Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Schlagwort: Bund (Seite 10 von 16)

Nationalrat, Bundesrat, Bundespräsidentschaft, österreichweite Gremien der Grünen

125/366: 5,5% für eine Bundespräsidentin Freda Meissner-Blau

125-melk-freda-bundespräsidentschaftswahl-2Heute vor dreißig Jahren, am 4. Mai 1986, kandidierte Freda Meissner-Blau für das Amt der Bundespräsidentin – als zweite Frau nach Ludovica Hainisch-Marquet im Jahr 1951. Jahrelange Warnungen der Grünen wurden durch die Atomkatastrophe von Tschernobyl Ende April 1986 bestätigt, und die Kandidatur der aus der SPÖ ausgetretenen, durch die Hainburg-Ereignisse prominent gewordenen Meissner-Blau bewirkte eine grüne Mobilisierung. Motto: “Beteiligen statt schlucken”.

Im ersten Wahlgang am 4. Mai 1986 erreichte Meissner-Blau 5,50% der Stimmen, wobei sie in Vorarlberg mit 10% und in Wien mit 8,2% am besten abschnitt. Dadurch wurde ein zweiter Wahlgang erzwungen, da der umstrittene ÖVP-Kandidat Kurt Waldheim mit 49,65% keine absolute Mehrheit erhielt. Dies gelang ihm erst im zweiten Wahlgang am 8. Juni mit 53,91% gegen den SPÖ-Kandidaten Kurt Steyrer. Daraufhin trat Bundeskanzler Fred Sinowatz zurück und wurde vom bisherigen Finanzminister Franz Vranitzky abgelöst.


125-melk-freda-bundespräsidentschaftswahl-1 In diesem Flugblatt der Grünalternativen Bürgerliste Melk erklärt Freda Meissner-Blau, warum sie für das Amt der Bundespräsidentin kandidiert:

//zitat// Damit das Schweigen und Taktieren durchbrochen wird und von den Kandidaten klare politische Ziele und Inhalte genannt werden.

Damit Unzufriedene ihre Proteststimme nicht einem Kandidaten geben müssen, dessen Erfolg im Ausland als Beweis für eine neue Braunfärbung Österreichs aufgefaßt würde [Kurt Waldheim, Anm.]

Damit all jene, die sich schon abgewandt haben, ermutigt werden. damit sie nicht resignieren, sondern eingreifen: ihre Lebensbedingungen nicht von Machern hinter verschlossenen Türen bestimmen lassen. Beteiligen statt schlucken.

Damit auch jene Frauen ermutigt werden, die sich – wie auch ich lange Zeit – nicht zutrauen, aktiv in der Gesellschaft zu wirken. Ihre Begabungen, ihr Zugang zur Politik fehlt uns allen. Weiterlesen

124/366: Österreichisch-ungarisches Friedenstreffen 1986

Friedenstreffen in Budapest.

Karikatur aus dem Bericht in der Netzwerk-Zeitung.

Kontakte von Friedensaktivistinnen und -aktivisten aus der Basis über die Blockgrenzen hinweg fanden in den 1980ern nicht allzu häufig statt. Die österreichischen Anti-Abfangjäger-AktivistInnen Traude Fasching, Hannes Hofbauer, Andrea Komlosy und Christof Parnreiter berichteten von ihrem Treffen mit Leuten vom ungarischen Friedensclub 4-6-0 im Jahr 1986. Erschienen in “Netzwerk” 4/1986, S. 15-17.


//zitat// Ein Wochenende im Frühsommer. Hitze über der Stadt. Eine kleine Gruppe von Menschen sitzt debattierend im Kreise – die Fenster der geräumigen Privatwohnung weit geöffnet. Es geht um Kriegsgefahr, Aufrüstung und Militarismus und was man dagegen unternehmen kann. Ein bekanntes Bild für jede/n Friedensaktivisten/in und wohl kaum einer besonderen Erwähnung wert.

