Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Autor: Grünes Archiv (Seite 25 von 38)

Das Grüne Archiv ist die Gedächtnisinstitution der grünen Bewegung und eine Serviceeinrichtung der Grünen Bildungswerkstatt für Grünbewegte, ForscherInnen und alle anderen Interessierten.

137/366: NÖ Landtagswahl 1993: Einzug verfehlt

Heute vor 23 Jahren, am 16. Mai 1993, verfehlten die Grünen bei der Landtagswahl in Niederösterreich den Einzug. An der Spitze des Wahlbündnisses “Grüne Alternative und Bürgerlisten (Grüne im Parlament)“, Kurzbezeichnung: GABL, kandidierte Franz Renkin. Er war von 9. Dezember 1990 bis 11. Oktober 1992 gemeinsam mit Franz Floss Bundesgeschäftsführer der Grünen Alternative gewesen.

Die GABL erreichte 29.589 Stimmen bzw. 3,17 Prozent – im Vergleich zur Landtagswahl 1988 ein Zuwachs von 6.323 Stimmen bzw. 0,72 Prozentpunkten. Für den Einzug wären 4 Prozent erforderlich gewesen. Die Vereinten Grünen (VGÖ) – denen die ÖVP beim Sammeln von Unterstützungserklärungen für die Kandidatur geholfen hatte – stagnierten mit 11.242 Stimmen und 1,20 Prozent auf dem Niveau von 1988 (11.328 Stimmen bzw. 1,19 Prozent).

In der Zeitschrift “Impuls Grün” war dazu im September 1993 zu lesen:

Die mit den verlorenen Niederösterreich-Wahlen wieder einmal in Not geratene Partei erscheint vielen WählerInnen angesichts der Wirtschaftskrise, dem Rollback in der Umweltpolitik, dem innerpolitischen Rechtsruck (Ausländergesetze, Sozialabbau) und der freundlichen Oppositionspartei Liberales Forum ersetzbar. Auf schlechte Umfragedaten bezüglich Prozentpunkten und politischem Klima gibt Petrovic [Madeleine, Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl, Anm.] wenig: “Tatsächlich ist das Klima für eine radikale ökologische Politik nicht günstig. Nichtsdestotrotz sieht eine wachsende Zahl von Menschen diese Notwendigkeit. Uns kann der Beweis gelingen, daß man heute, wenn man ökonomisch und sozial vorgehen will, zuerst an die Ökologie denken muß.”

136/366: Volkszählung 1991: Bürgerin Nr. 3759 xy antwortet nicht

Volkszählung 1991: Bürgerin Nr. 3759 xy antwortet nicht

Volkszählung 1991: Bürgerin Nr. 3759 xy antwortet nicht (Grünes Archiv)

Die Volkszählung 1991 wurde von der Grünen Alternative und vielen anderen Organisationen kritisiert – die Argumente richteten sich gegen die “Großzählung” an sich und im besonderen gegen einzelne Fragen wie nach dem Religionsbekenntnis oder der Definition des “Haushaltsvorstandes”. Ein Aufruf zum Boykott stand unter Strafe – die Grünen begnügten sich daher in dem Folder “Bürgerin Nr. 3759 xy antwortet nicht” mit Warnungen vor Ausfüllfehlern, die die maschinelle Auswertbarkeit der Formulare gefährdet hätten 😉

Download des Folders: 136-volkszaehlung-1991-folder (PDF, 4 MB)


Am 15. Mai 1991 ist es wieder so weit.

Alle zehn Jahre wird in Österreich eine “Großzählung” abgehalten.

