Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Autor: Grünes Archiv (Seite 26 von 38)

Das Grüne Archiv ist die Gedächtnisinstitution der grünen Bewegung und eine Serviceeinrichtung der Grünen Bildungswerkstatt für Grünbewegte, ForscherInnen und alle anderen Interessierten.

127/366: Wienerwald – Grüne Lunge in Ruhe

127-wienerwald-todesanzeige

Parte für den Wienerwald (Grünes Archiv)

Die Grüne Alternative Wien schaltete “im Namen der Hinterbliebenen” diese Todesanzeige für weite Teile des Wienerwaldes.


//zitat// In tiefer Trauer geben wir Nachricht vom Ableben weiter Teile des Wienerwaldes
Grüne Lunge der Bundeshauptstadt i.R.
Verbesserer des Klimas i.R.
Liebgewordene Kulturlandschaft und Erholungsraum a.D.

Nach langem, geduldig ertragenem Siechtum versehen mit dem Zynismus verbaler Anteilnahme umweltmusterstädtischer Sonntagsreden und bis zuletzt aufrecht trotz toter Bäume, essigsaurer Böden, trotz illegaler Verhüttelung und Deponien, trotz verdreckter Bäche und Schäden des Forst- und Jagdunwesens ertrug er ohne zu klagen die Schadstoffe des Individualverkehrs, der Industrie, der Müllverbrennung und des Hausbrandes.

Er verschied an Ozon, Stickoxiden, Schwefeldioxiden, Fluorwasserstoffen und an den Umweltmusterstadtpolitikern, die nicht wissen wollen, was wir mit ihm verlieren. //zitatende//


Zum Weiterlesen:

126/366: Tschernobyl: Auch 1000 Kilometer sind nebenan

Scheiß auf Tschernobyl - Wackersdorf ist überall.

Scheiß auf Tschernobyl – Wackersdorf ist überall.

1987 am Titelbild der alternativen Zeitschrift “Netzwerk”: ein Bild einer Demonstration mit dem Slogan “Scheiß auf Tschernobyl – Wackersdorf ist überall”. Der Physiker Peter Bossew zog Bilanz über (fast) ein Jahr Atomkatastrophe: “Die Begriffe Entfernung und Nachbarschaft haben ihre Bedeutung etwas verändert”.


//zitat// Plötzlich hat man sinnlich und praktisch erfahren (wobei freilich die Sinnesorgane die Medien sind), was die Gescheiteren auch vorher theoretisch und im Kopf schon gewußt haben, nämlich daß auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse eintreten können. Die traditionell zu den Dümmeren zählenden Politikern haben geglaubt, und haben uns ihrer extrovertierten Natur entsprechend glauben machen wollen, ein Mal in (sagen wir) einer Million Jahren heißt: erst in einer Million Jahren; also wenn wir schon längst unter dem Rasen liegen. Die elementare Einsicht in die Wahrscheinlichkeitstheorie, daß es nicht so ist, hat Tschernobyl nun popularisiert. […]

Die Begriffe Entfernung und Nachbarschaft haben ihre Bedeutung etwas verändert. Waren für die Herren Experten bisher sensible, für den Katastrophenfall relevante Zonen von wenigen Kilometern Radius um ein AKW schon Zugeständnisse an die Hysterie der Atomgegner, hat das Publikum nun gelernt, daß auch 1000 Kilometer nebenan sein können. //zitatende//


Vorwort und Artikel zum Download: 126-netzwerk-ein-jahr-tschernobyl (PDF, 4 MB)

125/366: 5,5% für eine Bundespräsidentin Freda Meissner-Blau

125-melk-freda-bundespräsidentschaftswahl-2Heute vor dreißig Jahren, am 4. Mai 1986, kandidierte Freda Meissner-Blau für das Amt der Bundespräsidentin – als zweite Frau nach Ludovica Hainisch-Marquet im Jahr 1951. Jahrelange Warnungen der Grünen wurden durch die Atomkatastrophe von Tschernobyl Ende April 1986 bestätigt, und die Kandidatur der aus der SPÖ ausgetretenen, durch die Hainburg-Ereignisse prominent gewordenen Meissner-Blau bewirkte eine grüne Mobilisierung. Motto: “Beteiligen statt schlucken”.

