Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Monat: Oktober 2016 (Seite 1 von 4)

305/366: Kommunalpolitischer Feuermelder. Die Alternative Liste Graz

Alternative Liste Graz - jetzt mischen wir uns ein!

Alternative Liste Graz – jetzt mischen wir uns ein!

“Wir betrachten uns als eine Art ‘kommunalpolitischer Feuermelder’ für Aktivbürger und Bürgerinitiativen gegenüber der (ohn-) mächtigen Rathauspolitik”. So beschreibt sich die Alternative Liste Graz in einem Faltblatt zur Gemeinderatswahl 1983. Jeden Mittwoch trafen sich die Engagierten aus verschiedensten Bereichen der Ökologie-, Alternativ- und Friedensbewegung in der “Dezentrale für Alternativen” in der Prokopigasse 2/1. Im folgenden die Selbstdarstellung.

Die ALG erreichte bei der Wahl im Jänner 1983 knapp unter elftausend Stimmen und 7,04 Prozent, das entsprach vier Mandaten. Graz war somit die erste Großstadt Österreichs mit Grün-Alternativen im Gemeinderat.

Download des vierseitigen Folders: 305-alternative-liste-graz-wer-sind-wir (PDF, 2 MB)


Wer sind wir? Vor einem Jahr haben sich Aktivisten aus Grazer Bürgerinitiativen (Stadtteilinitiativen, Anti-AKW-Gruppen, Verkehrsgruppen, Dritte Welt-Initiativen. Friedensleute etc.) gemeinsam mit engagierten Einzelpersonen zur Alternativen Liste zusammengetan, mit dem Ziel, ihre politische Erfahrung noch wirkungsvoller als bisher in die Grazer Kommunalpolitik einzubringen.

ganz normale Unzufriedene

Dieser Kreis politisch engagierter Grazerinnen und Grazer hat sich in den letzten Monaten rapid vergrößert: Unsere wöchentlichen – offenen – Treffen (jeden Mittwoch in der “Dezentrale”) sind eine bunte lebendige Mischung aus alten “Bürgerinitiativ-“Kämpfern”, Hausfrauen und Studenten/innen, bis hin zu ganz “normalen Unzufriedenen”.

Wir betrachten uns als eine Art “kommunalpolitischer Feuermelder” für Aktivbürger und Bürgerinitiativen gegenüber der (ohn-) mächtigen Rathauspolitik.

Alternative zur Einheitspartei

Wir sind die Alternative zur ewiggestrigen Einheitspartei SPÖVPFPÖ.

Wir sind nicht der liebe Weihnachtsmann, der uns in “rot-gelb-blau” von den Plakatwänden vor den Wahlen vielversprechend entgegenlächelt, alles verspricht und hinterher nichts hält.

Und wir haben auch nichts zu tun mit diversen, aus Wien oder Salzburg ferngesteuerten “Grünen”, bei denen man sich fragen muß, warum sie sich eigentlich grün nennen.

Die Alternative Liste Graz versteht sich als ein Teil der weltweit sich entfaltenden Ökologie- und Friedensbewegung.

304/366: Eva Glawischnig wird Nationalratspräsidentin

Eva Glawischnig. Foto: De Grünen Österreich

Eva Glawischnig. Foto: Die Grünen Österreich

Heute vor zehn Jahren, am 30. Oktober 2006, wurde Eva Glawischnig als dritte Nationalratspräsidentin angelobt. Bei der Nationalratswahl am 1. Oktober hatten die Grünen mit 520.130 Stimmen und 11,05% – erstmals in ihrer Geschichte – Platz 3 erzielt. Alexander Van der Bellen (Wien-Nordwest) und Eva Glawischnig (Wien-Südwest) hatten erstmals Regionalwahlkreis-Direktmandate erreicht. Somit stand den Grünen dieses Amt zu. Alexander Van der Bellen blieb Klubobmann. Der “Standard” schrieb dazu am 16. Oktober 2006:

Ein bisschen anders und nicht rein repräsentativ will die Grüne Kandidatin Eva Glawischnig das Amt der Dritten Nationalratspräsidentin anlegen. Die stellvertretende Grüne Bundessprecherin will die Rechte des Parlaments und den Nationalrat als “Vertretung der Bevölkerung” stärken, denn das Hohe Haus sei kein “verlänger Arm der Regierung”, erklärte Glawischnig am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Parteichef Alexander Van der Bellen. An die ÖVP appellierte sie, auch eine Frau zu nominieren und damit “die historische Chance” auf ein rein weibliches Präsidium zu ergreifen.