Der Staat will immer mehr wissen – mehr als 500 Millionen öS [36 Millionen EUR, Anm.] wird der Wissensdurst der Behörden den Steuerzahler kosten. Gab er sich bei der Volkszählung 1957 noch mit acht Fragen zufrieden, beinhaltet 1991 allein das Personenblatt 17 Fragen. Haben Sie einen Zweitwohnsitz bzw. sind Sie an zwei Stellen gemeldet, dann versucht die Gemeinde mittels eines zusätzlichen “Ergänzungsblattes” ihren “ordentlichen Wohnsitz” herauszubekommen: Hier geht’s um Geld für die Gemeinden (Finanzlastenausgleichsgesetz). Da wollen es die Gemeindeväter dann ganz genau wissen, ob Sie die ganze Woche oder nur werktags, häufig oder fallweise in dieser Wohnung anwesen sind. Auch ob Familienmitglieder – auch Lebensgefährt/in/e mit Ihnen gemeinsam die Unterkunft bewohnen, wird interessiert nachgefragt. Fragen nach der gesellschaftlichen Betätigung in der Gemeinde – “kulturelle, sportliche, soziale und politische” – runden das Bild ihrer Persönlichkeit ab. Sollten Sie zur Zeit der Volkszählung abwesend sein (Urlaub), so werden Ihre Nachbarn bzw. der/die Hausmeister/in von den Zählern zur “Ersatzausfüllung” befragt. Ein etwaiges Unbehagen Ihrerseits mit dieser Vorgangsweise ist nicht angebracht, denn lt. §3 Abs 2 “sind Personen… zum Zeitpunkt der Erhebung wegen Abwesenheit nicht erfaßbar…, so sind der Haushaltsvorstand, der Wohnungsinhaber, der Wohnungsvermieter oder der Hauseigentümer soweit möglich und zumutbar, auskunftspflichtig.” Weiterlesen

135/366: Salzburg in Europa. Denkanstöße zur Landtagswahl 1989

Bürgerliste Salzburg-Land: Salzburg in Europa. Denkanstöße zur Landtagswahl 89 (Grünes Archiv)

Bürgerliste Salzburg-Land: Salzburg in Europa. Denkanstöße zur Landtagswahl 89 (Grünes Archiv)

“Die Katastrophen müssen nicht mehr vorausgesagt werden — sie finden bereits statt. Und wir üben uns darin, sie zu verdrängen”, schrieb Christian Burtscher 1989 in der Broschüre “Salzburg in Europa”, die als “Aufforderung zum Mitdenken, Mithandeln, Sicheinmischen” dienen sollte. Im Blog Burtschers Vorwort, die gesamte Broschüre zum Download:  135-salzburg-europa-landtagswahl-1989 (PDF, 5 MB)


// “Wer will, daß die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, daß sie bleibt.” Erich Fried

Die Katastrophen müssen nicht mehr vorausgesagt werden — sie finden bereits statt. Und wir üben uns darin, sie zu verdrängen. Das Waldsterben, die Verseuchung von Grundwasser und Meeren, die Überhitzung des Planeten als ökologische Katastrophe. Die Nötigung unserer Kinder durch elektronische Medien und Computer als pädagogische Katastrophe. Die anhaltende Entwicklung der Wirtschaft zur “Zweidrittel-Gesellschaft” als soziale Katastrophe. Gegen diese katastrophalen Entwicklungen ist Widerstand angesagt. Nur: Was hindert uns daran, gemeinsam verantwortungsbewußt zu handeln, so verstanden politisch zu handeln? Politik bedarf der Analyse des Bestehenden und bedarf der Philosophie, aus der Visionen entstehen. Politik in Salzburg — und nicht nur hier — ist geprägt von argem Mangel an beidem. Wir gehen daran, dieses riesige Defizit zu verringern. Mit dieser Broschüre aus Anlaß der Landtagswahl 1989 legen wir kein Programm vor, keinen “Großen Gesellschaftsentwurf”. Vielmehr legen wir eine Aufforderung vor zum Mitdenken, Mithandeln, Sicheinmischen. Weiterlesen

134/366: Voggenhuber und Strobl führen die Bundesgeschäfte

Vor 28 Jahren, von 13. bis 15. Mai 1988, fand der zweite Bundeskongress der Grünen Alternative auf Schloss Röthelstein bei Admont (Steiermark) statt. Johannes Voggenhuber (von 1982-1987 Stadtrat der Bürgerliste in Salzburg) und Pius Strobl (Burgenland, 1987 Pressesprecher des Grünen Parlamentsklubs) wurden zu Bundesgeschäftsführern gewählt, Strobl nur knapp gegen den bisherigen Amtsinhaber Werner Haslauer.

In den Bundesvorstand gewählt wurden weiters Alexandra Bader, Eva Hauk, Werner Moidl (Finanzreferent), Maria Unfried und Sonja Puntscher-Riekmann. Jeanette Berger verblieb ohne Wiederwahl im Bundesvorstand, da sie ihre Zwei-Jahres-Periode auslaufen ließ, ohne vorher zurückzutreten.

