Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Schlagwort: Wien (Seite 5 von 12)

234/366: Alternative was?

Heute eine Anekdote von einem Besuch unserer Archivleiterin im Wiener Stadt- und Landesarchiv:

Archivbenutzer neben mir am Schalter: “Was haben Sie denn da für eine Schachtel? Die ist ja gar nicht beschriftet”. Ich (hebe Bestellzettel hoch): “Oja, hier”. Er (beugt sich herüber): “Alternative was?” Ich: “Alternative Liste”. Er: “Und was sind da für Daten gespeichert? Was ist das für eine Liste?” Ich: “Das war eine politische Partei”. Er: “Ach so” (wendet sich uninteressiert ab).

Der Benutzer dachte wahrscheinlich, die “alternative Liste” sei ein geheimer Katalog, den das Archiv nur an besondere BenutzerInnen aushändigt, und fragte sich, warum er die nicht bekommt 😉

233/366: Sozialstaat Österreich. Das Volksbegehren

Das Volksbegehren Sozialstaat Österreich (2002)

Das Volksbegehren Sozialstaat Österreich (2002)

Im April 2002 wurde das Volksbegehren “Sozialstaat Österreich” abgehalten. Der sogenannte “Einleitungsantrag”, der an das Innenministerium geht, war von Werner Vogt, Stephan Schulmeister, Emmerich Talos, Ernst Berger und Elisabeth Paschinger eingereicht und von 38.425 Personen unterstützt worden.

Das Volksbegehren selbst wurde von 717.102 Personen unterzeichnet, das sind 12,20%.

Ziel war, dass dem Artikel 1 der Österreichischen Bundesverfassung folgender Absatz angefügt wird:

Österreich ist ein Sozialstaat. Gesetzgebung und Vollziehung berücksichtigen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele. Vor Beschluss eines Gesetzes wird geprüft, wie sich dieses auf die soziale Lage der Betroffenen, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirkt (Sozialverträglichkeitsprüfung). Die Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut erfolgt solidarisch durch öffentlich-rechtliche soziale Sicherungssysteme. Die Finanzierung der Staatsaufgaben orientiert sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.

“Dass die Grünen das Volksbegehren unterstützen, versteht sich von selbst. Wir sind überzeugt, dass Österreich nur dann ein reiches und menschenwürdiges Land bleiben wird, wenn es ein funktionierender Sozialstaat bleibt. Nur so ist der gesellschaftliche Zusammenhalt gewährleistet”, sagte der Wiener Landessprecher Albert Steinhauser in einer Presseaussendung vom 1. April 2002. Volker Plass, Vorsitzender der Grünen Wirtschaft, sagte in einer Presseaussendung vom 21. März 2002: “Eine solidarische Gesellschaft, die ohne Ausgrenzung und Benachteiligung von Schwächeren auskommt, ist die beste Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft.”

In einer Broschüre brachten die Grünen Beispiele, die die Dringlichkeit unterstrichen. Hier eines zum Thema Wohnen:


Leistbare Wohnungen für alle

Wohnen ist teuer genug. Für viele Menschen in Wien zu teuer. Noch dazu ist die Wohnbauförderung oft ungerecht verteilt.
Der alleinstehende 35-jährige Akademiker Karl K. wohnt seit Studienzeiten in einer Gemeindewohnung, die er vor fünf Jahren von seinen Eltern übernommen hat. Er verdient € 1.935,90 netto monatlich und bezahlt für 58 m2 € 305,95 Monatsmiete inklusive Betriebskosten und Steuern. Er muss also 15,8 % seines Monatseinkommens für die Miete verwenden. Mag. K. bekommt natürlich keine Wohnbeihilfe, weil er ja gut verdient.

Die Frau im Stockwerk darüber ist Verkäuferin in einem Lebensmittelladen und verdient € 961,53 monatlich. Für ihre exakt gleich große Wohnung bezahlt sie den gleichen Mietzins. Sie benötigt also 31,8 % ihres Monatseinkommens für Mietzahlungen und bekommt dennoch ebenfalls keine allgemeine Wohnbeihilfe, weil sie zu wenig verdient! Für die allgemeine Wohnbeihilfe ist nämlich ein Mindesteinkommen notwendig.

230/366: Kämpferische Mode der Alternativen Liste Wien

Piet Grusch im ALW-Pullover.