Im ersten Wahlgang am 4. Mai 1986 erreichte Meissner-Blau 5,50% der Stimmen, wobei sie in Vorarlberg mit 10% und in Wien mit 8,2% am besten abschnitt. Dadurch wurde ein zweiter Wahlgang erzwungen, da der umstrittene ÖVP-Kandidat Kurt Waldheim mit 49,65% keine absolute Mehrheit erhielt. Dies gelang ihm erst im zweiten Wahlgang am 8. Juni mit 53,91% gegen den SPÖ-Kandidaten Kurt Steyrer. Daraufhin trat Bundeskanzler Fred Sinowatz zurück und wurde vom bisherigen Finanzminister Franz Vranitzky abgelöst.


125-melk-freda-bundespräsidentschaftswahl-1 In diesem Flugblatt der Grünalternativen Bürgerliste Melk erklärt Freda Meissner-Blau, warum sie für das Amt der Bundespräsidentin kandidiert:

//zitat// Damit das Schweigen und Taktieren durchbrochen wird und von den Kandidaten klare politische Ziele und Inhalte genannt werden.

Damit Unzufriedene ihre Proteststimme nicht einem Kandidaten geben müssen, dessen Erfolg im Ausland als Beweis für eine neue Braunfärbung Österreichs aufgefaßt würde [Kurt Waldheim, Anm.]

Damit all jene, die sich schon abgewandt haben, ermutigt werden. damit sie nicht resignieren, sondern eingreifen: ihre Lebensbedingungen nicht von Machern hinter verschlossenen Türen bestimmen lassen. Beteiligen statt schlucken.

Damit auch jene Frauen ermutigt werden, die sich – wie auch ich lange Zeit – nicht zutrauen, aktiv in der Gesellschaft zu wirken. Ihre Begabungen, ihr Zugang zur Politik fehlt uns allen. Weiterlesen

124/366: Österreichisch-ungarisches Friedenstreffen 1986

Friedenstreffen in Budapest.

Karikatur aus dem Bericht in der Netzwerk-Zeitung.

Kontakte von Friedensaktivistinnen und -aktivisten aus der Basis über die Blockgrenzen hinweg fanden in den 1980ern nicht allzu häufig statt. Die österreichischen Anti-Abfangjäger-AktivistInnen Traude Fasching, Hannes Hofbauer, Andrea Komlosy und Christof Parnreiter berichteten von ihrem Treffen mit Leuten vom ungarischen Friedensclub 4-6-0 im Jahr 1986. Erschienen in “Netzwerk” 4/1986, S. 15-17.


//zitat// Ein Wochenende im Frühsommer. Hitze über der Stadt. Eine kleine Gruppe von Menschen sitzt debattierend im Kreise – die Fenster der geräumigen Privatwohnung weit geöffnet. Es geht um Kriegsgefahr, Aufrüstung und Militarismus und was man dagegen unternehmen kann. Ein bekanntes Bild für jede/n Friedensaktivisten/in und wohl kaum einer besonderen Erwähnung wert.

Doch unsere Runde unterscheidet sich in einigen wichtigen Details von anderen x-beliebigen Friedenstreffen. Es ist ein Zusammentreffen österreichischer Anti-Abfangjägeraktivist/inn/en mit Mitarbeitern des ungarischen Friedensclubs 4-6-0. (Die Zahlen stehen für die Anzahl der Jahre, die der 1., der 2. sowie der zu verhindernde 3. Weltkrieg dauerte.) Ort des Geschehens: Das sommerliche Budapest. Ziel des Treffens: ein Erfahrungsaustausch über Friedensbewegungen und Probleme der Friedensarbeit in den beiden Ländern sowie die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme. Hinter der alltäglichen Zwanglosigkeit unserer Zusammenkunft verbergen sich eine Reihe unüblicher Dinge: Keineswegs gehört es zum Alltag “westlicher” oder “östlicher” Friedensaktivisten, mit Basisbewegungen jenseits der Blockgrenzen intensiven Austausch zu pflegen. Sicher, Friedenskontakte mit “Unabhängigen” des Ostens gehören zum Repertoire so mancher Prominenz des westeuropäischen Friedensestablishments. Unspektakuläre Zusammentreffen von Basisaktivisten sind hingegen äußerste Rarität. Das Treffen mit den 4-6-0-ern, die einzige überlebende ungarische Friedensgruppe mit kritischer Haltung zur offiziellen Friedensbürokratie und dennoch in ständiger Kooperation bzw. Abhängigkeit von dieser, war weder offiziell geplant worden, noch hatte es einen wie immer gearteten konspirativen Charakter. Es entspricht damit durchwegs der Arbeitsweise  des 4-6-0-Friedensclubs: den in den Ländern des “Ostblocks” kaum existenten Freiraum zwischen offizieller Friedenspolitik und oppositioneller Untergrundarbeit zu entdecken, auszuweiten und zu nutzen. 4-6-0 sitzt somit zwischen allen Stühlen, arbeitet öffentlich als unabhängige Gruppe und im Rahmen des offiziösen ungarischen Friedensrates zugleich und ist  damit sowohl dem ständigen Vereinnahmungsdruck von oben als auch der Kritik seitens der politischen Opposition ausgesetzt. Weiterlesen

