Friedenstreffen in Budapest.

Karikatur aus dem Bericht in der Netzwerk-Zeitung.

Kontakte von Friedensaktivistinnen und -aktivisten aus der Basis über die Blockgrenzen hinweg fanden in den 1980ern nicht allzu häufig statt. Die österreichischen Anti-Abfangjäger-AktivistInnen Traude Fasching, Hannes Hofbauer, Andrea Komlosy und Christof Parnreiter berichteten von ihrem Treffen mit Leuten vom ungarischen Friedensclub 4-6-0 im Jahr 1986. Erschienen in “Netzwerk” 4/1986, S. 15-17.


//zitat// Ein Wochenende im Frühsommer. Hitze über der Stadt. Eine kleine Gruppe von Menschen sitzt debattierend im Kreise – die Fenster der geräumigen Privatwohnung weit geöffnet. Es geht um Kriegsgefahr, Aufrüstung und Militarismus und was man dagegen unternehmen kann. Ein bekanntes Bild für jede/n Friedensaktivisten/in und wohl kaum einer besonderen Erwähnung wert.

Doch unsere Runde unterscheidet sich in einigen wichtigen Details von anderen x-beliebigen Friedenstreffen. Es ist ein Zusammentreffen österreichischer Anti-Abfangjägeraktivist/inn/en mit Mitarbeitern des ungarischen Friedensclubs 4-6-0. (Die Zahlen stehen für die Anzahl der Jahre, die der 1., der 2. sowie der zu verhindernde 3. Weltkrieg dauerte.) Ort des Geschehens: Das sommerliche Budapest. Ziel des Treffens: ein Erfahrungsaustausch über Friedensbewegungen und Probleme der Friedensarbeit in den beiden Ländern sowie die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme. Hinter der alltäglichen Zwanglosigkeit unserer Zusammenkunft verbergen sich eine Reihe unüblicher Dinge: Keineswegs gehört es zum Alltag “westlicher” oder “östlicher” Friedensaktivisten, mit Basisbewegungen jenseits der Blockgrenzen intensiven Austausch zu pflegen. Sicher, Friedenskontakte mit “Unabhängigen” des Ostens gehören zum Repertoire so mancher Prominenz des westeuropäischen Friedensestablishments. Unspektakuläre Zusammentreffen von Basisaktivisten sind hingegen äußerste Rarität. Das Treffen mit den 4-6-0-ern, die einzige überlebende ungarische Friedensgruppe mit kritischer Haltung zur offiziellen Friedensbürokratie und dennoch in ständiger Kooperation bzw. Abhängigkeit von dieser, war weder offiziell geplant worden, noch hatte es einen wie immer gearteten konspirativen Charakter. Es entspricht damit durchwegs der Arbeitsweise  des 4-6-0-Friedensclubs: den in den Ländern des “Ostblocks” kaum existenten Freiraum zwischen offizieller Friedenspolitik und oppositioneller Untergrundarbeit zu entdecken, auszuweiten und zu nutzen. 4-6-0 sitzt somit zwischen allen Stühlen, arbeitet öffentlich als unabhängige Gruppe und im Rahmen des offiziösen ungarischen Friedensrates zugleich und ist  damit sowohl dem ständigen Vereinnahmungsdruck von oben als auch der Kritik seitens der politischen Opposition ausgesetzt. Mit der Einladung österreichischer Friedensaktivisten ist ein deutliches Zeichen gesetzt worden, daß unbürokratische Basiskontakte zwischen Ost und West möglich sind.   Und das Treffen hat gezeigt, wie nötig diese sind. Viel zu wenig wissen wir über die Bedingungen der Friedensarbeit im jeweils anderen Land, viel zu sehr übertragen wir eigene Erfahrungen auf die unterschiedliche gesellschaftliche und politische Situation. Konnten wir das Verständigungsproblem durch eine gemeinsame Fremdsprache – Englisch – lösen, so zeigte die Diskussion immer wieder, wie schwierig die Vermittlung unserer Inhalte ist. Begriffe wie links-rechts, fortschrittlich-konservativ, antikapitalistisch, ökologisch etc., die in Gesprächen unter uns immer auch die Geschichte eines ganzen Diskussionszusammenhanges vermitteln, verlieren mit Menschen, die die westlich-kapitalistische Lebensrealität nur vom Hören-Sagen, aus Büchern oder rosa-rot gefärbten Träumen kennen, ihre Aussagekraft. //zitatende//


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