Erste grüne Volksanwältin

Außerdem hatten die Grünen erstmals die Möglichkeit, eine Volksanwältin zu entsenden. Terezija Stoisits, die seit 5. November 1990 Nationalratsabgeordnete war und sich besonders für Menschenrechte und Minderheiten einsetzte, wurde als Volksanwältin designiert und war ab 1. Juli 2007 in dieser Funktion tätig.

303/366: Anforderungen an eine grüne Wirtschaftspolitik

Perspektiven ökoloogischer und sozialer Wirtschaftspolitik in Österreich.

Perspektiven ökoloogischer und sozialer Wirtschaftspolitik in Österreich (1987)

Der Kongress “Perspektiven ökologischer und sozialer Wirtschaftspolitik in Österreich” fand am 31. Oktober und 1. November 1987 in Leoben statt. Er wurde von der Grün-Alternativen Liste Steiermark und der Grünen Akademie veranstaltet.

Ziel der Veranstaltung: “Diskussionen über wirtschaftliche Alternativen sind ein Gebot der Stunde — für die grünalternative Bewegung ebenso wie für all jene außerhalb dieser Bewegung, die erkannt haben, daß die herrschende Politik — die Politik der Herrschenden! — uns immer tiefer in die soziale und ökologische Sackgasse führt. Immer mehr reift unter dem Druck dieser Politik die Erkenntnis, daß scheinbar unzusammenhängende Probleme — Arbeitslosigkeit, Waldsterben, Einengung der demokratischen Möglichkeiten, Pensionsabbau, Ausufern des Individualverkehrs, Zerschlagung der Verstaatlichten und der Gemeinwirtschaft, soziale Ungleichheit, umweltschädigende Produktionsweisen, Verdrängung der Frau aus der Arbeitswelt, — sich auf dem gemeinsamen Boden des herrschenden Wirtschaftssystems entwickelt haben. Diese Zusammenhänge zu diskutieren, Standpunkte zu bestimmen, Entwicklungen zu skizzieren und Alternativen und Utopien zu entwickeln soll die Aufgabe dieses Kongresses sein”.

Wir bringen den Beitrag “Anforderungen an eine grüne Wirtschaftspolitik” von Luise Gubitzer.


// Seit den 70er Jahren ist die Auseinandersetzung um die Mensch-(Gesellschafts-)Natur-Beziehung in das Zentrum gesellschaftskritischer Diskussion getreten. Ein wesentlicher Teil dieser “Ökologiediskussion” ist die Diskussion um ein anderes Wirtschaften. Die hierbei erarbeiteten Vorschläge entstammen unterschiedlichen Traditionen und sind mangels eines “grünen Weltbildes” ein Konglomerat von Ideologie- und Theoriebruchstücken, die oft entgegengesetzten Positionen zugehören und so zu widersprechenden Ergebnissen und Zielen führen. Um unter veränderten politischen Bedingungen ein Auseinanderfallen der Bewegung zu verhindern, ist es notwendig, sich bezüglich der ökonomischen Vorstellungen und Entwicklungen Klarheit zu verschaffen. Dazu sind aber eigene Anstrengungen notwendig, da sich die “etablierte” Ökonomie mit den für uns relevanten Fragestellungen nicht, oder von unseren Interessen abweichend beschäftigt. Weiterlesen

302/366: Floss in Vorstand der Europäischen Föderation grüner Parteien gewählt

028-egp--logoVor 24 Jahren, von 28. bis 30. Oktober 1994, fand in Chania auf Kreta das zweite “Council Meeting” der Europäischen Föderation grüner Parteien statt. Franz Floss aus Österreich wurde in das “Committee”, also den Vorstand, gewählt.

Der Lebensmittelchemiker Floss war vom 9. Dezember 1990 bis zum 11. Oktober 1992 (gemeinsam mit Franz Renkin) Bundesgeschäftsführer gewesen. Die Europäische Föderation grüner Parteien (EFGP) wurde 1993 in Finnland als Nachfolgerin der losen “Koordination der Europäischen Grünen” gegründet. Im Jänner 1994 fand das erste Council Meeting in Wien statt. 2004 ging die EFGP in die European Green Party über.


Siehe dazu auch die Beiträge “Gründung der Europäischen Föderation Grüner Parteien in Wien” vom 28. Jänner 2016 und “European Green Party trifft sich in Wien” vom 12. Oktober 2016.