122/366: Widerstand hat Sinn. Grüne Burgenland 1988

Logo der Grünen Burgenland (1988)

Logo der Grünen Burgenland – Zeleni – Zöldek (1988). Das “selene” aus dem Romanes fehlte damals noch.

“Nach der Wahlniederlage bei der Landtagswahl 1987 [2,2%, Anm.] rechnete niemand damit, daß die GRÜNEN in diesem Land künftig eine Rolle spielen würden”, schrieben die burgenländischen Grünen im November 1988. Die Ein-Jahres-Bilanz der grünen “außerparlamentarischen Opposition” sieht allerdings sehr positiv aus: “Vor allem haben wir den Burgenländerinnen und Burgenländern eines gezeigt: gegen ‘die da oben’ kann man etwas machen, Widerstand hat Sinn und die sichtbaren Probleme unserer Umwelt, die Sozialproblematik und Gesellschaftspolitik gehen uns alle an. Alternativ-Lösungen sind machbar!”


// Wahrscheinlich haben es viele erwartet und manche hätten sich freudig die Hände gerieben: Nach der Wahlniederlage bei der Landtagswahl 1987 rechnete niemand damit, daß die GRÜNEN in diesem Land künftig eine Rolle spielen würden.

Objektiv können wir heute – 1 Jahr später – feststellen:

  • unser Büro in der Haydngasse 23 ist zu einer breiten Informations- und Kommunikationsstelle für viele Oppositionelle des Landes geworden.
  • Nachdem wir erst mitten im Wahlkampf mit dem Aufbau einer Organisationsstruktur begonnen haben,  können wir heute mit rund 50 Aktivistinnen und Aktivisten im Land jederzeit rechnen. Nur durch ihr Engagement und die Unterstützung einiger hundert Spenderinnen und Spender ist die Arbeit dieses Jahres möglich gewesen.
  • Wir sind zwar nicht im Landtag, dennoch steht fest: Wir können konkretere und vor allem meßbare Erfolge unserer Arbeit als so manche Landtagspartei aufweisen. Ohne die Millionen, die diese erhalten.
  • Wir haben die Politiker dieses Landes in manchen Fragen gezwungen, sich mit nie gehörten Themen auseinanderzusetzen, unangenehme Probleme zu bewältigen und wir haben eines gemacht: In unzähligen Briefen Stellungnahmen gefordert und veröffentlicht. Wohl zum ersten Mal wurden die mächtigen Politiker mit massivem Bürgerprotest konfrontiert.
Die Grünen unterstützten BürgerInnenprotest.

Die Grünen unterstützten BürgerInnenprotest.

Wir haben den Widerstand im Land gefördert, Bürgerinitiativen mitinitiiert und bislang nicht zugängliche Informationen öffentlich gemacht.

Vor allem haben wir den Burgenländerinnen und Burgenländern eines gezeigt: gegen “die da oben” kann man etwas machen, Widerstand hat Sinn und die sichtbaren Probleme unserer Umwelt, die Sozialproblematik und Gesellschaftspolitik gehen uns alle an. Alternativ-Lösungen sind machbar!

Das haben wir aufgedeckt, in die Öffentlichkeit getragen, zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht:

Subvention an den SC-Eisenstadt:

Bei Studium des Budgets 88 entdeckten wir, daß die Landessubvention – an die eine Subvention der Freistadt Eisenstadt geknüpft war – nur “bei einem außergerichtlichen Ausgleich” zur Auszahlung gelangt (Budgettext). Mit Pressekonferenz, Flugblättern und Aktionen vor dem Landtag verhinderten wir schließlich die Subventionierung des bankrotten Vereins.

