Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Monat: Mai 2016 (Seite 3 von 4)

132/366: Volksgruppen im ORF: grüner Erfolg

Bericht des Zehnten Bundeslandes 1989

Bericht des Zehnten Bundeslandes 1989

1989 legte das “Zehnte Bundesland”, die Vertretung der anerkannten Volksgruppen und ethnischen Minderheiten, einen Bericht an den grünen Bundesausschuss in Salzburg vor und verweist auf einen grünen Erfolg: “Die Initiativen für die Einführung von Volksgruppen-TV-Sendungen hatten ihren Ursprung im Informationszentrum  der Österreichischen Volksgruppen. Ein Gesetzesantrag von Karel Smolle auf Änderung des Rundfunkgesetzes, wonach Volksgruppensendungen im Programmauftrag des ORF enthalten sein sollten, und die Volksgruppen auch ihren Vertreter im Kuratorium und im Hörer-und-Seher-Beirat haben
sollten, hat den Stein ins Rollen gebracht”.


// Es erscheint notwendig,  einleitend einige Anmerkungen  zur Organisationsstruktur des nach dem Parteistatut eingerichteten zehnten Bundeslandes “Ethnische Minderheiten” anzubringen.

Die Struktur des zehnten Bundeslandes “Ethnische Minderheiten” unterscheidet sich insofern von der Struktur anderer Landesorganisationen als sie keine Landesversammlung und keine gewählten Vorstand haben; dies aus mehreren Gründen:

1.)  Es bestehen große Unterschiede in der Organisationsstruktur der einzelnen in Österreich lebenden Volksgruppen. Als einzige  österreichische Volksgruppe verfügen die Kärntner Slowenen über ein eigenes parteipolitisches Gebilde, die Kärntner Einheitsliste/Koroška enotna lista. Die anderen Volksgruppen sind ausschließlich in überparteilichen Vereinen organisiert. Eine Organisationsstruktur des  zehnten  Bundeslandes  “Ethnische Minderheiten”, die jener in anderen Bundesländern entsprechen würde,  könnte nur erreicht werden, wenn auch die anderen ,Minderheiten ähnlich den Kärntner Slowenen über eine parteipolitische Struktur verfügen würden. Ansätze zur Gründung einer solchen parteipolitischen Struktur im Burgenland (Südburgenländische Kroaten und Burgenländische Ungarn) hat es nach der letzten Nationalratswahl 1986 mit Einzug von Karel Smolle ins Parlament gegeben, doch hat sich damals die Landesorganisation Burgenland für eine Integration der Angehörigen der Burgenländischen Kroaten und Burgenländischen Ungarn in die Grüne Alternative Burgenland ausgesprochen. Diese Entscheidung war, wie die Landtagswahlergebnisse von Burgenland und Kärnten zeigen, falsch. Während der Stimmenanteil im Burgenland in den gemischtsprachigen Gemeinden nicht über dem Landesdurchschnitt lag, muß für Kärnten festgestellt werden, daß der Stimmenanteil im zweisprachigen Gebiet sowohl bei den Nationalratswahlen 1986 als auch bei der letzten Landtagswahl weit über dem Landesdurchschnitt liegt. Weiterlesen

130/366: Europa: Von der Festung zum gemeinsamen Haus

Appuntamento con il futuro (1992)

Appuntamento con il futuro (1992)

Durch die frühen internationalen Kontakte der österreichischen Grünen haben wir im Archiv auch Publikationen und Archivmaterial aus anderen europäischen Ländern. Die italienischen Grünen luden im Dezember 1991 zu einer dreitägigen Versammlung zum Thema “L’appuntamento con il futuro: la conversione ecologica della società, dell’economia, della politica” (Verabredung mit der Zukunft. Die ökologische Transformation der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik). Ein. Themenblock trug den Titel “Obiettivo Europa: dalla fortezza alla casa comune” (Ziel Europa. Von der Festung zum gemeinsamen Haus). Eine Vision, die heute noch Bestand hat…

Wir bringen den einleitenden Beitrag von Paolo Bergamaschi, damals Sekretär der Koordination der Europäischen Grünen, dem Vorläufer der Europäischen Föderation Grüner Parteien (EFGP) bzw. der Europäischen Grünen Partei (EGP). Die anderen Beiträge können bei uns im Archiv gelesen werden 🙂


// Il tema di stamane è di carattere internazionale: il ruolo dei verdi in Europa e più in generale in tutte le questioni di ordine sovranazionale. Quando mi fu affidato il compito di predisporre una traccia per una discussione all’interno dei verdi italiani sulle questioni europee sovranazionali ho pensato di dare alcuni titoli che apparentemente sembrano ermetici e che vorrei spiegare in breve.