301/366: Von Kindergruppe bis Bettellobby. Das Amerlinghaus

Im “Amerlinghaus” befindet sich das älteste selbstverwaltete Kulturzentrum Wiens. Seit seiner Besetzung 1975 ist es kontinuierlich ein Ort für selbstorganisierte Sozial- und Kulturprojekte. Unser Gastautor Stefan Wolfinger wirft einen Blick in die Geschichte dieses Hauses im Wiener Bezirk Neubau.


Sebastian Baryli: Amerlinghaus (2008), CC-BY

Sebastian Baryli: Amerlinghaus (2008), CC-BY

Hip, herausgeputzt, reich an historischer Bausubstanz und als Wohngegend ungeheuer beliebt – so präsentiert sich das Spittelbergviertel im 7. Wiener Gemeindebezirk heute. In den 1970er Jahren bestand es jedoch hauptsächlich aus stark renovierungsbedürftigen Häusern aus der Barock- und Biedermeierzeit. Ein Großteil dieser Objekte befand sich im Besitz der Gemeinde. GrundstückspekulantInnen, aber auch die Wiener Stadtverwaltung überlegten, Teile des Viertels zu schleifen und neue Wohnhäuser zu errichten. Gegen dieses Ansinnen regte sich Widerstand. ArchitektInnen, Kulturtreibende und kritische Jugendliche schmerzte nicht nur der drohende Abriss der historischen Gebäude. Sie befürchteten auch eine Vertreibung der ansässigen Grätzel-Bevölkerung, denn die neuen Häuser würden auch höhere Mieten mit sich bringen.

Im Zentrum der Protestaktionen gegen die Abriss- und Umbaupläne stand das Geburtshaus des Malers und Dichters Friedrich Amerling. Nach einem Fest im Sommer 1975, für das das Haus in der Stiftgasse 8 freigegeben worden war, sammelten die AktivistInnen Unterschriften für ein Kommunikationszentrum. Im Anschluss besetzten sie das Haus und nahmen einen “Demonstrationsbetrieb” auf mit kulturellen Veranstaltungen, Diskussionsrunden und Aktionen für Kinder und Jugendliche. Die Wiener Vizebürgermeisterin Fröhlich-Sandner sagte nach Verhandlungen zu, die Anliegen der BesetzerInnen zu unterstützen. Das Gebäude wurde durch die gemeindeeigene Baugesellschaft Gesiba renoviert und am 1. April 1978 dem “Verein Zentrum Amerlinghaus” zur Nutzung übergeben, der seitdem als offizieller Träger des selbstverwalteten Kulturzentrums fungiert. Damit entstand ein Rechtskonstrukt, die auch heute noch zu Spannungen zwischen den Betreibern und der Stadt Wien führt. Denn das Haus wird zwar autonom geführt, ist aber von den Subventionen der Stadt abhängig. Weiterlesen

300/366: Der Bauer ist kein Spielzeug

Nach dem EG-Beitritt kommt in Österreich das Christkind vier Mal im Jahr ;-)

Nach dem EG-Beitritt kommt in Österreich das Christkind vier Mal im Jahr 😉 Titelblatt des Sonderhefts zur österreichischen Landwirtschaft und der EG.

“Der Bauer ist kein Spielzeug”, betitelte der Nationalratsabgeordnete und Agrarsprecher Andreas Wabl seinen Text für eine Broschüre des Grünen Bauernbundes, die sich mit der österreichischen Landwirtschaft und der Europäischen Gemeinschaft beschäftigte. Seine Forderung, dass internationale Abkommen den fairen Welthandel absichern sollten, ist in Zeiten von CETA und TTIP mehr als aktuell.


Strukturanpassung, Delikatessenladen, Überschußverwertung, Herausforderung, Protektionismus, Fischler, GATT, EG, Direktzahlungen, Ökoleistungen und Einkommenseinbußen —einmal eine Milliarde, dann 5 Milliarden und plötzlich 8 Milliarden — all diese Schlagworte geistern herum!

Es ist merkwürdig, in einer Welt zu leben, in der einer Berufsgruppe ununterbrochen erzählt wird, daß sie Einkommenseinbußen hinnehmen wird müssen, daß 50% der Betriebe voraussichtlich zusperren werden und daß die Zeit in einem Wandel begriffen ist.