Doch unsere Runde unterscheidet sich in einigen wichtigen Details von anderen x-beliebigen Friedenstreffen. Es ist ein Zusammentreffen österreichischer Anti-Abfangjägeraktivist/inn/en mit Mitarbeitern des ungarischen Friedensclubs 4-6-0. (Die Zahlen stehen für die Anzahl der Jahre, die der 1., der 2. sowie der zu verhindernde 3. Weltkrieg dauerte.) Ort des Geschehens: Das sommerliche Budapest. Ziel des Treffens: ein Erfahrungsaustausch über Friedensbewegungen und Probleme der Friedensarbeit in den beiden Ländern sowie die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme. Hinter der alltäglichen Zwanglosigkeit unserer Zusammenkunft verbergen sich eine Reihe unüblicher Dinge: Keineswegs gehört es zum Alltag “westlicher” oder “östlicher” Friedensaktivisten, mit Basisbewegungen jenseits der Blockgrenzen intensiven Austausch zu pflegen. Sicher, Friedenskontakte mit “Unabhängigen” des Ostens gehören zum Repertoire so mancher Prominenz des westeuropäischen Friedensestablishments. Unspektakuläre Zusammentreffen von Basisaktivisten sind hingegen äußerste Rarität. Das Treffen mit den 4-6-0-ern, die einzige überlebende ungarische Friedensgruppe mit kritischer Haltung zur offiziellen Friedensbürokratie und dennoch in ständiger Kooperation bzw. Abhängigkeit von dieser, war weder offiziell geplant worden, noch hatte es einen wie immer gearteten konspirativen Charakter. Es entspricht damit durchwegs der Arbeitsweise  des 4-6-0-Friedensclubs: den in den Ländern des “Ostblocks” kaum existenten Freiraum zwischen offizieller Friedenspolitik und oppositioneller Untergrundarbeit zu entdecken, auszuweiten und zu nutzen. 4-6-0 sitzt somit zwischen allen Stühlen, arbeitet öffentlich als unabhängige Gruppe und im Rahmen des offiziösen ungarischen Friedensrates zugleich und ist  damit sowohl dem ständigen Vereinnahmungsdruck von oben als auch der Kritik seitens der politischen Opposition ausgesetzt. Weiterlesen

120/366: Die Partei mit dem schwierigen Namen

Schreiben von Pius Strobl an Gerd Bacher (1993).

Schreiben von Pius Strobl an Gerd Bacher (1993).

“Es gibt nahezu keine Informationssendung, in der Mitglieder, Funktionäre oder Mandatare dieser politischen Partei auftreten, in der nicht die unterschiedlichsten Bezeichnungen gewählt würden”, kritisierte Pius Strobl 1993 in einem Schreiben an ORF-Generalsekretär Gerd Bacher. Tja, eine Partei ohne die übliche Abkürzung mit drei Buchstaben hat es offensichtlich schwer, auch nach sieben Jahren im Parlament…


// Seit dem Einzug der politischen Partei “Die Grüne Alternative” in den österr. Nationalrat im Jahr 1986, habe ich in vielfacher Form den ORF immer wieder darum gebeten, die Bezeichnung der politischen Partei, ihrer Abgeordneten und Funktionäre korrekt und richtig wiederzugeben.

Trotz vielfältiger Zusagen, ist es z.B. dem ORF sogar bei der Nationalratswahl 1990 gelungen, uns eine Kurzbezeichnung “GAL” zu geben, die wir selbst nicht verwendet haben und die auch nicht am Stimmzettel zu finden war. Es gibt darüberhinaus nahezu keine Informationssendung, in der Mitglieder, Funktionäre oder Mandatare dieser politischen Partei auftreten, in der nicht die unterschiedlichsten Bezeichnungen gewählt würden. Offenkundig ist es innerhalb des großen Unternehmens nicht möglich, eine einheitliche Bezeichnung zu finden und das Namensrecht einer politischen Partei auch dahingehend zu respektieren, daß nur die korrekten und von der Partei auch gewünschten Bezeichnungen in die Öffentlichkeit getragen werden.

Zynisch formuliert könnte man auch sagen, daß wir direkt froh darüber sein müßten, so wenig ORF-Öffentlichkeit zu finden (- ich rede in diesem Zusammenhang nicht über die sg. “Grünen-Themen”, die das Unternehmen in großer Breite betreut), sonst hätten wir inzwischen wohl noch eine Reihe weiterer Bezeichnungen erhalten und im Bewußtsein der Wählerlmen wäre noch mehr an Namenverwirrung gelungen.

Eine der ganz wenigen Sendungen, die sich mit den Inhalten der politischen Partei “Die Grüne Alternative” beschäftigte, war der letzte Inlandsreport. Wie nahezu immer bei so einer Breite, ging es auch diesmal um “Gegnerschaften”, wie der Titel des Beitrags versprach. Offenbar ist die demokratische Diskussionskultur in diesem Land nicht nur an sich unterentwickelt, sondern auch in den Köpfen vieler so gering verankert, daß inhaltliche Auseinandersetzungen um politische Wegorientierungen nur mehr als “kriegerische Gegnerschaften” gesehen werden.