Ersparnis für den Steuerzahler: 1,2 Millionen Schilling

Müllverbrennungsanlagen in den Spitälern Oberwart, Eisenstadt und Kittsee:

Auf die stinkenden Rauchfänge aufmerksam gemacht, ergaben unsere Recherchen, däß der anfallende Spitalsmüll mit Wahrscheinlichkeit
ungetrennt samt Sonderabfällen in den Verbrennungsanlagen der Spitäler verfeuert wurde, wobei diese weder Rauchgaswäsche noch andere Filter aufwiesen. Die Schlackenentsorgung erfolgte auf Hausmülldeponien. Mit Unterstützung der breiten Öffentlichkeit gelang es uns, die Schließung der Müllverbrennungsanlagen relativ schnell durchzusetzen.

Abwasserentsorgung der Feriensiedlungen Römersee- und Keltenberg:

Nach 12 Jahren der Behördenuntätigkeit nahmen wir uns der Angelegenheit an, stellten schauerliche und vorsintflutliche Entsorgung fest (Einbringung der Abwässer in den Edelbach), zwangen Politiker und Behörden durch Anzeigen und Wasseruntersuchungen die Gesetze zu befolgen und mit Unterstützung der Öffentlichkeit erzeugten wir ausreichend Druck, um die Lösung des Abwasserproblems – Anschluß an den Abwasserverband Wulkatal – durchzusetzen. Weiterlesen

121/366: 30 Jahre GABL Neunkirchen – ein Rückblick

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Wir kandidieren gemeinsam – in Neunkirchen!

Bei den Gemeinderatswahlen 1985 erreichte die “Grün-Alternative Bürgerliste” im Bezirk Neunkirchen (Niederösterreich) bereits sieben Mandate und gründete eine Bezirkspartei – da war von einem Einzug ins Parlament noch keine Rede. Zum 30jährigen Jubiläum verfassten die Neunkirchner Grünen eine Festschrift, aus der wir heute einen Auszug bringen.

Die gesamte Festschrift kann auf Facebook angeschaut werden.


// Die Gründung der “Grün-Alternativen Bürgerliste—GABL” in Neunkirchen erfolgte im Herbst 1984. Damals stand die Grünbewegung am Beginn ihrer (oft sehr mühsamen) Entwicklung. Nach Zwentendorf und Hainburg war der Sprung von der “Bürgerinitiative” zur Partei nicht leicht (diverse Splittergruppen, unterschiedliche Weltanschauungen). Im Bezirk Neunkirchen haben sich die Vertreterinnen der beiden damaligen Splittergruppen “Alternative Liste — ALÖ” und “Vereinte Grüne — VGÖ” im Herbst 1984 auf gemeinsame Gemeinderatskandidaturen für die Gemeinderatswahl im Frühjahr 1985 geeinigt. Unter dem Namen “Grün-Alternative Bürgerliste — GABL” konnte im April 1985 in Neunkirchen (3 Mandate), Ternitz (2 Mandate), Warth und Grünbach (je 1 Mandat) der Einzug in den Gemeinderat erreicht werden. Bereits 1986 wurde eine Bezirkspartei gegründet — bezeichnenderweise noch vor dem Einzug der Grünen in den Nationalrat. In der laufenden Gemeinderatsperiode 2010-2015 sind die Grünen mit Ortsgruppen in Gloggnitz (1 Mandat), Ternitz (1 Mandat), Neunkirchen (6 Mandate), Warth (1 Mandat) und Pitten (2 Mandate) in den Gemeinderäten vertreten. Weiterlesen

120/366: Die Partei mit dem schwierigen Namen

Schreiben von Pius Strobl an Gerd Bacher (1993).

Schreiben von Pius Strobl an Gerd Bacher (1993).