Il dibattito in atto fra i verdi europei sul futuro istituzionale dell’Europa e sul ruolo in particolare della Comunità europea parte da alcuni presupposti e idee che portano a far sì che la Comunità europea non debba essere intesa come la roccaforte del benessere, la “fortezza Europa”, come oggi viene spesso indicata. Ecco perché il titolo della sessione è “Obiettivo Europa: dalla fortezza alla casa comune”, affinché questo continente possa decollare a partire dalla Comunità europea la quale dovrebbe favorire un processo di estensione a tutta l’Europa. E veniamo ai tre sottotitoli. Weiterlesen

129/366: Zwentendorf – hätte man sich das nicht früher überlegen können?

“Hätte man das sich nicht früher überlegen können und lieber früher gestoppt anstatt es fertig zu bauen und somit mehr Steuergeld zu verschwenden?” – Diese Frage stellte uns vor einiger Zeit ein Schüler, der ein Referat über das AKW Zwentendorf halten sollte. Da wir gestern die Möglichkeit hatten, an einer Führung durch das AKW teilzunehmen, und auch einige optische Eindrücke mitgebracht haben, veröffentlichen wir heute im Blog unsere Antwort an den Schüler – etwas ausführlicher als “ja” – und freuen uns über Rückmeldungen und Ergänzungen dazu!

alle Bilder: Grünes Archiv/Monika Bargmann, CC-BY


Frage 1: Man weiß ja, dass das Atomkraftwerk in Zwentendorf sehr viel Steuergeld gekostet hat. Wie möchten Sie das den heutigen Steuerzahler bzw. die zukünftigen Steuerzahler (also uns Schüler) erklären, dass sie bzw. wir bis heute noch für das AKW zahlen müssen in Form von Steuergeld?

Antwort: Die Grünen als Partei haben damals noch nicht existiert und waren an der Entscheidung somit nicht beteiligt. Wir wollen uns damit nicht um eine Antwort drücken, schlagen aber einen Perspektivenwechsel vor: Bedenken Sie, was das Kraftwerk – finanziell, gesundheitlich, menschlich – gekostet hätte, wenn es in Betrieb gegangen wäre!

  • Betriebskosten – der Betrieb von Kernkraftwerken ist normalerweise mit einer kräftigen Subvention verbunden, die die gesamte Bevölkerung zwangsläufig mitfinanziert. Aktuelles Beispiel: Hinkley Point (UK), wo es um mehrere Milliarden Euro geht.
  • Kosten für den Abbau nach dem Ende der Laufzeit
  • Strahlung im regulären Betrieb –Umweltwissenschaftler wie Peter Weish weisen darauf hin, dass radioaktive Strahlung auch weit unter dem Grenzwert schädliche Einflüsse auf menschliche Zellen hat.
  • Unfallgefahr – Zwentendorf liegt in einer Erdbebenregion und ist damit ein besonders unsicherer Standort.
  • Grundwasserreserve –Selbst ein “kleiner” Atomunfall in Zwentendorf hätte weite Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung von ganz Ostösterreich gehabt, wenn nicht sogar – durch die Donau – weit darüber hinaus. Denken Sie an den Reaktorunfall von Tschernobyl, der Auswirkungen auf Österreich hatte, obwohl das Kraftwerk über tausend Kilometer entfernt ist.
  • Zwischenlager – es gab Verhandlungen, den Atommüll in Ländern des Nahen Ostens zwischenzulagern. Angesichts der politisch instabilen Lage, die in dieser Region heute herrscht, wäre das wohl keine gute Idee gewesen.
  • Ungelöste Frage des Endlagers –Es gibt heute weltweit kein Endlager für radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken. Die Frage, wo und wie man diese Abfälle sicher verwahrt, ist also vierzig Jahre später noch immer nicht geklärt. Diese Last hinterlassen wir unseren Urururur…enkeln und Urururur…enkelinnen. Wenn wir das mit den Kosten des nicht in Betrieb genommenen Baus vergleichen, finden wir, dass wir so besser ausgestiegen sind – auch wenn es natürlich besser gewesen wäre, es wäre erst gar nicht gebaut worden.