Der Grund meines Schreibens liegt aber drin, daß es dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern gelungen ist, in einer einzigen Sendung für mich völlig unerklärliche und auch nicht nachvollziehbare Namens- und Funktionsinterpretationen vorzunehmen. Die Rede ist von der nicht vorhandenen Kurzbezeichnung “GAL”, der Funktionsbezeichnung des Herrn Bundessprechers Abgeordneter Peter Pilz als “Bundesgeschäftsführer der GAL und der Grünen” und der nicht vorhandenen Funktionsbezeichnung “GAL-Umweltsprecherin”. Daß es nebenbei beim Bericht über die Grazer Gemeinderatswahl auch gelungen ist, die älteste Vertretung der Grünen in einen Gemeinderat, die Alternative Liste Graz (ALG) und ihren Mandatsgewinn völlig zu verschweigen, ist tatsächlich nahezu ein Kunststück.

Ich bin der Meinung, sehr geehrter Herr Generalintendant, daß jede politische Partei vom ORF ein Mindestmaß an Fairneß erwarten kann. Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn FPÖ-Bundesparteiobmann Dr. Jörg Haider und seine Partei mit den gleichen Fehlinterpretationen, Netemsverdrehungen, Weglassungen und Funktionsumkehrungen in der Öffentlichkeit konfrontiert würde. Dann wäre die Unternehmensbeschimpfung und auch berechtigter öffentlicher Protest die logische Folge. Es ist schon seltsam, daß so etwas nie bei der SPÖ, der ÖVP oder der FPÖ passiert, sondern ausschließlich bei der von mir vertretenen Partei “Die Grüne Alternative”. Weiterlesen

118/366: Gegen die Angst

Manchmal stoßen wir im Archiv auf Jahrzehnte alte Texte, die wir heute 1:1 so abdrucken könnten. Der Artikel “Gegen die Angst” ist einer davon: “Armut schafft Angst. Und jede kleine Verschlechterung kann für Menschen, die am Rande stehen, den Absturz bedeuten. Diese Angst ist das wichtigste politische Kapital der Freiheitlichen”, schrieb Peter Pilz 1995 in den “Grünen Informationen aus Meidling”.

Gegen die Angst. Peter Pilz 1995.

Gegen die Angst. Peter Pilz 1995.


// Die Grünen haben der SPÖ die Umweltpolitik, die Frauenpolitik und die Menschen-rechtspolitik abgenommen. Jetzt ist auch eine Grüne Sozialpolitik nötig.

Stimmt, der Umwelt geht’s nicht gut. Jetzt beginnt wieder ein Ozonsommer und die Kinder sollen bei Sonne zur Sicherheit drinnen bleiben. Sie können ja dann, wenn’s regnet und das Ozon wieder abgebaut wird, draußen spielen. Bis zum nächsten Sonnenschein. 170.000 Menschen in Wien ist das mit Sicherheit egal. Sie kümmern sich nicht darum, wieviel Ozon in der Früh an den wenigen, falsch gewählten Meßstellen gemeldet worden ist. Sie fragen sich ganz anderes: Wie sie ihre Miete zahlen sollen; ob sie sich etwas zum Anziehen leisten können; wie sie bloß über den Winter kommen werden … Diese 170.000 Menschen können sich dafür nicht überlegen, wohin sie auf Urlaub fahren; wann sie einen neuen Fernseher kaufen, ob sie studieren oder sich eine bessere Arbeit suchen sollen… Diese 170.000 Menschen in Wien sind Inländer — und arm. Mehr als 200.000 Ausländern geht es ähnlich — oder sogar noch schlechter. Die Armut in Wien hat neue Gesichter: Die Supermarkt-Verkäuferin, die für den Mindestlohn ihre Gesundheit ruiniert, rutscht ebenso immer öfter in die Armutsfalle wie der junge Polizeibeamte, der in der Nacht Taxi fährt, weil er die Familie in der teuren Genossenschaftswohnung sonst nicht durchbringt. Während die beiden sich ausrechnen, wie sie bis zum nächsten Ersten auskommen, berichtet das Fernsehen von ihren Politikern, die sich das Gehalt gerade auf 200.000 Schilling gekürzt haben. Pro Monat, mit einer Abfertigung von eineinhalb Millionen nach einem Jahr. Dann platzt der Kragen. Auch Wien zerfällt in Viertel: Ein Viertel Modernisierungsgewinner, die sich im Wettbewerb durchsetzen und profitieren. Ein Viertel, das darum kämpft dabei zu sein. Ein Viertel, das zunehmend abgehängt wird. Und ein Viertel, das draußen bleibt.