Piet Grusch im ALW-Pullover (2012)

Vor einer Woche haben wir eine Schenkung von Peter “Piet” Grusch an das Grüne Archiv übernommen, die vor allem Materialien zur Arenabewegung, zur Alternativen Liste Wien und zu den Brigittenauer Grünen und Alternativen beinhaltet. Die Materialien werden ab Oktober benutzbar sein. Im Blog haben wir am 11. August einen Auszug aus der Broschüre “Für ein rot-grünes Österreich”, die Teil dieser Schenkung war,  und am 25. Jänner ein Interview mit Piet Grusch und Fritz Zaun gebracht.

Leider ist dieser wunderschöne Pullover mit dem entschlossen und kämpferisch blickenden Maskottchen der Alternativen Liste Wien (noch?) nicht dabei gewesen. Wäre eine tolle Ergänzung für unsere Textilsammlung – ein Kapuzenpulli von Julian Schmid ist auch noch ausständig 😉

228/366: Linke Alternative zur Liste Freda Meissner-Blau: das Kurzprogramm der GAL

GAL Kurzprogramm

GAL Kurzprogramm

“Zwischen der Vergewaltigung einer Frau, der Eroberung eines Landes und der Zerstörung der Erde ist kein prinzipieller Unterschied”. So beginnt das Kurzprogramm der Grünalternativen – Demokratische Liste (GAL). Selbstdefinition: “Alternative, Umweltbewußte, Feministinnen, Friedensbewegte, Gewerkschafter, Linke und Grüne”. Bei der Nationalratswahl 1986 trat die GAL als linke Alternative zur Liste Freda Meissner-Blau an, erreichte jedoch nur 6005 Stimmen bzw. 0,1%. Wir bringen heute einen Teil der Einleitung aus dem Kurzprogramm, das als “Ausdruck der Vielfalt der Initiativen, Strömungen, Gruppen und Ansichten, die die Grün-Alternativen – Demokratische Liste ausmachen”. verstanden wurde.

Download des gesamten Kurzprogramms: gal-kurzprogramm (PDF, 2,8 MB)


//zitat// Zwischen der Vergewaltigung einer Frau, der Eroberung eines Landes und der Zerstörung der Erde ist kein prinzipieller Unterschied: Im Patriarchat besteht ein Zusammenhang zwischen der Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zwischen den Völkern, der gewaltsamen Aneignung und Zerstörung der Natur und den gewaltsamen Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Während aber allmählich begriffen wird, daß die rücksichtslose Ausbeutung der Natur und die permanente Drohgebärde des Wettrüstens das Leben auf diesem Globus auszulöschen drohen, wird die Ausbeutung und Diskriminie-rung der Frauen vielfach immer noch als “naturgegeben” angesehen.

Spätestens seit Tschernobyl ist klar geworden, daß der Sieg der abstrakten patriarchalischen “Vernunft” über die “Unvernunft” von Natur und Frauen, der Glaube an die technische Machbarkeit und Beherrschbarkeit des Lebens und der Gesellschaft geradewegs in die Selbstzerstörung führen. Die wirtschaftliche, soziale und emotionale Spaltung der Gesellschaft in Männer und Frauen, die den einen die Öffentlichkeit, den anderen den “Privatbereich” zuweist. den einen das Aufbauen und Zerstören, den anderen die Sicherung des biologischen Überlebens des Menschen, hat sich als Sackgasse erwiesen. Die Abkehr von diesem System der Zweiteilung ist heute mehr denn je zu einer Überlebensfrage schlechthin geworden. Wir werden deshalb darum kämpfen, daß sowohl in unseren Reihen als auch in allen anderen Bereichen von Arbeitswelt und Politik ein Frauenanteil von mindestens 50 % gesetzlich verankert wird.

