Benjamin Hohlmann: esteli 226. Flickr, CC-BY-NC (2011)
Grünbewegte der ersten Stunden können sich sicher an ihn erinnern: den Solidaritätskaffee. Menschen aus den alternativen Bewegungen, vor allem die Dritte-Welt-Solidaritätsgruppen, wollten mit dem Kauf des Kaffees den Freiheitskampf der Bevölkerung von Nicaragua unterstützen. Das Problem: Der Solikaffee oder Nicakaffee war, um es höflich zu formulieren, keine kulinarische Offenbarung.
Die Hamburger Journalistin Gerlinde Geffers hat nachgefragt, “warum der Nicakaffee scheußlich schmeckte”, zwei Mitarbeiter der GEPA als Vorreiter auf dem Gebiet des fairen Handels haben geantwortet. Ihren Beitrag hat uns Geffers freundlicherweise für unser Blog zur Verfügung gestellt.
Warum der Nicakaffee scheußlich schmeckte
Zwei GEPA-Mitarbeiter können das erklären. Gerd Nickoleit importierte 1979 den ersten Soli-Kaffee aus Nicaragua. Hans Jürgen Wozniak berät Kleinbauern, damit sie besseren Kaffee produzieren.
Nica-Kaffee hat scheußlich geschmeckt. Warum haben die Leute ihn trotzdem getrunken?
Gerd Nickoleit: Es ging ja nicht um den Kaffee, es ging um Solidarität mit Nicaragua. Es gab eine große Bewegung in der alternativen Szene, die sagte damals: Wir müssen das Volk von Nicaragua in seinem Kampf gegen Somoza unterstützen. Nach El Triumpho, der Revolution im Juli 1979, wollten die Leute den Aufbau unterstützen. Einige sind sogar nach Nicaragua gereist, um den Leuten bei der Kaffeeernte zu helfen – ob das eine Hilfe war, ist eine andere Sache. Auf jeden Fall ging es um Solidarität mit einem Land, das aus eigener Kraft einen Weg gegen die USA eingeschlagen hatte und daraufhin von den USA boykottiert wurde. Zur Solidarität gehörte es daher, Produkte aus Nicaragua zu konsumieren, darunter Kaffee – eines der wichtigsten Produkte.
Wie haben Sie die Kontakte geknüpft?
Gerd Nickoleit: Anfangs haben wir uns an die staatliche Organisation Encafe gewandt, die nach der Revolution den Kaffeevertrieb verstaatlicht hatte. Ich bin im September nach der Revolution nach Nicaragua gereist und habe dort mit Ernesto Cardenal gesprochen. Der hat mir den Kontakt zu Encafe verschafft.
War Ihnen damals klar, wie schlecht der Kaffee schmeckte?
Gerd Nickoleit: Ich war überhaupt kein Kaffeeexperte. Heute weiß ich: Kaffee aus Nicaragua ist kein schlechter Kaffee, er hat nur einen hohen Säuregehalt. Für einen guten Kaffee wird er deshalb üblicherweise mit anderen Kaffees gemischt. Aber es ging ja um die Unterstützung von Nicaragua, deshalb konnte er nicht gemischt werden. Hinzu kam, dass aus Nicaragua anscheinend nach der Revolution alle Kaffeeexperten ins Ausland abgewandert waren und die Leute bei Encafe auch keine Fachleute waren. Wir hatten also auf beiden Seiten mehr guten Willen als Fachkenntnisse.
Sie haben erst Anfang der 90er Jahre angefangen, an der Qualität zu arbeiten. Warum so spät?
Gerd Nickoleit: Lange Zeit ging es gut, wir sahen überhaupt kein Problem. Der Handel der Gepa war eine Solidaritäts- und Bildungsgeschichte. Die Story vom Nica-Kaffee ist da sehr charakteristisch. Vor lauter Solidarität haben wir gar keine fachliche Rückmeldung gegeben. So bekamen wir auch nicht immer die beste Qualität. Die ist anscheinend nach Russland verschickt und von dort auf dem Weltmarkt verscheuert worden. So wurde Schritt für Schritt die Qualität des Kaffees auch noch schlechter – unabhängig vom hohen Säuregehalt. Schließlich sind bei der Verarbeitung noch zusätzliche Fehler gemacht worden. Hier kam auf einmal Kaffee mit überfermentierten Bohnen an. Der hat gestunken. Der war wirklich nicht mehr zu trinken. Ich habe dann einen Brief an Encafe geschrieben und gefragt: Leute, wie könnt ihr an uns, die wir doch so solidarisch sind, so einen Mistkaffee liefern? Die Antwort war: An wen denn sonst?
Das war zuviel.
Gerd Nickoleit: Genau. Bis dahin hatten wir uns auf der Solidaritätsschiene über Wasser gehalten. Aber dieser schlechte Kaffee hatte das Image der Gepa praktisch kaputt gemacht. Das war der Punkt, an dem die Gepa einen Kaffeeexperten eingestellt hat. Wir haben Druck gemacht und haben uns selbst erheblich verändert. Wir haben gelernt, dass Entwicklung auch etwas mit permanenter Verbesserung zu tun hat. Ohne Qualitätsprodukte haben weder die Kaffeebauern noch wir hier eine Chance. So sind wir umgeschwenkt vom alternativen Kaffee zum fairen Kaffee und zu Qualitätsprodukten. Weiterlesen
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