Nach einem Jahrhundert Sozialdemokratie muß die Caritas wieder Tausende Obdachlose zählen. Menschen, die ihr Leben lang Sozialversicherung bezahlt haben, werden von Spital zu Spital geführt, weil kein Platz für sie da ist. Irgendwann findet sich dann irgendwo ein Gangbett. Junge Familien stehen vor geförderten Wohnungen, die leer stehen, weil sie sich niemand mehr leisten kann. Armut schafft Angst. Und jede kleine Verschlechterung kann für Menschen, die am Rande stehen, den Absturz bedeuten. Diese Angst ist das wichtigste politische Kapital der Freiheitlichen. Und sie wird auch schamlos ausgebeutet. Drei “Ellbogen-Parteien” wollen dem Sozialstaat an den Kragen: Die ÖVP will ihn stutzen, das Liberale Forum will ihn privatisieren, und freiheiliche Funktionäre jagen mit Unterstützung der Kronen Zeitung “Sozialschmarotzer”. Alle drei sehen den Mißbrauch. Daß hundert mal mehr Menschen Hilfe wirklich brauchen, ist ihnen egal.

Die SPÖ hält dem ihre alten Rezepte entgegen: statt neuer Chancen Anträge und Almosen. Mehr fällt ihr nicht mehr ein. Doch während die Sozialdemokratie schläft, nehmen immer mehr Bürger das Soziale selbst in die Hand. Initiativen zur Altenpflege in der Nachbarschaft entstehen, weil keiner mehr will, daß alte Menschen auf Nimmerwiedersehen in Aufbewahrungszentren verschwinden. Ausländer und Inländer probieren es beim Wohnen und Arbeiten gemeinsam. Jugend-Initiativen kämpfen sich durch bürokratische und polizeiliche Willkür. Immer mehr Bürger zeigen, daß sie selbst das wertvollste soziale Kapital der Stadt sind. Eine neue Sozialpolitik beginnt: Betroffene werden zu Beteiligten, aktive Bürger zeigen der Obrigkeitsstadt, wie es geht. Eine vernünftige Politik würde genau hier ansetzen: unterstützen, fördern, motivieren, einzelne Initiativen zu Netzen verbinden. Zu dieser Vernunft ist die Wiener Politik noch immer nicht gekommen. Lieber Milliarden verbauen, als zugeben, daß die Betroffenen selbst vieles besser können als der Magistrat.

Wir haben der SPÖ die Umweltpolitik abgenommen, weil sie sich nicht darum gekümmert hat. Wir haben ihr die Frauenpolitik abgenommen, weil sie auf sie vergessen hat. Wir haben ihr die Menschenrechtspolitik abgenommen, weil sie sich da mit Jörg Haider eingelassen hat. Weil wir nicht wollen, daß die Hoffnungsosigkeit noch mehr Menschen nach rechts treibt und weil wir die Angst durch Hoffnung ersetzen wollen, werden wir uns jetzt viel mehr ums Soziale kümmern. Damit Wien wirklich anders wird — ökologisch und sozial! //

117/366: Heinz Baumüller wirbt für Robert Jungk

Der Aktionskünstler Heinz Baumüller warb für Robert Jungk.

Der Aktionskünstler Heinz Baumüller warb für Robert Jungk.

Heute vor 26 Jahren, am 26. April 1992, erreichte der grünalternative Kandidat Robert Jungk im ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl 266.954 Stimmen und 5,75%.

Bundesländerergebnisse: Vorarlberg 9,91%, Wien: 8,46%, Salzburg: 7,92%, Tirol: 6,97%, Oberösterreich: 5,74%, Steiermark: 4,71%, Niederösterreich: 3,83%, Kärnten: 3,83%, Burgenland: 2,64%. Die besten Einzel-Ergebnisse verzeichnete er in den Wiener Bezirken Josefstadt (17,27%) und Neubau (16,41%) sowie in der Vorarlberger Gemeinde Klaus (15,57%).