Gleichzeitig geht es aber auch darum, unter Arbeit mehr zu verstehen als nur Lohnarbeit. Gerade Frauen sind nie arbeitslos, auch wenn sie keinen Lohn bekommen. Um ein solches Verständnis von Arbeit zu ermöglichen, bedarf es einer rigorosen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und einer ausreichenden Grundversorgung aller Staatsbürger, die nicht, noch nicht oder nicht mehr einer Erwerbsarbeit nachgehen (können). Eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme aller Frauen am öffentlichen Leben ist der Ausbau von kostenlosen Einrichtungen zur Kinderversorgung mit Öffnungszeiten, die auf die Arbeitszeiten abgestimmt sind. Kinder dürfen nicht länger als lästige Anhängsel der Frauen angesehen werden, die in den Gratis-Privatbereich abgeschoben werden. Sie müssen von der Arbeitswelt berücksichtigt und von den Männern als wichtiger Bestandteil ihres eigenen Lebens erkannt werden, für den sie materiell und emotional zu sorgen haben. Um eine solche erweiterte Sichtweise von Öffentlichkeit zu erreichen, ist es notwendig, die Familie als nur eine mögliche Lebensform anzuerkennen. Denn obwohl immer mehr Menschen nach Alternativen des Zusammenlebens suchen, sind Ehe und Kleinfamilie noch immer die gesellschaftlich anerkannten und staatlich geförderten Lebensformen. Die Entscheidung, welche Sexualität und welche Lebensformen sie wählen und ob und wieviele Kinder sie in die Welt setzen, muß Frauen selbst überlassen bleiben. //zitatende//

227/366: UNO-City versus Ökodorf

Ursula Baatz: Ökodorf im Prater (1979)

Ursula Baatz: Ökodorf im Prater (1979)

Ein Kontrastprogramm zur Eröffnung der UNO-City und zur internationalen Konferenz über die “Neue Weltwirtschaftsordnung” organisierte das österreichische “Forum – Alternativ” im Jahr 1979: Arbeitskreise zu Arbeitskollektiven, sanfter Geburt, Alternativer Energieproduktion und Naturmedizin wurden abgehalten, Straßentheater mit Dritte-Welt-Thema aufgeführt und im “Ökodorf” im Wiener Prater alternatives Leben, Essen und Wohnen vorgeführt. “Das Forum – Alternativ versteht sich selbst als Zwischenstation auf dem Weg zum selbstverantwortlichen, selbstverwalteten, selbstbestimmenden Menschen in einer Umwelt, die den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen entspricht”, schrieb Ursula Baatz in der Zeitschrift “Frischfleisch” 22/1979 (Wiederabdruck in “Frischfleisch & Löwenmaul” 30/1981). Der Text wird mit freundlicher Genehmigung der Autorin (www.ursula.baatz.at) wiedergegeben.

Download im Original-Layout: 227-baatz-oekodorf-prater (PDF, 1,6 MB)


Was im Ausland schon seit zwei Jahren bekannt ist, pries die Kronen-Zeitung im März dieses Jahres als Veranstaltung der Superlative in Kriminalpolizei-, Hotel- und Unterhaltungsbranche an: die feierliche Eröffnung der UNO-City im August und die UNCSTD (United Nations Conference on Science and Technology for Development – Konferenz der Vereinten Nationen über Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung) berät über die von den Entwicklungsländern geforderte “Neue Weltwirtschaftsordnung“.

Die Länder der Dritten Welt wollen neben anderen Forderungen (Indexierung der Rohstoffpreise, d.h. Anpassung an die Teuerung der Industriegüter, Recht auf Nationalisierung der ausländisch beherrschten Betriebe und Rohstoffabbaustätten), um den industriellen Vorsprung der Industrienationen aufholen zu können, einen billigeren Zugang zum technischen Know-How und den Patenten. Dazu soll auf dieser Konferenz ein “Kodex für den Transfer von Technik” ausgearbeitet werden.

Dies ist verständlich, wenn man die UNO-Statistik für die Jahre 1966 -1970 ansieht: danach investierten multinationale Konzerne in Konzernfilialen in Entwicklungsländer ohne Erdöl 4,9 Mrd. $ und entnahmen 7,6 Mrd. $ Gewinne; in 7 Ölländer wurden 1,9 Mrd. $ investiert und 16,2 Mrd. $ Gewinn entnommen. Was auf diese Weise gefördert wird, ist eine “Entwicklung der Unterentwicklung”; die den Gegensatz zwischen den industrialisierten Metropolen und der allmählich verelenden[den] Peripherie der Entwicklungsländer zunehmend verschärft. Ein solches ungleiches Verhältnis gibt es aber bereits auch zwischen den industrialisierten Entwicklungsländern (Submetropolen) und den noch ärmeren Nationen.