133/366: Umwelttipps aus dem Jahr 1984

Cartoon: Mann verspritzt Gift im Garten, missmutige Sonne

So nicht!

Schlämmkreide, essigsaure Tonerde und Schmierseife – im Alternativenrundbrief 101/1984 wurden vier Seiten mit Umwelttipps für den Haushalt abgedruckt. Die funktionieren heute noch genauso!

Download: 133-umwelttipps (PDF, 4 MB)


Konkrete Produkte findet man heute übrigens auch im Netz: Die Umweltberatung bietet mit ÖkoRein eine Datenbank für umwelt- und gesundheitsschonende Wasch- und Reinigungsmittel an.

132/366: Volksgruppen im ORF: grüner Erfolg

Bericht des Zehnten Bundeslandes 1989

Bericht des Zehnten Bundeslandes 1989

1989 legte das “Zehnte Bundesland”, die Vertretung der anerkannten Volksgruppen und ethnischen Minderheiten, einen Bericht an den grünen Bundesausschuss in Salzburg vor und verweist auf einen grünen Erfolg: “Die Initiativen für die Einführung von Volksgruppen-TV-Sendungen hatten ihren Ursprung im Informationszentrum  der Österreichischen Volksgruppen. Ein Gesetzesantrag von Karel Smolle auf Änderung des Rundfunkgesetzes, wonach Volksgruppensendungen im Programmauftrag des ORF enthalten sein sollten, und die Volksgruppen auch ihren Vertreter im Kuratorium und im Hörer-und-Seher-Beirat haben
sollten, hat den Stein ins Rollen gebracht”.


// Es erscheint notwendig,  einleitend einige Anmerkungen  zur Organisationsstruktur des nach dem Parteistatut eingerichteten zehnten Bundeslandes “Ethnische Minderheiten” anzubringen.

Die Struktur des zehnten Bundeslandes “Ethnische Minderheiten” unterscheidet sich insofern von der Struktur anderer Landesorganisationen als sie keine Landesversammlung und keine gewählten Vorstand haben; dies aus mehreren Gründen:

1.)  Es bestehen große Unterschiede in der Organisationsstruktur der einzelnen in Österreich lebenden Volksgruppen. Als einzige  österreichische Volksgruppe verfügen die Kärntner Slowenen über ein eigenes parteipolitisches Gebilde, die Kärntner Einheitsliste/Koroška enotna lista. Die anderen Volksgruppen sind ausschließlich in überparteilichen Vereinen organisiert. Eine Organisationsstruktur des  zehnten  Bundeslandes  “Ethnische Minderheiten”, die jener in anderen Bundesländern entsprechen würde,  könnte nur erreicht werden, wenn auch die anderen ,Minderheiten ähnlich den Kärntner Slowenen über eine parteipolitische Struktur verfügen würden. Ansätze zur Gründung einer solchen parteipolitischen Struktur im Burgenland (Südburgenländische Kroaten und Burgenländische Ungarn) hat es nach der letzten Nationalratswahl 1986 mit Einzug von Karel Smolle ins Parlament gegeben, doch hat sich damals die Landesorganisation Burgenland für eine Integration der Angehörigen der Burgenländischen Kroaten und Burgenländischen Ungarn in die Grüne Alternative Burgenland ausgesprochen. Diese Entscheidung war, wie die Landtagswahlergebnisse von Burgenland und Kärnten zeigen, falsch. Während der Stimmenanteil im Burgenland in den gemischtsprachigen Gemeinden nicht über dem Landesdurchschnitt lag, muß für Kärnten festgestellt werden, daß der Stimmenanteil im zweisprachigen Gebiet sowohl bei den Nationalratswahlen 1986 als auch bei der letzten Landtagswahl weit über dem Landesdurchschnitt liegt. Weiterlesen

130/366: Europa: Von der Festung zum gemeinsamen Haus

Appuntamento con il futuro (1992)

Appuntamento con il futuro (1992)

Durch die frühen internationalen Kontakte der österreichischen Grünen haben wir im Archiv auch Publikationen und Archivmaterial aus anderen europäischen Ländern. Die italienischen Grünen luden im Dezember 1991 zu einer dreitägigen Versammlung zum Thema “L’appuntamento con il futuro: la conversione ecologica della società, dell’economia, della politica” (Verabredung mit der Zukunft. Die ökologische Transformation der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik). Ein. Themenblock trug den Titel “Obiettivo Europa: dalla fortezza alla casa comune” (Ziel Europa. Von der Festung zum gemeinsamen Haus). Eine Vision, die heute noch Bestand hat…