Unterstützung, ebenso unerwartet wie ungewöhnlich, erhielt der Zukunftsforscher und Publizist Jungk vom Aktionskünstler Heinz Baumüller. Der 1950 im oberösterreichischen Kollerschlag geborene Bildhauer und Graphiker wollte zunächst selbst kandidieren, gab aber dann sein Vorhaben auf und unterstützte Jungk mit verschiedenen Aktionen. “Angefressen auf Österreich” ist das Portrait Baumüllers von Alexandra Grasl betitelt (erschienen in “Impuls Grün”, April 1992, S. 22).


// Mit düsterer Miene, im Frack und schärpengeschmückt, blickt er dem österreichischen Wählervolk ins Angesicht: Auf Plakatwänden bietet sich Heinz Baumüller für das höchste Amt im Staat an. Nun hat der Künstler seine Kandidatur zurückgezogen, um Robert Jungk zu unterstützen.

Heinz Baumüller "angefressen".

Heinz Baumüller “angefressen”.

Seit 1988 stechen seine lapidaren Slogans auf Werbeflächen zwischen Salzburg und Wien ins Auge. So warnt Baumüller auf dem ersten Plakat, es sei “Höchste ÖBB”und appelliert: “Am besten wählen Sie mich noch heute”. Unter dem Titel “Advent” fordert er mit einer Erstkommunikanten-Kerze in der Faust “Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit”. In die Neutralitätsdebatte schaltet er sich mit der Frage “Worum geht’s?” ein und läßt sich mit einer Stange voller Würste im Hintergrund abbilden. Entgegen der Ansicht mancher ZeitgenossInnen, die Plakate seien als Gag aufzufassen, meint es Baumüller “todernst. Die Plakate sind kein Spaß. Sie sind Kunst und als Denkanstoß gedacht.” Seinen grimmigen Gesichtsausdruck erklärt er damit, “weil ich so angefressen bin auf Österreich”.

Den gebürtigen Mühlviertler verschlug es, nachdem er Grafik und Bildhauerei studiert hatte, vor elf Jahren nach Düsseldorf. Der Beuys-Mitarbeiter wurde vor allem als Aktionskünstler bekannt. Den Einfall, sich für das österreichische Präsidentschaftsamt zu bewerben, bekam Baumüller, als er 1987 Waldheim brieflich zum Rücktritt aufforderte. Dem Griff zur Feder war die Konfrontation mit dem schwelendem Antisemitismus der ÖsterreicherInnnen vorausgegangen: “Ein Bekannter beklagte sich über die ‘jüdische Hetzkampagne’ gegen Waldheim und behauptete, Hitler habe zu wenige Juden vergast. In der Schule meiner Nichte gilt es als ‘in’, Antisemit zu sein.” Dazu gesellten sich Aussagen von ÖVP-und FPÖ-Politikern, die Baumüller erbosten. Er forderte Waldheim auf, mit seinem Rücktritt ein Zeichen gegen den Antisemitismus zu setzen. Die Antwort aus der Hofburg fiel – erwartungsgemäß – negativ aus: Die Präsidentschaftskanzlei schob die Verantwortung für den Rechtsruck jenen in die Schuhe, “die ohne irgendwelche Beweise eine derartige Verleumdungskampagne gegen den Herrn Bundespräsidenten entfacht haben”. Daraufhin beschloß Baumüller, “die Sache selbst in die Hand zu nehmen”. Weiterlesen

116/366: Peter Weish: “Es gibt keine unschädliche Radioaktivität”

Cover der Ausgabe 5/1980. "Initiativ" ist die Zeitschrift der Initiative österreichischer Atomkraftgegner (Grünes Archiv).

Cover der Ausgabe 5/1980. “Initiativ” ist die Zeitschrift der Initiative österreichischer Atomkraftgegner (Grünes Archiv).

“Es gibt keine unschädliche Radioaktivität”, sagte der Naturwissenschaftler und Umweltaktivist Peter Weish 1980 in einem Interview für die Zeitschrift der Initiative österreichischer Atomkraftwerksgegner. Wenig vertrauenswürdig sind die offiziellen Berichte: “Die Behörden ziehen mit den Betreibern am gleichen Strang und versehen die zum Teil alarmierenden Meßergebnisse mit besänftigenden und irreführenden Kommentaren versehen”. Atomkraftwerke schädigen die Gesundheit also auch im Normalbetrieb, ganz ohne “Unfall”  wie vor dreißig Jahren in Tschernobyl.