“Es gibt nahezu keine Informationssendung, in der Mitglieder, Funktionäre oder Mandatare dieser politischen Partei auftreten, in der nicht die unterschiedlichsten Bezeichnungen gewählt würden”, kritisierte Pius Strobl 1993 in einem Schreiben an ORF-Generalsekretär Gerd Bacher. Tja, eine Partei ohne die übliche Abkürzung mit drei Buchstaben hat es offensichtlich schwer, auch nach sieben Jahren im Parlament…


// Seit dem Einzug der politischen Partei “Die Grüne Alternative” in den österr. Nationalrat im Jahr 1986, habe ich in vielfacher Form den ORF immer wieder darum gebeten, die Bezeichnung der politischen Partei, ihrer Abgeordneten und Funktionäre korrekt und richtig wiederzugeben.

Trotz vielfältiger Zusagen, ist es z.B. dem ORF sogar bei der Nationalratswahl 1990 gelungen, uns eine Kurzbezeichnung “GAL” zu geben, die wir selbst nicht verwendet haben und die auch nicht am Stimmzettel zu finden war. Es gibt darüberhinaus nahezu keine Informationssendung, in der Mitglieder, Funktionäre oder Mandatare dieser politischen Partei auftreten, in der nicht die unterschiedlichsten Bezeichnungen gewählt würden. Offenkundig ist es innerhalb des großen Unternehmens nicht möglich, eine einheitliche Bezeichnung zu finden und das Namensrecht einer politischen Partei auch dahingehend zu respektieren, daß nur die korrekten und von der Partei auch gewünschten Bezeichnungen in die Öffentlichkeit getragen werden.

Zynisch formuliert könnte man auch sagen, daß wir direkt froh darüber sein müßten, so wenig ORF-Öffentlichkeit zu finden (- ich rede in diesem Zusammenhang nicht über die sg. “Grünen-Themen”, die das Unternehmen in großer Breite betreut), sonst hätten wir inzwischen wohl noch eine Reihe weiterer Bezeichnungen erhalten und im Bewußtsein der Wählerlmen wäre noch mehr an Namenverwirrung gelungen.

Eine der ganz wenigen Sendungen, die sich mit den Inhalten der politischen Partei “Die Grüne Alternative” beschäftigte, war der letzte Inlandsreport. Wie nahezu immer bei so einer Breite, ging es auch diesmal um “Gegnerschaften”, wie der Titel des Beitrags versprach. Offenbar ist die demokratische Diskussionskultur in diesem Land nicht nur an sich unterentwickelt, sondern auch in den Köpfen vieler so gering verankert, daß inhaltliche Auseinandersetzungen um politische Wegorientierungen nur mehr als “kriegerische Gegnerschaften” gesehen werden.

Der Grund meines Schreibens liegt aber drin, daß es dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern gelungen ist, in einer einzigen Sendung für mich völlig unerklärliche und auch nicht nachvollziehbare Namens- und Funktionsinterpretationen vorzunehmen. Die Rede ist von der nicht vorhandenen Kurzbezeichnung “GAL”, der Funktionsbezeichnung des Herrn Bundessprechers Abgeordneter Peter Pilz als “Bundesgeschäftsführer der GAL und der Grünen” und der nicht vorhandenen Funktionsbezeichnung “GAL-Umweltsprecherin”. Daß es nebenbei beim Bericht über die Grazer Gemeinderatswahl auch gelungen ist, die älteste Vertretung der Grünen in einen Gemeinderat, die Alternative Liste Graz (ALG) und ihren Mandatsgewinn völlig zu verschweigen, ist tatsächlich nahezu ein Kunststück.

Ich bin der Meinung, sehr geehrter Herr Generalintendant, daß jede politische Partei vom ORF ein Mindestmaß an Fairneß erwarten kann. Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn FPÖ-Bundesparteiobmann Dr. Jörg Haider und seine Partei mit den gleichen Fehlinterpretationen, Netemsverdrehungen, Weglassungen und Funktionsumkehrungen in der Öffentlichkeit konfrontiert würde. Dann wäre die Unternehmensbeschimpfung und auch berechtigter öffentlicher Protest die logische Folge. Es ist schon seltsam, daß so etwas nie bei der SPÖ, der ÖVP oder der FPÖ passiert, sondern ausschließlich bei der von mir vertretenen Partei “Die Grüne Alternative”. Weiterlesen

119/366: Der Atomwahn. Manifest von Walter Schmögner

Der Atomwahn. Ein Manifest (1981). Mit freundlicher Genehmigung von Walter Schmögner

Der Atomwahn oder Manifest gegen die Dummheit (1980). Mit freundlicher Genehmigung von Walter Schmögner

“Ganz innen, kaum mehr spürbar, wissen wir, daß wir fähig wären, viel einfacher zu leben, mit Ehrfurcht vor der Natur. Aber jeder wartet auf den anderen, und so gehen und gehen wir den falschen Weg”.  Das “Manifest gegen die Dummheit” von Walter Schmögner erschien in der Zeitschrift der Initiative österreichischer Atomkraftwerksgegner vom April/Mai 1981 und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Künstlers gezeigt.