Wir bringen den einleitenden Beitrag von Paolo Bergamaschi, damals Sekretär der Koordination der Europäischen Grünen, dem Vorläufer der Europäischen Föderation Grüner Parteien (EFGP) bzw. der Europäischen Grünen Partei (EGP). Die anderen Beiträge können bei uns im Archiv gelesen werden 🙂


// Il tema di stamane è di carattere internazionale: il ruolo dei verdi in Europa e più in generale in tutte le questioni di ordine sovranazionale. Quando mi fu affidato il compito di predisporre una traccia per una discussione all’interno dei verdi italiani sulle questioni europee sovranazionali ho pensato di dare alcuni titoli che apparentemente sembrano ermetici e che vorrei spiegare in breve.

Il dibattito in atto fra i verdi europei sul futuro istituzionale dell’Europa e sul ruolo in particolare della Comunità europea parte da alcuni presupposti e idee che portano a far sì che la Comunità europea non debba essere intesa come la roccaforte del benessere, la “fortezza Europa”, come oggi viene spesso indicata. Ecco perché il titolo della sessione è “Obiettivo Europa: dalla fortezza alla casa comune”, affinché questo continente possa decollare a partire dalla Comunità europea la quale dovrebbe favorire un processo di estensione a tutta l’Europa. E veniamo ai tre sottotitoli. Weiterlesen

129/366: Zwentendorf – hätte man sich das nicht früher überlegen können?

“Hätte man das sich nicht früher überlegen können und lieber früher gestoppt anstatt es fertig zu bauen und somit mehr Steuergeld zu verschwenden?” – Diese Frage stellte uns vor einiger Zeit ein Schüler, der ein Referat über das AKW Zwentendorf halten sollte. Da wir gestern die Möglichkeit hatten, an einer Führung durch das AKW teilzunehmen, und auch einige optische Eindrücke mitgebracht haben, veröffentlichen wir heute im Blog unsere Antwort an den Schüler – etwas ausführlicher als “ja” – und freuen uns über Rückmeldungen und Ergänzungen dazu!

alle Bilder: Grünes Archiv/Monika Bargmann, CC-BY


Frage 1: Man weiß ja, dass das Atomkraftwerk in Zwentendorf sehr viel Steuergeld gekostet hat. Wie möchten Sie das den heutigen Steuerzahler bzw. die zukünftigen Steuerzahler (also uns Schüler) erklären, dass sie bzw. wir bis heute noch für das AKW zahlen müssen in Form von Steuergeld?

Antwort: Die Grünen als Partei haben damals noch nicht existiert und waren an der Entscheidung somit nicht beteiligt. Wir wollen uns damit nicht um eine Antwort drücken, schlagen aber einen Perspektivenwechsel vor: Bedenken Sie, was das Kraftwerk – finanziell, gesundheitlich, menschlich – gekostet hätte, wenn es in Betrieb gegangen wäre!

  • Betriebskosten – der Betrieb von Kernkraftwerken ist normalerweise mit einer kräftigen Subvention verbunden, die die gesamte Bevölkerung zwangsläufig mitfinanziert. Aktuelles Beispiel: Hinkley Point (UK), wo es um mehrere Milliarden Euro geht.
  • Kosten für den Abbau nach dem Ende der Laufzeit
  • Strahlung im regulären Betrieb –Umweltwissenschaftler wie Peter Weish weisen darauf hin, dass radioaktive Strahlung auch weit unter dem Grenzwert schädliche Einflüsse auf menschliche Zellen hat.
  • Unfallgefahr – Zwentendorf liegt in einer Erdbebenregion und ist damit ein besonders unsicherer Standort.
  • Grundwasserreserve –Selbst ein “kleiner” Atomunfall in Zwentendorf hätte weite Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung von ganz Ostösterreich gehabt, wenn nicht sogar – durch die Donau – weit darüber hinaus. Denken Sie an den Reaktorunfall von Tschernobyl, der Auswirkungen auf Österreich hatte, obwohl das Kraftwerk über tausend Kilometer entfernt ist.
  • Zwischenlager – es gab Verhandlungen, den Atommüll in Ländern des Nahen Ostens zwischenzulagern. Angesichts der politisch instabilen Lage, die in dieser Region heute herrscht, wäre das wohl keine gute Idee gewesen.
  • Ungelöste Frage des Endlagers –Es gibt heute weltweit kein Endlager für radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken. Die Frage, wo und wie man diese Abfälle sicher verwahrt, ist also vierzig Jahre später noch immer nicht geklärt. Diese Last hinterlassen wir unseren Urururur…enkeln und Urururur…enkelinnen. Wenn wir das mit den Kosten des nicht in Betrieb genommenen Baus vergleichen, finden wir, dass wir so besser ausgestiegen sind – auch wenn es natürlich besser gewesen wäre, es wäre erst gar nicht gebaut worden.