Frage 2: Nach dem Bau des Kraftwerkes entschied man sich, das Kraftwerk nicht in Gebrauch zu nehmen. Hätte man das sich nicht früher überlegen können und lieber früher gestoppt anstatt es fertig zu bauen und somit mehr Steuergeld zu verschwenden?
Frage 3: Glauben Sie nicht, dass der Staat Österreich bei diesem Projekt einfach versagt hat? Geben Sie mir recht? Wenn nicht, bitte mit Begründung?

Antwort: Mit dem Wissen der Nachwelt gesprochen: Ja, klar wäre viel besser gewesen, es gleich gar nicht zu bauen! Es war aber für unser Land und die Bevölkerung gut, dass ein schwerer Fehler eingesehen wurde – wenn auch deutlich später als wünschenswert. “Der Staat” als Gemeinschaft insgesamt hat meiner Einschätzung nach nicht versagt – ganz im Gegenteil, da war der Kampf gegen das AKW ein Meilenstein der BürgerInnenbeteiligung bzw. des Aufbegehrens der Bevölkerung gegen falsche Entwicklungen. Schließlich sind wir alle der Staat! Bei der Zwentendorf-Diskussion waren die finanziellen Mittel und die Kontakte zu den Medien zwischen AtomkraftgegnerInnen und AtomkraftbefürworterInnen sehr ungleich verteilt. Dennoch ist es gelungen, eine breite Basisbewegung in ganz Österreich auf die Beine zu stellen, in der verschiedenste Bevölkerungsgruppen – Mütter, Studierende, Gewerkschafter, Schülerinnen, Bauern… – vertreten waren. Der Konflikt war keiner zwischen “rechts” und “links”, sondern viel eher einer zwischen “oben” und “unten”. “Versagt” oder aus heutiger Sicht falsch gehandelt haben mehrere Personen und Organisationen. Dabei gibt es verschiedene Aspekte, die das nicht unbedingt “entschuldigen”, aber zumindest erklären könnten:

  • Die handelnden PolitikerInnen waren anfangs wohl falsch beraten bzw. durchschauten die Interessen, die hinter den Aussagen bestimmter Organisationen wie der Energiewirtschaft standen, nicht. Und wie es so ist, glaubt man eher den Personen, die das bestätigen, was man schon vorher geglaubt hat, bzw. hört man überhaupt nur das, was man hören will. Eine feste Meinung zu ändern, ist manchmal gar nicht so leicht.  Als die Nachteile dann immer offensichtlicher wurden, kam dann vielleicht eine große Portion Sturheit dazu – so stellt sich das jedenfalls für mich aus heutiger Sicht dar. Vor allem nach Tschernobyl war die Ablehnung der Atomkraft dann viel verbreiteter als in den späten 1970er Jahren.
  • Die Expertinnen und Experten, die für Gutachten engagiert wurden bzw. sich dann zu Wort meldeten, waren in vielerlei Hinsicht absolut gegensätzlicher Meinung. Fachlich unumstrittene ExpertInnen sprachen sich für die Atomkraft aus, kannten aber teilweise den konkreten Standort und seine schlechte Eignung gar nicht. Wenn der “Herr Professor” sagt, da kann nix passieren, warum sollte man ihm als Nicht-Expertin nicht glauben? Ob es dabei nur um unterschiedliche wissenschaftliche Denkschulen bzw. veraltete Herangehensweisen ging, ob sich manche Personen einfach weitere finanziell interessante Aufträge für Gutachten erwarteten oder was da sonst noch mitgespielt hat, darüber maße ich mir kein Urteil an.
  • Atomkraftwerke galten als umweltfreundliche Art der Energiegewinnung. Wenn man sich heute die Diskussion um die Bewältigung des Klimawandels bzw. Eindämmung der Erderwärmung ansieht, werden exakt die gleichen Argumente pro Atomkraft wie damals angeführt.
  • Für weite Teile der SPÖ und der Gewerkschaften stand die Schaffung von Arbeitsplätzen, die man mit Zwentendorf in Verbindung brachte, im Vordergrund. Das Waldviertel war und ist eine strukturschwache und wirtschaftsschwache Region, da erhoffte man sich eine dringend nötige Belebung.
  • Bundeskanzler Kreisky hat ja nicht mit einer Ablehnung gerechnet. Das Ergebnis war ja auch sehr knapp und sicher eine Überraschung.