//zitat//  Wie gefährlich ist sie wirklich, die radioaktive Strahlung, die aus einem “normal” laufenden Atomkraftwerk entweicht? “Umweltfreundlichste Energie” oder “Tod auf Raten” — gibt es denn keine objektiven wissenschaftlichen Untersuchungen, die diese Streitfrage entscheiden können? Wir fragten dazu den Biologen Dr. Peter Weish.

INITIATIV: “Das Milliardending muß absolut sicher sein”, fordert die Gewerkschaftszeitung “Solidarität” von den Zwentendorf-Betreibern. Der Nuklearmediziner Dr. Herbert Vetter garantiert den “Solidarität”-Lesern 1) absolute Sicherheit: Die Strahlenbelastung durch den Kernkraft-Normalbetrieb betrage höchstens ein millirem pro Jahr. Diese Strahlenbelastung sei ohne Bedeutung, da ja schon die natürliche Strahlung hundertmal größer sei.

WEISH: Gegen das alte Argument von dem “einen Millirem” gibt es drei grundlegende Einwände. Erstens: Der Wert “millirem” soll die Wirkung einer bestimmten Strahlung auf den Menschen ausdrücken. Er kann nicht direkt gemessen werden, er wird berechnet: Die gemessene Strahlung wird mit bestimmten angenommenen Wirkungsfaktoren multipliziert. Wir wissen nun, daß bei der Berechnung von Strahlenbelastungen, die aus der Anreicherung von Radionukliden in der Nahrungskette resultieren, gravierende Fehler gemacht worden sind. In der BRD gibt es komplizierte Rechengrundlagen für diese Abschätzung. Es hat sich herausgestellt, daß die Behörden nicht, wie es der Gesetzgeber vorschreibt, für “den ungünstigsten Fall” berechnet haben, sondern sie haben sehr optimistische Anreicherungsfaktoren in diese Berechnungen eingehen lassen. Eine kritische Prüfung durch Kollegen in Heidelberg 2) hat ergeben, daß eine vielfach höhere Strahlenbelastung auf Grund dieser Anreicherung in der Nahrungs-kette durchaus realistisch ist. Der Nachweis ist ganz leicht zu erbringen: Die Strahlenschutzkommission hat sich aus der wissenschaftlichen Literatur jeweils immer die für sie günstigsten Werte herausgesucht und keineswegs realistische Werte angewendet. Es wurde also nicht ein Rechenfehler nachgewiesen, sondern ein Methodenfehler. Es ergeben sich Fehlberechnungen bis zu Hunderten millirem.

INITIATIV: Wie schauen denn dann die Berechnungen für Zwentendorf aus?

WEISH: In den Parlamentshearings im März 1978 habe ich mich bemüht, die Grundlagen für diese Berechnungen zu bekommen. Nach langer Diskussion mit Minister [Josef] Staribacher und H[ans] Grümm, die stets behauptet haben, daß das Kraftwerk sofort abgestellt wird, wenn mehr als ein millirem herauskommt, hat sich folgendes herausgestellt: Es gibt überhaupt kein radioökologisches Gutachten, das die Anreicherung der wichtigsten Nuklide in der Nahrungskette zum Gegenstand hat. Wendet man die neueren deutschen Erkenntnisse auf Zwentendorf an, so ergeben sich auf Grund der zugelassenen Abgaberaten von drei milliCurie Aerosole pro Stunde Belastungswerte, die zum Teil erheblich über den höchstzulässigen Jahres-dosen von 170 mrem liegen. Das Millirem des Herrn Vetter ist also eine reine Hausnummer.

INITIATIV: Ein Atomkraftwerk steht ja nicht allein…

Interview mit Peter Weish

Interview mit Peter Weish.

WEISH: Das ist mein zweiter grundlegender Einwand. Die Atomkraftwerke erfordern ja den ganzen komplizierten Komplex der Nuklearindustrie. Das beginnt beim Uranbergbau, setzt sich fort in der Abtrennung des Urans von den Erzen, der Anreicherung des Urans, der Fertigung der Brennelemente, die im Atomkraftwerk durch Uranspaltung hoch radioaktiv werden; dann kommt die Wiederaufbereitung der bestrahlten Brennelemente und schließlich die Atommülllagerung. Der Reaktor ist, was umwelthygienische Aspekte betrifft, noch der relativ am besten beherrschte Abschnitt in diesem sogenannten Kreislauf (bei Normalbetrieb). Bei der Urangewinnung, aber vor allem bei der Wiederaufbereitung, werden viel größere Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt freigesetzt.