Ob die auf der UNCSTD beschlossenen Maßnahmen tatsächlich diese Situation positiv verändern werden, ist mehr als fraglich. Denn durch ein Abkommen über billigen Technologie-Transfer wird die krasse Einkommensdifferenz in Ländern der 3. Welt nicht berührt – in Entwicklungsländern beträgt das Einkommen der obersten 5 % der Bevölkerung 20 – 40 Mal soviel wie das Einkommen der ärmsten Bevölkerungsschichten; in Lateinamerika lebt die Hälfte der Bevölkerung von 35 % des durchschnittlichen Pro -Kopf-Einkommens – und den daraus entstehenden Machtverhältnissen. Wie das Beispiel Iran zeigt, dient die Industrialisierung primär der Oberschichte und der Finanzierung von unverhältnismäßigem Luxus und Militärbudgets. Das Geschehen in Persien läßt sich als Folge eines extrem forcierten Industrialisierungsprozesses verstehen, der die gewachsenen Strukturen aus dem Gleichgewicht brachte.

Dee sozialen Folgen des Technologie-Transfers lassen sich sehr leicht durch Zahlen deutlich machen: In Westafrika etwa verdrängten zwei Plastikpreßmaschinen, die jährlich 1,5 Millionen Paar Plastiksandalen herstellen und nur 40 Leute zu ihrer Bedienung brauchen, in wenigen Jahren 5000 Handwerker – Gerber, Zwirndreher, Schuster… und während früher die meisten Materialien aus dem Land selbst stammten, müssen heute Maschinen und Rohstoffe importiert werden. Arbeitslosigkeit durch Einführung neuer Technologien ist aber keineswegs nur ein Problem der Entwicklungsländer. Dies haben die Streiks in der Druck- und Stahlindustrie gezeigt, bei denen es ebenfalls um Erhaltung von Arbeitsplätzen ging. Die Krise in der Energieversorgung, die Frage der Kernkraftwerke, die zunehmende Zerstörung der Umwelt durch Industrieanlagen und -produkte – es ist offensichtlich, daß die Frage, wer wie welche Technologien benutzt, von globalem Interesse ist und nicht bloß eine Frage der Entwicklungspolitik. Weiterlesen

226/366: Wie die Grünen den Gemeindebau in Wien verbessern möchten

Unser Gemeindebau

Unser Gemeindebau. Broschüre der Wiener Grünen (um 2010)

Rund zweihunderttausend Gemeindewohnungen in zweitausend Gemeindebauten für fünfhunderttausend Menschen gibt es in Wien. Wie die Grünen das Leben und Zusammenleben in den Gemeindebauten verbessern wollen, schilderte David Ellensohn, damals nicht-amtsführender Stadtrat, in der Broschüre “Unser Gemeindebau”. Er forderte unter anderem einen Delogierungsstopp für Kinder und Jugendliche.


//zitat// Jede vierte Wohnung in Wien ist eine Gemeindewohnung. Auf diese fast 100 Jahre alte Errungenschaft ist die Wiener SPÖ auch heute noch stolz. Doch die Enkerl und Urenkerl des “Roten Wien” sind dabei, dieses Erbe zu verspielen. Anzeigenserien in Zeitungen und auf Plakaten tun so, als ob im Gemeindebau alles in Ordnung wäre.

1000 Delogierungen pro Jahr

Aber sehr vieles ist nicht in Ordnung: Jedes Jahr führt Wiener Wohnen 1000 Delogierungen durch – davon betroffen sind auch 300 Kinder. Gerade neulich wurde eine Familie mit 4 Kindern auf die Straße gesetzt, weil einer der Buben psychisch krank ist und angeblich die Nachbarn stört. Neue Wohnung gibt es keine. Das Geld der MieterInnen wird für sinnlose Kampagnen vergeudet.

schlechter baulicher Zustand

Viele Gemeindebauten gehören dringend saniert, die MieterInnen klagen über den schlechten baulichen Zustand, über Schimmel und Kälte im Winter. Um diese Wohnungen im Winter warm zu halten, muss zu viel Geld fürs Heizen ausgeben werden. Anstatt die Mietrücklagen für wichtige Sanierungen zu verwenden, werden Einzelwohnungen teuer hergerichtet. Und oft stimmen auch die Abrechnungen für Miete und Betriebskosten nicht. Grünflächenpflege passiert nach dem Zufallsprinzip und genauso wird sie auch verrechnet. Fast immer, wenn die Abrechnungen genau überprüft werden, kommen viel zu hohe Beträge zum Vorschein. Hat man eine Frage oder eine Beschwerde, so muss man sich mit dem unpersönlichen Call Center herumschlagen.