Frage 2: Nach dem Bau des Kraftwerkes entschied man sich, das Kraftwerk nicht in Gebrauch zu nehmen. Hätte man das sich nicht früher überlegen können und lieber früher gestoppt anstatt es fertig zu bauen und somit mehr Steuergeld zu verschwenden?
Frage 3: Glauben Sie nicht, dass der Staat Österreich bei diesem Projekt einfach versagt hat? Geben Sie mir recht? Wenn nicht, bitte mit Begründung?

Antwort: Mit dem Wissen der Nachwelt gesprochen: Ja, klar wäre viel besser gewesen, es gleich gar nicht zu bauen! Es war aber für unser Land und die Bevölkerung gut, dass ein schwerer Fehler eingesehen wurde – wenn auch deutlich später als wünschenswert. “Der Staat” als Gemeinschaft insgesamt hat meiner Einschätzung nach nicht versagt – ganz im Gegenteil, da war der Kampf gegen das AKW ein Meilenstein der BürgerInnenbeteiligung bzw. des Aufbegehrens der Bevölkerung gegen falsche Entwicklungen. Schließlich sind wir alle der Staat! Bei der Zwentendorf-Diskussion waren die finanziellen Mittel und die Kontakte zu den Medien zwischen AtomkraftgegnerInnen und AtomkraftbefürworterInnen sehr ungleich verteilt. Dennoch ist es gelungen, eine breite Basisbewegung in ganz Österreich auf die Beine zu stellen, in der verschiedenste Bevölkerungsgruppen – Mütter, Studierende, Gewerkschafter, Schülerinnen, Bauern… – vertreten waren. Der Konflikt war keiner zwischen “rechts” und “links”, sondern viel eher einer zwischen “oben” und “unten”. “Versagt” oder aus heutiger Sicht falsch gehandelt haben mehrere Personen und Organisationen. Dabei gibt es verschiedene Aspekte, die das nicht unbedingt “entschuldigen”, aber zumindest erklären könnten:

  • Die handelnden PolitikerInnen waren anfangs wohl falsch beraten bzw. durchschauten die Interessen, die hinter den Aussagen bestimmter Organisationen wie der Energiewirtschaft standen, nicht. Und wie es so ist, glaubt man eher den Personen, die das bestätigen, was man schon vorher geglaubt hat, bzw. hört man überhaupt nur das, was man hören will. Eine feste Meinung zu ändern, ist manchmal gar nicht so leicht.  Als die Nachteile dann immer offensichtlicher wurden, kam dann vielleicht eine große Portion Sturheit dazu – so stellt sich das jedenfalls für mich aus heutiger Sicht dar. Vor allem nach Tschernobyl war die Ablehnung der Atomkraft dann viel verbreiteter als in den späten 1970er Jahren.
  • Die Expertinnen und Experten, die für Gutachten engagiert wurden bzw. sich dann zu Wort meldeten, waren in vielerlei Hinsicht absolut gegensätzlicher Meinung. Fachlich unumstrittene ExpertInnen sprachen sich für die Atomkraft aus, kannten aber teilweise den konkreten Standort und seine schlechte Eignung gar nicht. Wenn der “Herr Professor” sagt, da kann nix passieren, warum sollte man ihm als Nicht-Expertin nicht glauben? Ob es dabei nur um unterschiedliche wissenschaftliche Denkschulen bzw. veraltete Herangehensweisen ging, ob sich manche Personen einfach weitere finanziell interessante Aufträge für Gutachten erwarteten oder was da sonst noch mitgespielt hat, darüber maße ich mir kein Urteil an.
  • Atomkraftwerke galten als umweltfreundliche Art der Energiegewinnung. Wenn man sich heute die Diskussion um die Bewältigung des Klimawandels bzw. Eindämmung der Erderwärmung ansieht, werden exakt die gleichen Argumente pro Atomkraft wie damals angeführt.
  • Für weite Teile der SPÖ und der Gewerkschaften stand die Schaffung von Arbeitsplätzen, die man mit Zwentendorf in Verbindung brachte, im Vordergrund. Das Waldviertel war und ist eine strukturschwache und wirtschaftsschwache Region, da erhoffte man sich eine dringend nötige Belebung.
  • Bundeskanzler Kreisky hat ja nicht mit einer Ablehnung gerechnet. Das Ergebnis war ja auch sehr knapp und sicher eine Überraschung.