INITIATIV: Aber auch ohne Atomindustrie sind wir noch immer der natürlichen Strahlung ausgesetzt… Weiterlesen

115/366: gutes Aussehen sowie Karakter

Werbung für seinen Vater als grünen Bundespräsidentschaftskandidat machte ein Steirer im November 1985. “Gutes Aussehen sowie Karakter, ERLICH, Gerecht,und nicht Macht gierig” zeichne diesen aus. Im Alternativenrundbrief 1/1986 wurde sein skurril-liebenswertes Schreiben an Doris Eisenriegler abgedruckt.


115-arb-bundespraesident-schreiben// Sehr geehrtes Fräulein Eisenriegler!

VORERST viele grüße sendet innen ihr Dr. h.c. […] aus […] und möchte sie kurz bekannt geben das ich für die ALÖ/ Die Grünen einen Idealen Präsidentschafts- Kantitat gefunden habe, der auch ein gutes Aussehen sowie Karakter, ERLICH ,Gerecht,und nicht Macht gierig ist. HERR […] erklärt sich bereit für sein Vaterland zu dienen, dieser Mann Raucht und Trinkt nicht und hat auch keine Vorstrafen geboren wurde Hr. […] am, 31.5.1930 in Graz und hat under anderem in der Öffentlichkeit ein gutes Ansehen, den der Name […] hat und geniest auf der ganzen Welt ein gutes ansehen!

DA ich sein Sohn bin, und schon seit über 2 Jahren als […] für die ALÖ/GÖ tätig bin möchte ich sie höflichst bitten diesen Mann einmal in seinem Leben eine CHANCE zu geben. DIESER Mann ist sehr begabt und talentiert mit verantvortung und Zeitgefüll, sollten sie INDERESSE an diesem Mann haben,so schreiben sie mir auf baldiger antwort den ich würde mich äuserst freuen wenn das Vaterland ihn brauchen würde!

SIE müßen verstehen das ich die Reine Warheit sage den ich habe keinen Grund zu lügen , alles kann ich IHNEN Brieflich nicht erklären. Darum bitte ich höflichst um verständnis.

IN der BRD wurde es möglich gemacht Präsidentschafts- Kantitaten aus dem Volk heraus zu wählen, ich hoffe das es auch bei uns bald möglich sein wird bzw. oder ist.

ICH habe für die Grünen in In- und Ausland Werbung gemacht sogar der US-Präsident Ronald Reagan hat mir ein Foto mit Persönlicher Underschrieft bei Post geschickt, sowie: SCHWEDISCHE Ministerpräsidente Olaf Palme, Dallas Stars, Linda Grey, Victoria Principal, Larry Hagman, CHARLENE TILTON, Patrick Duffy, Robert Mitchum, uva.

ICH kenne die ganze Film Provinenz und Politiker der Welt, da ich selber einmal Film Star werden möchte. //


Den Namen und die Adresse haben wir für die Veröffentlichung im Blog geschwärzt.

114/366: Kial Esperanto estas la lingvo por la verduloj?

Folder des Vereins der Grünen Esperantisten (Grünes Archiv, Archiv der Wiener Grünen)

Folder des Vereins der Grünen Esperantisten (Grünes Archiv, Archiv der Wiener Grünen)

Die intensiven Bemühungen von Sprach-Aktivist_innen, die Grünen vom Esperanto zu überzeugen, lassen sich in einer Mappe mit Briefen, Postkarten und Faltblättern nachvollziehen, die das Grüne Archiv vor kurzem von den Wiener Grünen übernommen hat. Hier ein fünfsprachiges Faltblatt, das Antwort auf die Frage “Kial Esperanto estas lá  lingvo por la verduloj?” liefern soll.

zum Download: 114-gruene-esperanto-folder (PDF, 0,8 MB)


Kial Esperanto estas lá  lingvo por la verduloj?

  • ĉar Esperanto estas lingvo planita por disvastigi pacon pere de, internacia kompreno;
  • ĉar Esperanto protektas la diversecon de regionaj lingvoj kontraŭ la tro-uzado de imperialismaj lingvoj;
  • ĉar nur per la uzado de la neŭtrala lingvo Esperanto ni, Verduloj, povas elimini diskriminacion dum niaj propraj kunvenoj internaciaj.

