5 Jahren zum Teil mit sehr hohen Erwartungen gewählt. Dabei wurden offensichtlich mehr greifbare Ergebnisse, wie die Befreiung des Landhaushofes von den Autos. erwartet. Wirksamkeit unserer Oppositionsrolle zu vermitteln ist naturgemäß schwieriger als mit Protestaktionen etwas unmittelbar zu erreichen. Die Medien, die uns vor unserem Einzug in den Gemeinderat sehr viel Platz widmeten, berichten über Gemeinderatsarbeit an sich schon spärlich und über unsere Tätigkeit kaum. Sicher haben uns offen ausgetragene Auseinandersetzungen wie der Ausschluß [Josef] Buchner aus dem Grünen Klub, auch die Auflösung der Wahlplattform im Landtag, geschadet. Dazu kommt, daß der Eindruck der Zerstrittenheit der Grünen von den Medien verstärkt wurde – auch in den Fällen, in denen es gar nicht um die Grünen, sondern um – von den Großparteien unterstützte – Listen ging.
    Auf Bezirksebene haben uns die Wähler erheblich mehr Kompetenz zugetraut, deshalb erreichten wir hier weitaus bessere Ergebnisse.
So wählten die Grazerinnen und Grazer 1983 und 1988.

So wählten die Grazerinnen und Grazer 1983 und 1988.

Wie schätzt ihr das Ergebnis der anderen Parteien ein?

Wilfriede: Die beiden Großparteien hatten mit ihrer schon erwähnten Taktik Erfolg. Ihre Rechnung ist aufgegangen. Bürgermeister Stingl, dem es gelang, die Anhäufung ungelöster Probleme zu verdecken, schaffte wie vorauszusehen mit Hilfe des Bürgermeisterbonus einen Mandatsgewinn. Vize-BM Edegger, der gegen starke Kräfte wie Handelskammer und Baulobbys zu kämpfen hatte, wurde aufgrund des Wahlergebnisses innerparteilich gestärkt. Der Versuch der FPÖ, mit Hilfe ihres Bundesparteiobmanns über ihr Debakel in der Kommunalpolitik hinwegzutäuschen, mißlang. “Der frische Wind” verbuchte mit gigantischem Aufwand Edegger-feindliche Stimmung in Teilen der ÖVP zu benutzen. Profitiert hat er eher von den Verlusten der FPÖ. Der KPÖ – bisher von stetigem Stimmenschwund geplagt – kam der Mitleideffekt zugute, aber [auch] die Unzufriedenheit vieler Arbeiter mit der SPÖ.

Konntet ihr den Frauenbonus nützen?

Wilfriede: Wir vermuten, daß wir überdurchschnittlich von Frauen gewählt wurden, wahrscheinlich aber nicht in dem von uns erhofften Ausmaß. Weiterlesen

203/366: Die Hälfte des Himmels für grüne Frauen

Brot & Rosen 4 (1992)

Deckblatt von Brot & Rosen 4 (1992)

Im September 2016 wird die grüne Bundesfrauenkonferenz “Frauen stärken durch Grüne Politik” in Wien stattfinden. Ein sehr wichtiger Programmpunkt: der Startschuss zur Gründung der Grünen Frauen Österreich. Bisher gab es grüne Frauenorganisationen nicht in allen Bundesländern und nicht auf Bundesebene. Die Grünen Frauen Wien dagegen feiern heuer bereits ihr 30-Jahr-Jubiläum (hier das Programm der Feier rund um die Bundesfrauenkonferenz: 203-30-jahre-grüne-wien)

Braucht eine Partei, die “feministisch” als einen von sechs Grundwerten hat und bei Kandidaturen die Parität einhält, eine eigene Frauenorganisation? Einen Eindruck von den entsprechenden Diskussionen in den 1990er Jahren liefert der Artikel “Die Hälfte des Himmels”, den Ingrid Gurtner 1992 in der Zeitschrift “Brot & Rosen” veröffentlicht hat.