Wir Grüne fordern schon lange die rasche Sanierung von Gemeindebauten und eine Information für alle, wann ihr Haus saniert wird. Sanierungen bringen Arbeitsplätze, viele Menschen sparen Geld beim Heizen, und der Umwelt tut so eine Sanierung auch gut. Wir Grüne fordern transparente und nachvollziehbare Betriebskostenabrechnungen. Und wir fordern endlich eine erreichbare und verantwortliche Ansprechperson für jedes Haus.

wichtiges öffentliches Gut

Transparente Vergabe im Gemeindebau

Transparente Vergabe im Gemeindebau

Die Gemeindewohnungen in Wien sind ein wichtiges öffentliches Gut. Sie gehören saniert und in einem ordentlichen Zustand erhalten und jenen Menschen zur Verfügung gestellt, die sie brauchen. Und nicht verkauft, wie es die SPÖ im Kleinen bereits angegangen ist (600 Wohnungen hat der heutige Kanzler und Häupl-Ziehsohn Faymann verkauft) und die ÖVP schon lange im großen Stil fordert. Im Gegenteil: Nach über 10 Jahren Pause ist es Zeit, wieder Gemeindewohnungen zu bauen. Große für Familien und kleine für Singles. Nach modernen Standards und energiesparend. Billig für die weniger Betuchten, finanziert durch Steuern von denen, die mehr als genug haben.

Wir Grüne wollen, dass der Wiener Gemeindebau auch in Zukunft seinen Zweck erfüllt: Wienerinnen und Wienern, jungen Familien und Menschen in Pension Wohnungen zur Verfügung zu stellen, in denen sie sich wohl fühlen und die sie sich leisten können.

Der soziale Wohnbau muss wieder sozial werden.


Die Broschüre mit wunderbaren Illustrationen von Gannet zum Durchblättern:

225/366: Emmeline und Flora. Das Wiener Frauenprogramm

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Im Oktober 1987 luden die Grünen Frauen Wien zur basisdemokratischen Diskussion des Frauenprogramm. Auf dem Titelblatt der Einladung sind sechs FrauenrechtlerInnen abgebildet:


So, nun ist endlich soweit! Kommt bitte alle am Samstag, den 10. Oktober 1987 um 10.00 Uhr und am Sonntag, den 11. Oktober 1987 um 14.00 Uhr um unser Frauen-Programm basisdemokratisch zu diskutieren. Die frauenfreundliche Runde findet am Rennweg 84, in 1030 Wien statt.

Folgende Tagesordnungspunkte sind vorgesehen:

Samstag:

  • Begrüßung durch Eva Hauk (Bundesvorstand der Grünen)
  • Renate Bahr (Obfrau Grüne Bildungswerkstatt Wien) berichtet über die “Positionen der Frauen innerhalb der Alternativen Partei”
  • Perspektiven zur kommunalpolitischen Frauenarbeit, Jutta Sander (Kandidatin zur Wiener Gemeinderatswahl)
  • Der Rohentwurf des “Frauenprogramms” wird von Elfriede Schuh vorgestellt

Sonntag:

  • Erarbeitung und Ideenfindung zur Struktur der Frauenorganisation.

224/366: Chlorophyll-Faschisten versus Alternative Listen

SJ Wien: Für ein rot-grünes Österreich (1982)

Sozialistische Jugend Wien: Für ein rot-grünes Österreich (1982)

1982 veröffentlichte die Sozialistische Jugend Wien eine Broschüre unter dem Titel “Für ein rot-grünes Österreich” (übrigens unter Mitwirkung von Werner Faymann und Michael Häupl). In dem Kapitel über die österreichische Ökologiebewegung wird die politische Bandbreite der Umweltbewegung thematisiert: Die Gruppierungen werden in “Chlorophyll-Faschisten”, ” bürgerliche Zentristen” und Alternative Listen geteilt.

Bei letzteren seien “Ansatzpunkte für ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung” gegeben, wenngleich Grüne häufig “den gesellschaftlichen Konflikt Arbeit-Kapital” verdrängen oder ignorieren würden.