Frage 4 : Bevor man den Bau des Kraftwerkes begonnen hätte, wäre es doch sinnvoll gewesen, den Bauplan bei der Gemeinde aufschlagen, damit sich die BürgerInnen informieren und danach hätte der Staat Österreich doch eine Abstimmung gefordert. Somit hätte man sich viel Steuergeld einsparen können. Stimmen Sie zu?

Gegenfrage: Was würden Sie dem bloßen Bauplan eines Kraftwerks entnehmen können? Ich meine damit, dass ein bloßes Auflegen eines Projektes, das so komplex ist und so weitreichende Folgen haben kann, auf den Gemeindeämtern keine qualifizierte Entscheidung ermöglicht. Dazu gehört eine breit geführte, öffentliche Debatte, das Hören von Pro- und Contra-Stimmen… Bei der Zwentendorf-Diskussion wurden bestimmte Gutachten nicht nur der Bevölkerung, sondern auch z.B. den RegionalpolitikerInnen wie dem niederösterreichischen Landeshauptmann vorenthalten. Man kann daraus lernen, dass solche Gutachten irgendwann dennoch ans Tageslicht kommen und man besser gleich die Öffentlichkeit mit einbezieht. Im Kreisky-Archiv habe ich einmal einen Brief gesehen, wo die Besitzerin eines Steinbruchs der Regierung ihr Grundstück für die Lagerung von Atommüll anbietet – denn der Steinbruch sei sechzehn Meter tief und daher mehr als ausreichend, und außerdem müsse es ja niemand wissen. Ich möchte mich nicht über diese Person lustig machen – das sei nur als Beispiel gedacht, was passiert, wenn die Informationen über die tatsächlichen Auswirkungen von Atomenergie und Atommüll fehlen.


Literatur

128/366: Lob von Hans Dichand

Lob von Hans Dichand für den "Planet".

Lob von Hans Dichand für den “Planet”.

Der “Planet”, die Zeitschrift für politische Ökologie der Grünen Bildungswerkstatt, wurde 1997 begründet. Der damalige Obmann Wilfried Graf holte Rückmeldungen aus der Medienwelt ein. Der “Krone”-Herausgeber Hans Dichand antwortete am 23. Juni 1997: “Die Zeitung nähert sich meinen Vorstellungen von einer Partei der Grünen; klar der Umwelt verpflichtet und nicht vergilbten marxistischen Vorstellungen”.

2010 wurde der gedruckte “Planet” eingestellt, die “Krone” gibt es noch 😉


//zitat// Sehr geehrter Herr Graf,

da Sie mich freundlicherweise eingeladen haben, Ihnen meine Meinung über die von Ihnen geplante Zeitung “planet” zu sagen, tue ich dies um so lieber, als ich wirklich überrascht bin, wie einfach und klar die grafische Gestaltung ist. Das Layout zeichnet sich durch besondere Kreativität aus. Der Inhalt ist Diskussion, ein Stück weg von der Partei. Das ist richtig erkannt worden – die Zeit der Partei-Gazetten ist längst vorüber. Da es viele kompresse und längere Texte gibt, sollte die Grundschrift auf diesen Seiten etwas größer gewählt werden. So ist das Lesen vielleicht doch ein wenig mühevoll. Insgesamt möchte ich sagen, die Zeitung nähert sich meinen Vorstellungen von einer Partei der Grünen; klar der Umwelt verpflichtet und nicht vergilbten marxistischen Vorstellungen.

Alles Gute und Gruß nach vorne! //zitatende//

127/366: Wienerwald – Grüne Lunge in Ruhe

127-wienerwald-todesanzeige

Parte für den Wienerwald (Grünes Archiv)

Die Grüne Alternative Wien schaltete “im Namen der Hinterbliebenen” diese Todesanzeige für weite Teile des Wienerwaldes.


//zitat// In tiefer Trauer geben wir Nachricht vom Ableben weiter Teile des Wienerwaldes
Grüne Lunge der Bundeshauptstadt i.R.
Verbesserer des Klimas i.R.
Liebgewordene Kulturlandschaft und Erholungsraum a.D.