“Das Beste, das die katholische Kirche je hervorgebracht hat, sind ihre Ketzer” – mit diesem Satz leitete der Hochschulseelsorger von Salzburg in den siebziger Jahren seine Stellungnahmen zur Kirchengeschichte ein und auch wenn es um die heutige Rolle dieser Kirche ging, war dieser Satz ein geflügeltes Wort.

Seit ich mich erinnern kann, spiele ich mit Begeisterung eine Rolle, die ich für die einer “Ketzerin” halte.

Als Lehrerin flog ich zweimal aus katholischen Privatschulen. Dazu reichte zu Beginn der achtziger Jahre schon, den Lehrplanauftrag für das Fach Biologie zu erfüllen, nämlich Sexualkunde nicht nur an Tieren, sondern auch an menschlichen Beispielen zu behandeln.

Mein Erstkontakt zur Grünen Alternative war die Frage: “Wo finde ich die Grüne Frauenorganisation ?” Als mir die damalige Bürofrauschaft einhellig erklärte, daß man so etwas bei den Grünen nicht brauche, wußte ich seit dieser Minute, welche Rolle ich in dieser Partei spielen wollte.

Gewohnt, daß Kirchenfunktionäre und Kleriker auf feministische Fragestellungen mit: “Die heilige Jungfrau Maria” oder persönlichen Beleidigungen der Fragestellerin antworteten, erlebte ich nun ähnliche Abwehrstrategien in “grün” – von Frauen und von Männern.

Frauen aus dem damaligen Wiener Landesvorstand diskutierten mit uns, ob wir als Gruppe überhaupt existieren dürften.

Viele meinten, unsere Gruppe sei ein “Ghetto”, in dem sich Frauen einigeln, und ihre Qualitäten und ihr Engagement für die Grüne Partei verloren sei.

In jener berüchtigten Landesversammlung, in der es um die Wahl der Kandidatinnen für die Nationalratswahl ging, erlebte ich die Herzattacke von Freda Meissner-Blau und den Verzweiflungsausbruch von Erica Fischer. In einem beispiellosen Gewaltakt wurden damals die Wahlergebnisse der dortigen Versammlung für null und nichtig erklärt und Freda Meissner-Blau zog als Klubobfrau mit einer siebenköpfigen Männerriege ins Parlament. Damit war die autonome Frauenbewegung als Bündnispartnerin für die GA für immer verloren. Weiterlesen

201/366: Zwölf Forderungen zur Regelung des Freiheitlichenproblems

Forderungen zur Regelung des Freiheitlichenproblems, abgedruckt in "Die Insel" 1/1993.

Forderungen zur Regelung des Freiheitlichenproblems, abgedruckt in “Die Insel” 1/1993.

“Womit die Ausländer den freiheitlichen Anstoß erregen, ist wohl ihre Herkunft, für die sie natürlich nichts können. Gewiß, manche von ihnen halten sich illegal im Lande auf, und damit wird das beispiellose Vorhaben auch begründet. Die Freiheitlichen hingegen leben zwar legal in Österreich; aber das Anstoßerregende an ihnen ist ihre Gesinnung, an der sie selbst die Schuld tragen”. Als Antwort auf das FPÖ-Volksbegehren “Österreich zuerst” (landläufig Ausländervolksbegehren) verfasste Robert Schlesinger im November 1992 “zwölf Forderungen zur Regelung des Freiheitlichenproblems”. Dieser Text wurde ursprünglich in der Zeitschrift FORVM publiziert und in der Bezirkszeitung “Die Insel” der Alternativen Liste Wien nachgedruckt.


// Mag sein, daß sich Jörg Haider einbildet, der von ihm gepflogene Stil der Politik sei sein persönliches Vorrecht; da’s die FPÖ jedoch offenbar nicht mehr anders versteht, muß ihr jetzt Gleiches mit Gleichem vergolten werden. Das Volksbegehren gegen die Ausländer, das sie zu planen sich erdreistet, dient dem Zweck, eine Gruppe von Menschen einem Sonderrecht mit krassen Benachteiligungen zu unterwerfen, und dafür soll sogar die Verfassung geändert werden.