In der Annahme, dass sich die Plansprache doch nicht ganz so durchgesetzt hat wie vom europaweiten “Verein der Grünen Esperantisten” gehofft, führen wir die Antworten auf die Frage, warum Esperanto die Sprache für die Grünen sei, doch auch auf Deutsch an:

  • weil die Sprache Esperanto speziell geschaffen wurde, um Frieden durch internationale Verständigung zu erreichen;
  • weil durch Esperanto die Vielfalt der regionalen Sprachen bestehen bleibt und diese vor der Übermacht der imperialistischen Sprachen schützt;
  • weil wir Grünen bei unseren internationalen Zusammenkünften Sprachdiskriminierung nur vermeiden können, wenn wir untereinander die neutrale Sprache Esperanto gebrauchen.

Mehr dazu auf der Website der Asocio de Verduloj Esperantistaj!

111/366: Kein Mangel an Ersten Männern?

Schani Margulies über das Amt der Bundespräsidentin.

Schani Margulies über das Amt der Bundespräsidentin.

“Wenn es an einem in Österreich nicht mangelt, dann an Ersten Männern”, so lautete die Antwort von Schani Margulies, als die grüne Zeitschrift “Impuls Grün” im Herbst 1991 einen Rundruf zur Bundespräsidentschaftswahl startete. Hans-Peter Lesjak, Obmann der Grünen Bildungswerkstatt Kärnten, reimte: “Wir wählen unseren Ostbahn-Kurt, weil er so guat singen tuat”. Soviel sei vorab verraten: Die Wahl fiel auf Robert Jungk. Präsident wurde in der Stichwahl Thomas Klestil.


// Freda Meissner-Blaus Wahlerfolg war der Startschuß für die grüne Parlamentskarriere. Im Herbst werden die anderen Parteien ihre 92’er Bundespräsidentschafts-KandidatInnen küren. Was tut die GRÜNE ALTERNATIVE? Dr. Kurt Ostbahn unterstützen? Eine/n Unabhängige/n fördern, eine/n eigene/n Kandidatin aufstellen? Oder das Amt abschaffen?

Manfred Ambach-Bauer, Lehrer, Salzburg: Kurt Waldheim hat gezeigt, wie unwichtig das Amt des Bundespräsi-denten mit seinen Vollmachten ist. Ich plädiere für die Abschaffung der Volkswahl und Beschneidung seiner Befugnisse. Der Präsident, von einer Bundesversammlung gewählt, hätte repräsentative Aufgaben und die Kontrolle über das verfassungsgemäße Zustandekommen von Gesetzen inne. Seine jetzigen Machtbefugnisse sollten zwischen Parlament und Bundesregierung aufgeteilt werden.

Marijana Grandits, außenpolitische Sprecherin des Grünen Klubs, Wien: Ein/e direkt vom Volk gewählte/r Bundespräsident/in sollte sich durch Integrität und Eigeninitiative, durch persönliche statt durch zeremonielle Autorität auszeichnen. Über die Innenpolitik hinaus sollten globale Themen wie Menschenrechte, Demokratie oder Ökologie die Inhalte der Amtsführung kennzeichnen. Angesichts des Mangels an geeigneten grünen Kandidat/inn/en und der Demontage des Amtes durch Waldheim wird es schwer werden, eine unterstützenswerte, in ihrem Arbeitsbereich anerkannte Persönlichkeit mit oben genannten Qualifikationen zu finden.

Hans-Peter Lesjak, Historiker, Obmann Grübi Kärnten, Velden: Wir wählen unseren Ostbahn-Kurt, weil er so guat singen tuat.

Eine "international profilierte Frau" wünschte sich Gundi Kammlander.

Eine “international profilierte Frau” wünschte sich Gundi Kammlander als grüne Kandidatin.

Gundi Kammlander, Landtagsabgeordnete und Spitzenkandidatin der Grünen Alternative Steiermark, Graz: Ideal wäre für mich eine auch international profilierte Frau aus der literarisch-politischen Szene. Eine unabhängige Kandidatin, die nicht nur die grüne Szene anspricht, würde dem Bedürfnis der WählerInnen nach ernsthafter Politik, wie es uns derzeit im steirischen Wahlkampf begegnet, eher entsprechen als eine sympathische Gaukel-“Chef-Partie” wie der Ostbahn-Kurti. Weiterlesen

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