Frage 4 : Bevor man den Bau des Kraftwerkes begonnen hätte, wäre es doch sinnvoll gewesen, den Bauplan bei der Gemeinde aufschlagen, damit sich die BürgerInnen informieren und danach hätte der Staat Österreich doch eine Abstimmung gefordert. Somit hätte man sich viel Steuergeld einsparen können. Stimmen Sie zu?

Gegenfrage: Was würden Sie dem bloßen Bauplan eines Kraftwerks entnehmen können? Ich meine damit, dass ein bloßes Auflegen eines Projektes, das so komplex ist und so weitreichende Folgen haben kann, auf den Gemeindeämtern keine qualifizierte Entscheidung ermöglicht. Dazu gehört eine breit geführte, öffentliche Debatte, das Hören von Pro- und Contra-Stimmen… Bei der Zwentendorf-Diskussion wurden bestimmte Gutachten nicht nur der Bevölkerung, sondern auch z.B. den RegionalpolitikerInnen wie dem niederösterreichischen Landeshauptmann vorenthalten. Man kann daraus lernen, dass solche Gutachten irgendwann dennoch ans Tageslicht kommen und man besser gleich die Öffentlichkeit mit einbezieht. Im Kreisky-Archiv habe ich einmal einen Brief gesehen, wo die Besitzerin eines Steinbruchs der Regierung ihr Grundstück für die Lagerung von Atommüll anbietet – denn der Steinbruch sei sechzehn Meter tief und daher mehr als ausreichend, und außerdem müsse es ja niemand wissen. Ich möchte mich nicht über diese Person lustig machen – das sei nur als Beispiel gedacht, was passiert, wenn die Informationen über die tatsächlichen Auswirkungen von Atomenergie und Atommüll fehlen.


Literatur

128/366: Lob von Hans Dichand

Lob von Hans Dichand für den "Planet".

Lob von Hans Dichand für den “Planet”.

Der “Planet”, die Zeitschrift für politische Ökologie der Grünen Bildungswerkstatt, wurde 1997 begründet. Der damalige Obmann Wilfried Graf holte Rückmeldungen aus der Medienwelt ein. Der “Krone”-Herausgeber Hans Dichand antwortete am 23. Juni 1997: “Die Zeitung nähert sich meinen Vorstellungen von einer Partei der Grünen; klar der Umwelt verpflichtet und nicht vergilbten marxistischen Vorstellungen”.

2010 wurde der gedruckte “Planet” eingestellt, die “Krone” gibt es noch 😉


//zitat// Sehr geehrter Herr Graf,

da Sie mich freundlicherweise eingeladen haben, Ihnen meine Meinung über die von Ihnen geplante Zeitung “planet” zu sagen, tue ich dies um so lieber, als ich wirklich überrascht bin, wie einfach und klar die grafische Gestaltung ist. Das Layout zeichnet sich durch besondere Kreativität aus. Der Inhalt ist Diskussion, ein Stück weg von der Partei. Das ist richtig erkannt worden – die Zeit der Partei-Gazetten ist längst vorüber. Da es viele kompresse und längere Texte gibt, sollte die Grundschrift auf diesen Seiten etwas größer gewählt werden. So ist das Lesen vielleicht doch ein wenig mühevoll. Insgesamt möchte ich sagen, die Zeitung nähert sich meinen Vorstellungen von einer Partei der Grünen; klar der Umwelt verpflichtet und nicht vergilbten marxistischen Vorstellungen.

Alles Gute und Gruß nach vorne! //zitatende//

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