Womit die Ausländer den freiheitlichen Anstoß erregen, ist wohl ihre Herkunft, für die sie natürlich nichts können. Gewiß, manche von ihnen halten sich illegal im Lande auf, und damit wird das beispiellose Vorhaben auch begründet. Die Freiheitlichen hingegen leben zwar legal in Österreich; aber das Anstoßerregende an ihnen ist ihre Gesinnung, an der sie selbst die Schuld tragen. Jörg Haider ist seit dem 13. September 1986 Obmann der FPÖ. Jeder, der nach dem, sagen wir, 1. Jänner 1987 Mitglied dieser Partei war, hat also zu deren Entwicklung seinen Beitrag geleistet (und sei es auch nur der Mitgliedsbeitrag); zu einer Entwicklung, die die FPÖ so weit gebracht hat, daß sie ein Instrument der direkten Demokratie dazu verwendet, die demokratische Verpflichtung zur Solidaritat mit Schwachen zu vernichten, ja die Rechte Hilfsbedürftiger zu beschneiden.

Eine solche Auffassung von Demokratie spricht deren Geist gar zu frech Hohn.

Vielleicht muß man die Freiheitlichen, um ihnen oder wenigstens ihren Sympathisanten die Augen zu öffnen, mit ihren eigenen Methoden bekämpfen. Ich ersuche daher die Regierung, binnen drei Wochen die folgenden zwölf Forderungen zu erfüllen, andernfalls diese Gegenstand eines Volksbegehrens sein sollen:

  1. Schaffung einer Verfassungsbestimmung, wonach in Österreich jeder maßgebliche Einfluß der Freiheitlichen unerwünscht ist.
  2. Verbot für die FPÖ, irgendeine politische Tätigkeit zu entfalten, bis eine befriedigende Lösung des Problems der Ideologie ihrer Funktionäre gefunden ist.
  3. Generelle Ausweispflicht für Freiheitliche.
  4. Aufstockung der Staats- und Kriminalpolizei.
  5. Schaffung einer eigenen Behörde, die langfristige Programme zur Resozialisierung von Freiheitlichen ausarbeiten soll.
  6. Maximal zehnprozentiger Anteil von Schülern, die einen freiheitlichen Elternteil haben (oder auch zwei); in Schulen mit höherem Anteil Aufteilung auf andere Bezirke.
  7. Für Kinder von Freiheitlichen Kurse in Staatsbürgerkunde vor dem Eintritt in die Pflichtschule.
  8. Kein passives Wahlrecht für Freiheitliche.
  9. In den vollen Genuß der staatsbürgerlichen Rechte dürfen Freiheitliche ohne Ausnahme erst wieder nach frühestens zehn Jahren kommen.
  10. MaBnahmen gegen den Mißbrauch von Sozialleistungen durch Freiheitliche.
  11. Rigorose sofortige Abschiebung und Aufenthaltsverbot für freiheitliche Straftäter.
  12. Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, daß sie österreichischen Deutschnationalen die Einwanderung zu den selben Bedingungen wie etwa Rumänien- oder Wolgadeutschen ermöglicht.

Robert Schlesinger. Wien, den 10. November 1992 //

198/366: 10 grüne Punkte für die Ostregion ohne Stau

10 grüne Punkte für die Ostregion (1997)

10 grüne Punkte für die Ostregion, veröffentlicht in der “Distel” der Penzinger Grünen 4/1997

Die niederösterreichischen und die Wiener Grünen starteten 1997 gemeinsam die Kampagne “Ostregion ohne Stau”. Mit “10 grünen Punkte für die Ostregion” wollten sie die alltäglichen Verkehrsprobleme in den Griff bekommen. “Frühstück im [PendlerInnen-]Zug” und “Sitzplatzgarantie” klingen immer noch verheißungsvoll…


Die täglichen Megastaus in der Ostregion müssen von Wien und NÖ gemeinsam bekämpft werden. Die Grünen starten die Offensive Ostregion ohne Stau – neue Konzepte statt uralte Rezepte. Das 10-Punkte-Programm ist auch eine Hoffnung für die geplagte Bevölkerung der Westeinfahrt, denn auch viele Penzinger Verkehrsprobleme haben Wurzeln im niederösterreichischen Umland und sind daher ein Thema für Wien und Niederösterreich.