Ein grünes Österreich?

Persönliche Betroffenheit durch die existentielle Bedrohung der Menschheit und des Lebens durch die militärische und technologische Entwicklung hat eine breite Gegenbewegung – über Parteigrenzen hinweg – entstehen lassen.

Diese sogenannte Ökologiebewegung besteht aus einer Vielzahl “grüner” oder “alternativer” Gruppierungen, die die Heterogenität und das breite Spektrum dieser Bewegung ausmachen. Rechtsradikale und Neofaschisten versuchen am Trittbrett der Alternativbewegung aufzuspringen. Sie verbreiten Vorurteile und Fremdenhaß, verdammen etablierte Parteien und fordern Sozialdemontage für eine Erhöhung des Militäretats. Ökofaschismus ist fester Bestandteil neofaschistischer Ideologie. “Grüne” Gruppierungen bürgerlicher Mitte betreiben schrankenlose Bündnispolitik nach rechts. Eine Notgemeinschaft von Wissenschafter[n] solle Österreich erretten. Durch Appelle an die Volksgemeinschaft, ökologische Probleme “unabhängig von Interessen” gemeinsam zu lösen, sollen unüberwindbare Klassengegensätze zugedeckt werden. Denn Umweltzerstörung und atomare Bedrohung bedeuten, daß alle davon betroffen sind.

"Blumenkinder" - so sieht die SJ die Alternativbewegung

“Blumenkinder” – so sieht die SJ die Alternativbewegung…

Werden jedoch konkrete Fragen – wie z.B. die Finanzierung des Umweltschutzes – diskutiert, ist die scheinbare Verbindung zwischen den Klassen bereits zum Scheitern verurteilt. Aber er wäre zu wenig, nur Chlorophyll-Faschisten und bürgerliche Zentristen wahrzunehmen. Alternative Listen als “linker Flügel der Ökologiebewegung” zeigen Ansatzpunkte für ein Bündnis mit der Arbeiterbewegung. Daher sollten – in Hinblick auf Kooperation – programmatische Berührungspunkte als Diskussionseinstieg verwendet werden.

Noch stehen “die Grünen” im Diskussions- und Einigungsprozeß für eine gemeinsame Wahlplattform. Die Kandidatur bei den kommenden Nationalratswahlen im April 1983 ist aber bereits beschlossene Sache. Daher ist am historischen 5. November (Volksabstimmung) [Jahrestag der Zwentendorf-Abstimmung, Anm.] mit der Konstituierung einer Grünen wahlwerbenden Partei zu rechnen, sollte es gelingen, ein gemeinsames Programm zu erstellen.

Alternativbewegung contra Technologie?

Eine Verteufelung der Technik führt zur Verharmlosung des Kapitalismus und nützt objektiv der Erhaltung der bestgehenden Gesellschaft.

“Grüne” erkennen oft nicht, verdrängen oder ignorieren die ökonomische Entwicklung, den Akkumulationsprozeß des Kapitals und den gesellschaftlichen Konflikt Arbeit-Kapital. Auf diese Fragen werden auch sie Antwort geben müssen, etwa wie Umweltschutz finanziert und Arbeitslosigkeit bewältigt werden muß.


Quelle

Sozialistische Jugend Wien: Für ein rot-grünes Österreich. Eine Öko-Broschüre der Sozialistischen Jugend Wien. Wien: Druckerei Hans Jentzsch & Co 1982, 52 Seiten. Mitarbeit: Franz Bernthaler, Christian Boschek, Christian Deutsch, Regina Egger, Werner Faymann, Thomas Gstettner, Michael Häupl, Wolfgang Jansky, Walter Kanov, Christa Krammer, Wolfgang Maurer, Andi Pittler, Alfred Schwinghammer, Babsi Seebauer (Grünes Archiv, Sammlung Peter Grusch)

222/366: Georg Prack: Wohin gehen die Grünen?

Suspect Cover

Der Beitrag von Georg Prack ist im Suspect 16 (2008) erschienen.

“Die Grünen stehen an einem Scheideweg. Eine Repolitisierung des grünen Projekts erscheint notwendig. Visionäre grüne Politik muss an die Stelle eines immer stromlinienförmiger werdenden Politikverständnisses treten. Das Streben nach Macht in den Institutionen kann in diesem Zusammenhang nur Mittel zum Zweck sein. Nie darf dieses Machtstreben zum Selbstzweck werden.” – Wohin die Grünen gehen, fragte Georg Prack 2008 in der Zeitschrift “Suspect” der Grünalternativen Jugend Wien.