// Es ist ein Hohn, wenn die Kernkraft-Befürworter schreiben: “Sind Sie für Umweltschutz? Dann können Sie nicht gegen Kernkraft sein!”
Was für ein Hochmut, was für eine schreckliche Dummheit. Wann hört endlich diese schwachsinnige Verniedlichung auf? Das Atomzeitalter ist das Ende des Erdenalters. Die Verseuchung ist irreparabel!

Wir sind am Ende unseres falschen Weges angelangt. Einen Schritt weiter — und nur mehr das Böse wird regieren. Die Dummheit hat dann endgültig gesiegt, und ohne Glauben und Sinn werden wir von den Machthabern gegängelt werden bis zur unausweichlichen Endkatastrophe.

Die Zeit wird knapp. Wir müssen uns entscheiden. Zwischen der Natur als Macht Oder der technischen Menschenmacht. Wählst du die Natur, mußt du an dir selber arbeiten! Wählst du die Technik, erledigt die Macht für dich alles.

Wir müssen lernen
Wir müssen mit der Natur leben und nicht mehr gegen sie. Schon fast haben wir unsere Erdkugel umgebracht. Wie lächerlich; nicht zu erkennen, daß wir uns damit selbst umbringen.
Wir müssen lernen
Wir müssen lernen, daß wir weniger als ein Wurm sind. Ein Wurm hilft, ein Mensch rottet aus. Wir sind die elendigste Kreatur auf unserer Mutter Erde. Wir müssen wieder ganz klein werden. Nur der Geist darf wachsen. Was wir so sehr brauchen, ist ein verbindender Glaube. Die Natur soll unser Führer sein.

Die Natur ist heilig, wir sind es nicht. Alles, was den natürlichen Kreislauf stört, muß verhindert werden. Vulkane dürfen explodieren, Unwetter dürfen vernichten wir aber sollten das nicht dürfen! Wir müssen uns nach der Natur richten und nicht mehr gegen sie. Wie können wir uns anmaßen, die Natur in den Griff zu bekommen? Es würde uns nie gelingen. Helfen wir der Natur, und wir helfen uns selbst! Weiterlesen

118/366: Gegen die Angst

Manchmal stoßen wir im Archiv auf Jahrzehnte alte Texte, die wir heute 1:1 so abdrucken könnten. Der Artikel “Gegen die Angst” ist einer davon: “Armut schafft Angst. Und jede kleine Verschlechterung kann für Menschen, die am Rande stehen, den Absturz bedeuten. Diese Angst ist das wichtigste politische Kapital der Freiheitlichen”, schrieb Peter Pilz 1995 in den “Grünen Informationen aus Meidling”.

Gegen die Angst. Peter Pilz 1995.

Gegen die Angst. Peter Pilz 1995.


// Die Grünen haben der SPÖ die Umweltpolitik, die Frauenpolitik und die Menschen-rechtspolitik abgenommen. Jetzt ist auch eine Grüne Sozialpolitik nötig.