  1. Mehr “Bürgernahe Planung” vermeidet Verkehr: Fußläufig erreichbare Geschäfte statt Mega-Centers, Bahnhöfe mit zusätzlichen Serviceangeboten statt neuer Autobahnen.
  2. Mehr Regionalverbindungen im 15-und 30-Minuten-Takt: Ein wichtiger Schritt zur Attraktivierung: die Schnellbahn muß öfter fahren – am besten im Takt. Diese Fahrpläne merkt sich jeder.
  3. Mehr direkte Busse zu Terminals bei den U-Bahn-Endstellen: In Umlandgemeinden ohne Schnellbahnstation sollen Busse alle 15 Minuten direkt bis zur nächstgelegenen U-Bahn fahren.
  4. Mehr Service und Qualität für die Fahrgäste: “Frühstück im Zug”, eine “Sitzplatzgarantie” für die Fahrgäste, alle Bushaltestellen mit Wetterschutz und Beleuchtung u.v.a.m.
  5. Mehr Geld für die Verkehrsideen der Gemeinden: Selbst die beste Schnellbahn nützt wenig, solange der Bahnhof schlecht erreichbar ist. Die Gemeinden brauchen daher Unterstützung für lokale Verkehrskonzepte. Dazu soll es einen Verkehrsfond mit 1 Milliarde Schilling pro Jahr geben.
  6. Mehr Komfort mit dem neuen Wiener Schnellbahnring: Die Schienen für einen Ring sind vorhanden. Man muß sie nur befahren. Der Schnellbahnring schafft neue Verbindungen und spart ein- bis zweimal Umsteigen.
  7. Brigid Weinzinger verteilte heute vormittag im Rahmen der Kampagne "Ostregion ohne Stau" Krapfen, Kaffee sowie aktuelle Zeitungen an Fahrgäste auf insgesamt sieben S-Bahn-Strecken. Bild: APA OTS/Die Grünen.

    Brigid Weinzinger verteilte Frühstück und Zeitungen an Fahrgäste auf den S-Bahn-Strecken. Bild: APA OTS/Die Grünen.

    Mehr Güter auf die Schiene – Moderne Logistikzentren für die Güterverteilung: Die Bahn muß aufholen. Die Lkw-Speditionen sind ihr um Längen voraus. Neue Servicezentren bringen den Umschwung.

  8. Mehr Effizienz durch einen “Planungsminister” für die Ostregion: Wien, Niederösterreich und Burgenland sollen künftig einen einzigen verantwortlichen “Planungsminister” haben. Dann fällt endlich die alte Ausrede weg: “Tut mir leid, ich bin nicht zuständig.”
  9. Mehr Jobs in die Regionen: Eine bessere Schienen-Infrastruktur bringt den Regionen auch mehr Chancen. Betriebe können den Versand leichter abwickeln und das ÖBB-Datennetz schafft auch neue Möglichkeiten auf dem Daten-Highway.
  10. Mehr Geld für den Öffentlichen Nahverkehr statt für den Transitverkehr: Das Grüne Konzept ist klar: 50 Milliarden für die Umsetzung dieses “Anti-Stau-Paketes”. Das Geld ist vorhanden: Durch Verzicht auf neue Autobahnprojekte, Einführung des Lkw-Roadpricing und Ausbau der Parkraumbewirtschaftung.

Zum Weiterlesen

Schnellbahnaktionstag der Grünen, APA OTS, 24. November 1997

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