Internationale Abkommen für fairen Welthandel

Selbstverständlich wäre es wunderbar, wenn in allen gesellschaftlichen Bereichen die Ökologisierung voll einsetzen würde. Jeder Bauern und jede Bäuerin würde sich gemeinsam mit Fachleuten zusammensetzen und für ihren Betrieb ein angepaßtes Ökologisierungskonzept entwerfen. Für schwierige Phasen der Entwicklung würde die Gemeinschaft finanzielle und andere Hilfe gewähren. Die gewählten Mandatare, Gemeinderäte, Abgeordneten und Regierungsmitglieder sorgten für die geeigneten gesetzlichen Rahmenbedingungen, und internationale Abkommen würden den fairen Welthandel absichern —dieser Wandel, der täte not.

Würde das Gerede von der CO2-Belastung ernst genommen werden, die Frage der Grundwasserbelastung redlich erörtert, das Artensterben von Pflanzen und Tieren Trauer verursachen und die gesundheitliche Gefährdung und Überarbeitung vieler bäuerlicher Menschen ein echtes Anliegen sein — die Preise müßten dramatisch steigen. Aber Ökodumping ist weiter angesagt und die wichtigsten Produktionsmittel sind nach wie vor weltweit in der Landwirtschaft Düngemittel, mit Hilfe von Erdgas produziert, und Pestizide. Weiterlesen

299/366: Allianz der Anständigkeit: SOS Mitmensch

Allianz der Anständigkeit: SOS Mitmensch. Wienbibliothek im Rathaus, Legat Dieter Schrage, C-323087

Allianz der Anständigkeit: SOS Mitmensch. Wienbibliothek im Rathaus, Legat Dieter Schrage, C-323087

Heute vor 24 Jahren, am 25. Oktober 1992, kündigte Peter Pilz in der ORF-Fernsehsendung “Pressestunde” Gespräche mit aufgeklärten SozialdemokratInnen, ChristInnen, Intellektuellen und KünstlerInnen an. Daraus solle eine “Allianz der Anständigkeit” entstehen, die “neue Mehrheiten” in Österreich für eine menschliche Ausländerpolitik schaffen soll. Aus dieser Initiative entstand die Plattform “SOS Mitmensch“, die sich bei einer Pressekonferenz am 10. Dezember 1992 erstmals der Öffentlichkeit vorstellte.

Neben Peter Pilz waren auch andere Vertreter_innen der Grünen Alternative wesentlich an der Gründung von SOS Mitmensch beteiligt, z.B. Friedrun Huemer, Nikolaus Kunrath und Dieter Schrage.

Sich nicht fügen macht einen Sinn

Siehe dazu auch den Beitrag “‘Sich nicht fügen macht einen Sinn’: das Lichtermeer am Heldenplatz” vom 23. Jänner.

298/366: Steiermark: Programm für eine ökologische Sozialpolitik

Programm für eine ökologische Sozialpolitik, herausgegeben von der Alternativen Liste Graz.

Programm für eine ökologische Sozialpolitik, herausgegeben von der Alternativen Liste Graz.

“Die Grün-Alternative Sozialpolitik ist ökologisch: Sie ist auf ein soziales Leben ausgerichtet, das nicht mehr im Widerspruch zu natürlichen Prozessen und zur Umwelt steht! Die Grün-Alternative Sozialpolitik ist emanzipatorisch. Aktive Beteiligung an der Beseitigung sozialer Not statt Degradierung zu Objekten! Die Grün-Alternative Sozialpolitik ist auf Vorsorge aufgebaut: Sie verlangt eine Umorientierung der bestehenden Wirtschaftsform.”

Helfe sich wer kann! Unser Sozialsystem im Umbruch” heißt eine Tagung, die die Grüne Bildungswerkstatt Oberösterreich am 4. und 5. November in Linz austrägt. Passend dazu veröffentlichen wir heute das Programm “Umbau statt Abbau des Sozialstaates. Programm für eine ökologische Sozialpolitik” im Blog. Das Papier der Grün-Alternativen Liste Steiermark wurde von der Alternativen Liste Graz herausgegeben und verlegt. Jahresangabe gibt es leider keine.

Gesamtes Programm zum Download: 298-gruene-steiermark-programm-oekologische-sozialpolitik (PDF, 6 MB)


Die Probleme scheinen unlösbar: Soziale Not in Form von materieller Armut und seelische Isolation verbunden mit Aussonderung breitet sich erschreckend aus: Steigende Arbeitslosigkeit, rapid ansteigende Anzahl von Sozialhilfeempfängern, auseinandergerissene Familien und zerstörte Sozialstrukturen, unmenschliche Arbeitsbedingungen und gigantische Umweltbelastungen sind der Tribut ans kapitalistische Wirtschaftssystem.