Prack war damals Mitglied des Erweiterten Bundesvorstands der Grünen. Von Juni 2012 bis November 2015 war er Landessprecher der Wiener Grünen.


Wohin gehen die Grünen?

Basisdemokratie ist zum lästigen Prinzip verkommen, Migration soll durch ein Punktemodell beschränkt werden, einer Koalition mit der ÖVP wird “Charme” attestiert, … Sind die Grünen noch zu retten?

Als das grüne Projekt vor mehr als 20 Jahren im österreichischen Parlament angekommen ist war es Ziel dieser Bewegung an einer gesellschaftspolitischen und ökologischen Alternative zum etablierten politischen System und seinen AkteurInnen zu arbeiten. Die grünen Parteien, die sich in den 1980er Jahren gründeten, verstanden sich als (parlamentarisches) Spielbein der neuen sozialen Bewegungen, insbesondere der Friedens-, Frauen- und Ökologiebewegung, in denen sie ihr Standbein sahen. Die politischen Grundsätze, die Form der Meinungsbildung, die Art Politik zu machen sollte auf diesem Standbein, wie der Begriff schon sagt, fußen.

Politik als Selbstzweck?

Misst frau/mann die Berechtigung einer grünen Partei an diesen Vorgaben, dann muss dieses Projekt gesellschaftliche und ökologische Veränderung mit dem Ziel eines politischen Umbruchs anstreben. Die politischen AkteurInnen des Projekts müssten die Grundsätze der Bewegung als Handlungsauftrag begreifen.

“Grün” zu sein ist kein Wert an sich, sondern hat nur dann einen Sinn, wenn dieses Grünsein auf einem gesellschaftsverändernden Programm basiert und dieses umzusetzen sucht.

Wenn das politische Establishment der grünen Partei in Österreich, ganz genau wie andere Parteien, versucht ist sich primär an der Maxime möglichst viele Wählerinnenstimmen zu generieren, zu orientieren, dann läuft zweierlei schief:

Erstens: Es gibt ein politisches Establishment der Grünen Partei. Genau diese Form von struktureller Hierarchisierung sollte durch andere Konzepte der Meinungsbildung- Basisdemokratie – und durch Reglementierung der Zeit die Menschen für die Grünen in Mandaten vertreten sind – Rotationsprinzip und Zulassungsabstimmung – verhindert werden. Eine basisdemokratische Partei waren die Grünen nie, Basisdemokratie ist eine Vision, nicht ein Zustand, der einfach erreicht werden kann. Basisdemokratie ist Ausdruck für das Ziel einer egalitären Auslegung von innerparteilicher Demokratie und einer breiten Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Meinungsbildungsprozessen. Der Versuch an dieser Vision zu arbeiten ist es, was die Grünen basisdemokratischer macht(e), als andere Parteien. Geblieben sind Listenwahlen, bei denen sich das politische Establishment regelmäßig über die Entscheidungen “der Basis” ärgert, wenn ihm gerade nicht gelungen ist die Wahl zuvor ausreichend zu beeinflussen. Und geblieben ist der Anspruch einen möglichst breiten, innerparteilichen Meinungsbildungsprozess durchzuführen, was regelmäßig als lästig, bremsend und altmodisch empfunden wird.

Das Rotationsprinzip hat sich zumindest bei den österreichischen Grünen nie wirklich durchgesetzt. Nach einigen Versuchen in den 80er Jahren wurde dieses Prinzip schnell aufgegeben. Bis Ende der 90er Jahre gab es jedoch eine große personelle Fluktuation in Parlamentsklub wie Partei. Diese führte zu Dynamik und setzte eine Streitkultur voraus. Als Alexander Van der Bellen 1997 als Bundessprecher antrat wäre der Wahlkampfslogan “Dauerstreit — Mit mir nicht!” als Motto für das was folgte passend gewesen. Es trat so etwas wie Ruhe ein innerhalb der Grünen. Eine fatale Ruhe. Die Streitkultur kam abhanden und personelle Strukturen im Parlamentsklub, wie in der Partei begannen sich im Zuge einer Professonalisierung zu versteinern. Nun ist diese Professionalisierung nicht prinzipiell abzulehnen.

