“Der Franzl, der Seppl und die Maria. Jung sein in der Provinz – tote Hose oder Discofieber? Ein ländliches Sittengemälde” – Alexandra Grasl und Christina Lammer portraitierten in den 1990ern für das Monatsmagazin “Impuls grün” Jugendkultur, familiäre Zwänge, berufliche Aussichten im Südburgenland. “Zwei Varianten gibt’s für das Burgenland: Entweder es wird ein Nationalpark oder ein Altersheim”, so das Fazit von Horst Horvath, damals Leiter des Offenen Hauses Oberwart.
Ein sonniger Freitagnachmittag im südburgenländischen Oberwart: Schier endlos schieben sich Autokolonnen über die Wiener Straße. Hunderte Pendlerinnen fahren dem verdienten Wochenende entgegen.
Ein Großteil der Bewohnerinnen des rund 6.300 Seelen zählenden Ortes ist auf einen Broterwerb in Wien oder Graz angewiesen und bevölkert nur an den Wochenenden die burgenländliche Heimat. Am Weekend wird nachgeholt, was die anonyme Stadt vorenthält: In Discos, Wirtshäusern und auf Sportplätzen werden durch die Arbeitswoche> unterbrochene Kontakte wieder aufgenommen und neue geknüpft.
Saturday-Night-Fever in Oberwart
Im Offenen Haus Oberwart, dem OHO, trudeln langsam Gäste ein, um beim ersten Glas das Abendprogramm zu diskutieren. Das vielstrapazierte Saturday-Night-Fever besitzt hier noch Gültigkeit, denn Konzerte und Veranstaltungen finden nur am Wochenende ihr Publikum. Beim Sound heimischer Gruppen wie den Jets, KIX, California “kommen immer der Franzl, der Seppl, der Maier, der Karl und die Maria zusammen” umschreibt Horst Horvath, Leiter des OHO, die soziale Funktion der Bands, die meistens vor Stammpublikum spielen.
Traditionelle Werte
Aber auch traditionelle Töne finden Anklang unter Jugendlichen, wenn die Väter ihren Platz in der Blaskapelle weitervererben. Im Vereinswesen marschieren die Söhne in den Fußstapfen der Altvorderen und übernehmen deren Werte, indem sie beispielsweise der Freiwilligen Feuerwehr oder dem Sportverein beitreten.
Durch das “Auspendeln”, wie es die Einheimischen nennen, fällt das Interesse der jungen Leute am kommunalpolitischen Geschehen marginal aus. Politische Jugendverbände finden in Oberwart keinen Nährboden. “Am Wochenende ist keine Zeit für Politik, nur für die Disco”, bedauert Ludwig Philip vom Stadtamt Oberwart. Wohl gäbe es einige junge Gemeinderäte, doch “wie überall in Österreich, ist die Jugend desinteressiert”, nimmt er die heimische Jugend in Schutz.
Kritisch-alternative Minderheit
Horvath hingegen unterstellt den Gemeindevertreterinnen, die wenigen kritischen Stimmen, darunter un- oder untersubventionierte Kulturinitiativen, ungehört verhallen zu lassen. Sich selbst zählt Horst Horvath zur kritisch-alternativen Minderheit. Der zugewanderte Nordburgenländer hat das OHO gemeinsam mit arbeitslosen Jugendlichen renoviert: Neben dem Kaffeehausbetrieb, Treffpunkt für Teens und Twens, steht nun ein Saal für Lesungen, Theater, Ausstellungen und Konzerte zur Verfügung. Weiterlesen
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