Hase und Igel

Das bestehende Sozialsystem dient nur der Schadensreparatur. Es soll Schäden reparieren, die den Menschen durch die fortschreitende Zerstörung ihrer natürlichen und sozialen Umwelt zugefügt werden. Je mehr die Zerstörung voranschreitet, umso mehr soziale Dienste müssen bereitgestellt werden, um die größten Schäden zu reparieren. Diese Art von Sozialpolitik erinnert an das Spiel vom Hasen und vom Igel: Der Hase (Sozialpolitik) rennt und rennt. Der Igel (sozialer Schaden) ist immer schon da.

Unser Sozialsystem ist gekennzeichnet durch einen Bürokratismus, der uns zu einer Aktennummer reduziert und zudem einen großen Teil der für diesen Bereich vorhandenen Gelder verschlingt; die Betroffenen sozialer Hilfe werden von der aktiven Beteiligung ausgeschlossen. Sie werden so zu manipulierten, entmündigten Objekten degradiert, ohne Möglichkeit zur selbstorganisierten Problemlösung.

Die Finanzierung des sozialen Systems ist in der derzeitigen Form in Frage gestellt. Die öffentliche Hand will sich immer mehr der Verantwortung entziehen und reprivatisieren.

Begleitet von Appellen an “Selbsthilfekräfte” und “Eigenverantwortlichkeit” wird derzeit versucht, soziale Notlagen wieder zur Privatangelegenheit des Einzelnen und seiner Familie zu erklären. Die soziale Ungleichheit nimmt mit der ungleichen Verteilung der Krisenlasten zu. Weiterlesen

297/366: Vorsicht! Hochspannung. Das eingestampfte Plakat

Vorsicht! Hochspannung. Dieses Plakat hätte bei einem Ja zu Zwentendorf plakatiert werden sollen.

Vorsicht! Hochspannung. Dieses Plakat hätte bei einem Ja zu Zwentendorf plakatiert werden sollen.

Heute zeigen wir eine besondere Rarität. Dieses Plakat wurde 1978 gedruckt. Man befürchtete, dass die Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf für das Kraftwerk ausgehe. Da sich aber wie erhofft eine – mit 50,5 % knappe – Mehrheit der Wähler_innen dagegen aussprach, wurde das Plakat wieder eingestampft. Piet Grusch konnte damals ein Exemplar retten und übergab es kürzlich dem Grünen Archiv. Das Plakat wurde von der FÖJ – Bewegung für Sozialismus veröffentlicht.


SPÖ Wir danken

Wir danken Ihnen für Ihr JA zu Zwentendorf, denn die Folgen eines NEINS wären nicht auszudenken gewesen: nicht nur, dass wir Zwentendorf nicht hätten in Betrieb nehmen können – unsere ganze bisherige Politik wäre in Gefahr gekommen: wenn Sie gegen Kernkraftwerke sind, nur weil sie Gefahren mit sich bringen, könnten Sie ja auch auf die Idee kommen, beispielsweise den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel zu fordern, nur, weil Autos Gefahren für das Leben des einzelnen und die Umwelt bedeuten. Dann könnten Sie ja auch genausogut auf die Idee kommen, daß es nicht nur um die Erhaltung irgendwelcher Arbeitsplätze geht, sondern um die Schaffung humaner Arbeitsplätze.

Das alles haben Sie mit Ihrem JA verhindert, und dafür danken wir Ihnen. BRUNO [Kreisky, Anm.]

ÖVP Wir danken

Wir danken Ihnen für Ihr JA zu Zwentendorf, weil Sie sich von unserer NEIN-Wahlempfehlung nicht haben verwirren lassen. Sie haben begriffen, daß wir selbstverständlich für die Kernenergie sind, aber nicht für die der SPÖ. Schließlich können wir für uns in Anspruch nehmen, von Anfang an bei Planung und Bau mitgewirkt zu haben. Auch haben unsere Vertreter und Parteifreunde in den Landeselektrizitätsgesellschaften, der Industriellenvereinigung und der Bundeswirtschaftskammer nie daran zweifeln lassen, daß sie für die Inbetriebnahme sind.

Schließlich kann es passieren, daß wir nach den nächsten Wahlen für die Energiepolitik verantwortlich sind — zumindest hoffen wir das — und dann wäre Ihr NEIN recht hinderlich, den weiteren Ausbau der Kernenergie voranzutreiben. JOSEF [Taus, Anm.] Weiterlesen

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