Nach langem, geduldig ertragenem Siechtum versehen mit dem Zynismus verbaler Anteilnahme umweltmusterstädtischer Sonntagsreden und bis zuletzt aufrecht trotz toter Bäume, essigsaurer Böden, trotz illegaler Verhüttelung und Deponien, trotz verdreckter Bäche und Schäden des Forst- und Jagdunwesens ertrug er ohne zu klagen die Schadstoffe des Individualverkehrs, der Industrie, der Müllverbrennung und des Hausbrandes.

Er verschied an Ozon, Stickoxiden, Schwefeldioxiden, Fluorwasserstoffen und an den Umweltmusterstadtpolitikern, die nicht wissen wollen, was wir mit ihm verlieren. //zitatende//


Zum Weiterlesen:

126/366: Tschernobyl: Auch 1000 Kilometer sind nebenan

Scheiß auf Tschernobyl - Wackersdorf ist überall.

Scheiß auf Tschernobyl – Wackersdorf ist überall.

1987 am Titelbild der alternativen Zeitschrift “Netzwerk”: ein Bild einer Demonstration mit dem Slogan “Scheiß auf Tschernobyl – Wackersdorf ist überall”. Der Physiker Peter Bossew zog Bilanz über (fast) ein Jahr Atomkatastrophe: “Die Begriffe Entfernung und Nachbarschaft haben ihre Bedeutung etwas verändert”.


//zitat// Plötzlich hat man sinnlich und praktisch erfahren (wobei freilich die Sinnesorgane die Medien sind), was die Gescheiteren auch vorher theoretisch und im Kopf schon gewußt haben, nämlich daß auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse eintreten können. Die traditionell zu den Dümmeren zählenden Politikern haben geglaubt, und haben uns ihrer extrovertierten Natur entsprechend glauben machen wollen, ein Mal in (sagen wir) einer Million Jahren heißt: erst in einer Million Jahren; also wenn wir schon längst unter dem Rasen liegen. Die elementare Einsicht in die Wahrscheinlichkeitstheorie, daß es nicht so ist, hat Tschernobyl nun popularisiert. […]

Die Begriffe Entfernung und Nachbarschaft haben ihre Bedeutung etwas verändert. Waren für die Herren Experten bisher sensible, für den Katastrophenfall relevante Zonen von wenigen Kilometern Radius um ein AKW schon Zugeständnisse an die Hysterie der Atomgegner, hat das Publikum nun gelernt, daß auch 1000 Kilometer nebenan sein können. //zitatende//


Vorwort und Artikel zum Download: 126-netzwerk-ein-jahr-tschernobyl (PDF, 4 MB)

125/366: 5,5% für eine Bundespräsidentin Freda Meissner-Blau

125-melk-freda-bundespräsidentschaftswahl-2Heute vor dreißig Jahren, am 4. Mai 1986, kandidierte Freda Meissner-Blau für das Amt der Bundespräsidentin – als zweite Frau nach Ludovica Hainisch-Marquet im Jahr 1951. Jahrelange Warnungen der Grünen wurden durch die Atomkatastrophe von Tschernobyl Ende April 1986 bestätigt, und die Kandidatur der aus der SPÖ ausgetretenen, durch die Hainburg-Ereignisse prominent gewordenen Meissner-Blau bewirkte eine grüne Mobilisierung. Motto: “Beteiligen statt schlucken”.

Im ersten Wahlgang am 4. Mai 1986 erreichte Meissner-Blau 5,50% der Stimmen, wobei sie in Vorarlberg mit 10% und in Wien mit 8,2% am besten abschnitt. Dadurch wurde ein zweiter Wahlgang erzwungen, da der umstrittene ÖVP-Kandidat Kurt Waldheim mit 49,65% keine absolute Mehrheit erhielt. Dies gelang ihm erst im zweiten Wahlgang am 8. Juni mit 53,91% gegen den SPÖ-Kandidaten Kurt Steyrer. Daraufhin trat Bundeskanzler Fred Sinowatz zurück und wurde vom bisherigen Finanzminister Franz Vranitzky abgelöst.


125-melk-freda-bundespräsidentschaftswahl-1 In diesem Flugblatt der Grünalternativen Bürgerliste Melk erklärt Freda Meissner-Blau, warum sie für das Amt der Bundespräsidentin kandidiert:

//zitat// Damit das Schweigen und Taktieren durchbrochen wird und von den Kandidaten klare politische Ziele und Inhalte genannt werden.