Dass sich aber in einer Partei, die sich eigentlich einmal egalitär organisieren wollte, innerhalb von zehn Jahren kaum ernstzunehmende personelle Alternativen zu einem Bundessprecher und Klubobmann entwickeln konnten, sollte zu denken geben.

Durch die Hierarchisierung und die lange Verweildauer in Funktionen und Mandaten verlieren die Grünen zunehmend den Kontakt zur Zivilgesellschaft, zu den sozialen Netzwerken, zu den NGOs und politischen wie kulturellen Initiativen. Das Ziel der Systemveränderung hat sich abgeschwächt zu einer Systemkritik, die die Mitarbeit im politischen System nicht mehr hinterfragt. Systemerhaltende parlamentarische Arbeit tritt in den Vordergrund, emanzipatorische Projektarbeit in den Hintergrund. Weiterlesen

221/366: Brief an die Hausgemeinschaft Aegidi/Spalo

221-aegidi-spalo-solibrief“Anläßlich des Jahrestags der Räumung und Zerstörung Eurer Häuser wollen wir Euch unserer Solidarität versichern bei der Durchsetzung des Projektes Embelgasse [ehemaliges Arbeitsamt, das im Gespräch als Ersatzquartier war, Anm.] und Eurer Forderung nach einem Kultur- und Kommunikationszentrum. Wir betrachten Eure Aktion als notwendigen Widerstand gegen die von allen etablierten Parteien organisierte Entsolidarisierung der Bevölkerung. Gleichzeitig appel[l]ieren wir an Euch und die Euch unterstützenden Personen, auf jede Form der Gewalt zu verzichten und alles in Eurem Einflußbereich Stehende zu unternehmen, das Prinzip der Gewaltfreiheit nicht zu verletzen. Militanz und Androhung von Gewalt widersprechen unseren politischen Vorstellungen, laufen unserem wesentlichen Basisinhalt ‘Gewaltfreiheit’ zuwider und können von uns nicht mitgetragen werden”.

Heute vor 27 Jahren, am 8. August 1989, sandten Johannes Voggenhuber und Pius Strobl als Bundesgeschäftsführer der Grünen diesen “offenen Brief” an die Hausgemeinschaft Aegidi/Spalo Wien.  Die Häuser Aegidigasse 13 und Spalowskygasse 3 in Wien-Mariahilf wurden nach dem Kündigen der Nutzungsverträge besetzt: Ein Jahr vor dem Brief – am 11. und 12. August 1988 – wurden sie unter Anwendung enormer Polizeigewalt geräumt, die Bewohner_innen wurden für zwei Wochen in Untersuchungshaft genommen.

Der Brief von Voggenhuber und Strobl sollte wohl Solidarität ausdrücken, andere AktivistInnen empfanden jedoch, dass der Brief oberlehrerhaft formuliert sei und die tatsächlichen Gewaltverhältnisse umkehre. Der Kulturaktivist und Grünpolitiker Dieter Schrage antwortete darauf seinerseits mit einem offenen Brief:

Wenn ihr schon von Gewalt sprecht, so müsstest doch zumindest du, Pius, dich daran erinnern, dass hier von der Gemeinde Wien ein einseitiger und brutaler Gewaltakt gesetzt wurde, dass mithilfe von Wasserwerfern, Baggern und Polizeiknüppel die Punks, Autonomen und Desperados aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Seid ihr beide blind gegenüber der strukturellen Gewalt in unserer Gesellschaft, die im Falle der Diskriminierung der Hausgemeinschaft zu deutlich zutage getreten ist? Wenn im Zusammenhang mit den Ägidis und Spalos von Gewalt gesprochen wird, dann muss zunächst einmal von der Gewalt der Gemeinde Wien und von der Prügelstraße der Polizei gesprochen werden. Das unterlässt ihr in eurem Brief völlig. Aber nur auf der Basis einer differenzierten politischen Erörterung kannte dann über die Berechtigung von Gegenwehr, Gegengewalt diskutiert werden.

Zitiert nach: Robert Sommer: “Gewaltfreiheit wäre schön”. Regierungen verschwinden, die schwarzen Blöcke bleiben / Teil 2. In: Augustin, 4. März 2014

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