Günther Nenning: Warum ich nicht kandidiere (1986)
“Ich kann kein elender Parteigänger sein, der nur dem einen Freund recht und Liebe gibt”, so begründete Günther Nenning, warum er 1986 nicht selbst für den Nationalrat kandidierte, “ich nehme politisches Asyl in den leuchtenden Augen und herzhaften Umarmungen von Grün-Menschen, die für die Bewegung arbeiten seit Jahr und Tag und gar nicht ins Verlegenheitsverhältnis kommen, unschöne Gier auf Sessel zu entwickeln”.
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1. Wegen Sesselgerangel
Ich wollte und hab mir’s so schön vorgestellt. Jetzt ist’s mir zu schiach. In der olympischen Disziplin des Sesselrangelns hab’ ich das Handtuch geworfen. Wenn ich weiterhin meine unerträglichen Einigungsversuche fortsetzen will, darf ich nicht zugleich einen Sessel wollen.
Irgendwie mach’ ich’s immer falsch. Erst arbeit’ ich wie ein Viech, setz’ alles dran, Mut Blut Gut, dann flieg’ ich raus. Es muß wohl an mir liegen.
2. Zwecks Freiheit
Wieder frei. Vogelfrei. Mit einem Herzen, das wieder ruhig und stark schlägt.
Aus der Distanz, in die ich mich begeben habe, wird Häßliches wieder glückhaft unscharf; ich kann sie vergessen, die gierigen Kulleraugen, die saftelnden Lefzen. Aus der Distanz kann ich jetzt sagen: Die politische Notwendigkeit ist klar: Die Grünen müssen ins Parlament. Bitte wählt sie!
Für diese politische Notwendigkeit will ich weiterhin wie ein Viech arbeiten. Und ich brauch’ mich nicht mehr nächtlich zu fragen: Arbeitest du für die Grünen oder dafür, daß du ins Parlament kommst? Ich bin meine eigene Befreiungsbewegung. Ich habe mich befreit.
3. Verzichten können
Günther Nenning: Warum ich nicht kandidiere (1986)
Der grünen Gesamtbewegung tut’s jetzt gut, daß einer sagt: Ich verzichte.
Klar bin ich ehrgeizig. Aber sieh da: Ich kann mich einbremsen.
Ich hab’ meine Eitelkeit auf die Probe gestellt. Ist sie total oder ist das drin: das Zurücktreten ins grüne Allgemeine. Ich bin ein Ex-Promi.
Ich nehme politisches Asyl in den leuchtenden Augen und herzhaften Umarmungen von Grün-Menschen, die für die Bewegung arbeiten seit Jahr und Tag und gar nicht ins Verlegenheitsverhältnis kommen, unschöne Gier auf Sessel zu entwickeln. Ich fühle mich bei diesen Menschen gut aufgehoben. Lustvoller als nächtliches Sesselrangeln ist: auf Straßen und Plätzen Zettel verteilen voll kritischem Engagement: Wählt Liste Freda Meissner-Blau.
Ich bin schon wer, auch ohne Sessel.
Alter Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind! Aber die einzig feste Unterlage, die ein Mensch haben kann, ist doch: daß er in sich selbst ruht, als Kind Gottes. Ich bin schon wer, auch ohne Sessel. Einer unter 183 ist nicht so schön wie einer, der einer ist.
Mit 30 wäre ich der Versuchung vielleicht erlegen. (Vielleicht auch nicht, denn mit 30 hätte ich leicht SPÖ-Abgeordneter werden können.) Mit 65 war die Versuchung nicht mehr so groß. Ich komme immer näher an ein Gericht, wo nicht gefragt wird, warst du fromm, sondern ganz weltlich primitiv: Warst du halbwegs anständig?
Vorher hätt’ ich noch gern ein paar schöne Jahre: Ein ruhiges Gewissen nicht als Ruhekissen, sondern als elastische Unterlage für fortgesetzte Arbeit. Weiterlesen
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