Damit Unzufriedene ihre Proteststimme nicht einem Kandidaten geben müssen, dessen Erfolg im Ausland als Beweis für eine neue Braunfärbung Österreichs aufgefaßt würde [Kurt Waldheim, Anm.]

Damit all jene, die sich schon abgewandt haben, ermutigt werden. damit sie nicht resignieren, sondern eingreifen: ihre Lebensbedingungen nicht von Machern hinter verschlossenen Türen bestimmen lassen. Beteiligen statt schlucken.

Damit auch jene Frauen ermutigt werden, die sich – wie auch ich lange Zeit – nicht zutrauen, aktiv in der Gesellschaft zu wirken. Ihre Begabungen, ihr Zugang zur Politik fehlt uns allen. Weiterlesen

124/366: Österreichisch-ungarisches Friedenstreffen 1986

Friedenstreffen in Budapest.

Karikatur aus dem Bericht in der Netzwerk-Zeitung.

Kontakte von Friedensaktivistinnen und -aktivisten aus der Basis über die Blockgrenzen hinweg fanden in den 1980ern nicht allzu häufig statt. Die österreichischen Anti-Abfangjäger-AktivistInnen Traude Fasching, Hannes Hofbauer, Andrea Komlosy und Christof Parnreiter berichteten von ihrem Treffen mit Leuten vom ungarischen Friedensclub 4-6-0 im Jahr 1986. Erschienen in “Netzwerk” 4/1986, S. 15-17.


//zitat// Ein Wochenende im Frühsommer. Hitze über der Stadt. Eine kleine Gruppe von Menschen sitzt debattierend im Kreise – die Fenster der geräumigen Privatwohnung weit geöffnet. Es geht um Kriegsgefahr, Aufrüstung und Militarismus und was man dagegen unternehmen kann. Ein bekanntes Bild für jede/n Friedensaktivisten/in und wohl kaum einer besonderen Erwähnung wert.

Doch unsere Runde unterscheidet sich in einigen wichtigen Details von anderen x-beliebigen Friedenstreffen. Es ist ein Zusammentreffen österreichischer Anti-Abfangjägeraktivist/inn/en mit Mitarbeitern des ungarischen Friedensclubs 4-6-0. (Die Zahlen stehen für die Anzahl der Jahre, die der 1., der 2. sowie der zu verhindernde 3. Weltkrieg dauerte.) Ort des Geschehens: Das sommerliche Budapest. Ziel des Treffens: ein Erfahrungsaustausch über Friedensbewegungen und Probleme der Friedensarbeit in den beiden Ländern sowie die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme. Hinter der alltäglichen Zwanglosigkeit unserer Zusammenkunft verbergen sich eine Reihe unüblicher Dinge: Keineswegs gehört es zum Alltag “westlicher” oder “östlicher” Friedensaktivisten, mit Basisbewegungen jenseits der Blockgrenzen intensiven Austausch zu pflegen. Sicher, Friedenskontakte mit “Unabhängigen” des Ostens gehören zum Repertoire so mancher Prominenz des westeuropäischen Friedensestablishments. Unspektakuläre Zusammentreffen von Basisaktivisten sind hingegen äußerste Rarität. Das Treffen mit den 4-6-0-ern, die einzige überlebende ungarische Friedensgruppe mit kritischer Haltung zur offiziellen Friedensbürokratie und dennoch in ständiger Kooperation bzw. Abhängigkeit von dieser, war weder offiziell geplant worden, noch hatte es einen wie immer gearteten konspirativen Charakter. Es entspricht damit durchwegs der Arbeitsweise  des 4-6-0-Friedensclubs: den in den Ländern des “Ostblocks” kaum existenten Freiraum zwischen offizieller Friedenspolitik und oppositioneller Untergrundarbeit zu entdecken, auszuweiten und zu nutzen. 4-6-0 sitzt somit zwischen allen Stühlen, arbeitet öffentlich als unabhängige Gruppe und im Rahmen des offiziösen ungarischen Friedensrates zugleich und ist  damit sowohl dem ständigen Vereinnahmungsdruck von oben als auch der Kritik seitens der politischen Opposition ausgesetzt. Weiterlesen

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