Stimmt, der Umwelt geht’s nicht gut. Jetzt beginnt wieder ein Ozonsommer und die Kinder sollen bei Sonne zur Sicherheit drinnen bleiben. Sie können ja dann, wenn’s regnet und das Ozon wieder abgebaut wird, draußen spielen. Bis zum nächsten Sonnenschein. 170.000 Menschen in Wien ist das mit Sicherheit egal. Sie kümmern sich nicht darum, wieviel Ozon in der Früh an den wenigen, falsch gewählten Meßstellen gemeldet worden ist. Sie fragen sich ganz anderes: Wie sie ihre Miete zahlen sollen; ob sie sich etwas zum Anziehen leisten können; wie sie bloß über den Winter kommen werden … Diese 170.000 Menschen können sich dafür nicht überlegen, wohin sie auf Urlaub fahren; wann sie einen neuen Fernseher kaufen, ob sie studieren oder sich eine bessere Arbeit suchen sollen… Diese 170.000 Menschen in Wien sind Inländer — und arm. Mehr als 200.000 Ausländern geht es ähnlich — oder sogar noch schlechter. Die Armut in Wien hat neue Gesichter: Die Supermarkt-Verkäuferin, die für den Mindestlohn ihre Gesundheit ruiniert, rutscht ebenso immer öfter in die Armutsfalle wie der junge Polizeibeamte, der in der Nacht Taxi fährt, weil er die Familie in der teuren Genossenschaftswohnung sonst nicht durchbringt. Während die beiden sich ausrechnen, wie sie bis zum nächsten Ersten auskommen, berichtet das Fernsehen von ihren Politikern, die sich das Gehalt gerade auf 200.000 Schilling gekürzt haben. Pro Monat, mit einer Abfertigung von eineinhalb Millionen nach einem Jahr. Dann platzt der Kragen. Auch Wien zerfällt in Viertel: Ein Viertel Modernisierungsgewinner, die sich im Wettbewerb durchsetzen und profitieren. Ein Viertel, das darum kämpft dabei zu sein. Ein Viertel, das zunehmend abgehängt wird. Und ein Viertel, das draußen bleibt.

Nach einem Jahrhundert Sozialdemokratie muß die Caritas wieder Tausende Obdachlose zählen. Menschen, die ihr Leben lang Sozialversicherung bezahlt haben, werden von Spital zu Spital geführt, weil kein Platz für sie da ist. Irgendwann findet sich dann irgendwo ein Gangbett. Junge Familien stehen vor geförderten Wohnungen, die leer stehen, weil sie sich niemand mehr leisten kann. Armut schafft Angst. Und jede kleine Verschlechterung kann für Menschen, die am Rande stehen, den Absturz bedeuten. Diese Angst ist das wichtigste politische Kapital der Freiheitlichen. Und sie wird auch schamlos ausgebeutet. Drei “Ellbogen-Parteien” wollen dem Sozialstaat an den Kragen: Die ÖVP will ihn stutzen, das Liberale Forum will ihn privatisieren, und freiheiliche Funktionäre jagen mit Unterstützung der Kronen Zeitung “Sozialschmarotzer”. Alle drei sehen den Mißbrauch. Daß hundert mal mehr Menschen Hilfe wirklich brauchen, ist ihnen egal.

Die SPÖ hält dem ihre alten Rezepte entgegen: statt neuer Chancen Anträge und Almosen. Mehr fällt ihr nicht mehr ein. Doch während die Sozialdemokratie schläft, nehmen immer mehr Bürger das Soziale selbst in die Hand. Initiativen zur Altenpflege in der Nachbarschaft entstehen, weil keiner mehr will, daß alte Menschen auf Nimmerwiedersehen in Aufbewahrungszentren verschwinden. Ausländer und Inländer probieren es beim Wohnen und Arbeiten gemeinsam. Jugend-Initiativen kämpfen sich durch bürokratische und polizeiliche Willkür. Immer mehr Bürger zeigen, daß sie selbst das wertvollste soziale Kapital der Stadt sind. Eine neue Sozialpolitik beginnt: Betroffene werden zu Beteiligten, aktive Bürger zeigen der Obrigkeitsstadt, wie es geht. Eine vernünftige Politik würde genau hier ansetzen: unterstützen, fördern, motivieren, einzelne Initiativen zu Netzen verbinden. Zu dieser Vernunft ist die Wiener Politik noch immer nicht gekommen. Lieber Milliarden verbauen, als zugeben, daß die Betroffenen selbst vieles besser können als der Magistrat.

Wir haben der SPÖ die Umweltpolitik abgenommen, weil sie sich nicht darum gekümmert hat. Wir haben ihr die Frauenpolitik abgenommen, weil sie auf sie vergessen hat. Wir haben ihr die Menschenrechtspolitik abgenommen, weil sie sich da mit Jörg Haider eingelassen hat. Weil wir nicht wollen, daß die Hoffnungsosigkeit noch mehr Menschen nach rechts treibt und weil wir die Angst durch Hoffnung ersetzen wollen, werden wir uns jetzt viel mehr ums Soziale kümmern. Damit Wien wirklich anders wird — ökologisch und sozial! //

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