Seite 2 von 38
Schon 1983 setzte sich die Sozialistische Jugend für ein rot-grünes Wien ein, wie dieses Plakat aus der Sammlung Piet Grusch zeigt. Auf dem Programm der Veranstaltung am 16. April 1983 standen eine Diskussion mit Michael Häupl, Werner Faymann und Walter Stöckl (veranstaltet von der Jungen Generation und der Sozialistischen Jugend), Sologitarrenmusik von Ingrid Antoni Polaczek, ein Rockkabarett der Gebrüder Grimmig und das politische Kabarett “Humor gegen Hakenkreuz”.
Ob es sich um die Forderung nach einer Koalition oder einfach nach der Umsetzung grüner Ideen handelt, ist ungewiss – fand doch erst am 24. April 1983 jene Gemeinderatswahl statt, bei der die Alternative Liste erstmals in zehn Bezirksvertretungen einzog. Der Einzug in den Gemeinderat wurde allerdings mit 2,50 Prozent verfehlt.
Die “Meilensteine des Widerstandes” gegen die B3 fasst dieses Flugblatt des grünen Rathausklubs in Wien zusammen – die erwähnte Frau (Maria) Slama war eine engagierte Kleingärtnerin.
23. Februar 1973: Der Wiener Gemeinderat beschließt den Flächenwidmungsplan Nr. 5212, der eine neue Trasse der B3 zwischen Brünnerstraße und Donaufelderstraße, quer durch eine Kleingartenanlage, enthält.
Ab 1983: Der erste Widerstand von Bürgerinnen – zunächst getragen vom Kleingartenverein Donaufeld und der Hausgemeinschaft der neuen Wohnanlage Töllergasse 42 – beginnt mit Briefwechseln und Vorsprachen bei Politikern.
1987: In der Donaustadt, nahe der Bezirksgrenze zu Floridsdorf, entsteht die “Siedlergemeinschaft gegen die B3″.
13. April 1989: Das Wirtschaftsministerium verordnet laut §4 Bundesstraßengesetz den neuen Verlauf der B3.
19. JULI 1989: Erster öffentlicher „Lokalaugenschein” von B3-Gegnerinnen (weitere finden u.a.1991,1992 und 1996 statt). 1989/91: Anträge von Grün – Bezirksrat Gerhard Jordan in der Floridsdorfer Bezirksvertretung auf Verkehrsberuhigung des Bezirkszentrums ohne Bau neuer Straßen, auf Einführung eines Durchfahrverbots für LKW mit über 3,5 Tonnen Gewicht in den Straßenzügen Hermann-Bahr-Straße, Angererstraße und Patrizi-gasse sowie auf ein Überdenken der B3 wegen der geplanten Stadterweiterung im Donaufeld werden von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt.
30. November 1992: Eröffnung des vierspurigen B3 – Teilstücks zwischen Brünnerstraße und Leopoldauerstraße. Am Rande demonstrieren Bürgerinnern gegen den Weiterbau.
26. Februar 1993: Im “Bürgerforum Floridsdorf / Donaustadt STOPPT DIE B3!” schließen sich der Kleingartenverein Donaufeld, die Hausgemeinschaft Töllergasse 42, der Siedlerverein “Edelsteinsiedlung” (alle 21. Bezirk) und die Siedlergemeinschaft gegen die B3 (22. Bezirk) zusammen. Später kommen dazu: die Wohnanlage Satzingerweg 49 (bezogen 1995) und Carminweg 6 (bezogen 1997) im 21. und die “Vienna International School” im 22. Bezirk.
1. Juli 1993: Demonstration gegen die B3 von der U1-Endstelle Kargan zum Donaustädter Amtshaus (Kundgebungen bzw. Feste finden auch am 24. September 1993 im Gasthaus Paireder, am 15. April 1994 beim Rathaus und am 2. Oktober 1996 auf dem Franz-Jonas-Platz statt). Weiterlesen
Alain Lipietz prägte einen Ökologiebegriff mit, der über Naturschutz weit hinausgeht und danach fragt, wie Umwelt, Mensch und Gesellschaft zusammenhängen, berichtet unser Gastautor Stefan Wolfinger.
Ökologie mit Umweltschutz gleichsetzen? Für Alain Lipietz wäre das viel zu kurz gegriffen. Der französische Ökonom und ehemalige Sprecher der französischen Grünen befasste sich intensiv mit der Rolle der politischen Ökologie – einer Disziplin der Sozialwissenschaften, die sich mit den sozialen Ursachen von Umweltproblemen auseinandersetzt. Die Leitfrage dabei: Wie beeinflussen einander Umwelt, Menschen und Gesellschaft? 1998 gab die Grüne Bildungswerkstatt Lipietz‘ Werk “Grün. Die Zukunft der politischen Ökologie” in deutscher Sprache heraus – ein engagiertes Manifest für eine “grüne Alternative“ und für einen politischen Weg, mit dem sich Grünen von anderen Parteien unterscheiden sollten.
Wie Lipietz “politische Ökologie” definierte
Alain Lipietz sah den Ursprung der politischen Ökologie in der wissenschaftlichen Ökologie, den kritischen Sozialwissenschaften sowie den politischen Erfahrungen, die gesellschaftspolitisch “alternative” Bewegungen seit den 1970er Jahren gesammelt hatten. Ökologie ist somit nicht ausschließlich Umwelt- und Naturschutz, sondern umfasst auch soziale, historische, kulturelle und ökonomische Aspekte. Die politische Ökologie beurteilt die Beziehung zwischen Mensch und Natur nicht danach, “in welchem Maß es dem Menschen gelingt, die Natur zu beherrschen, sondern nach dem Respekt, den er sowohl anderen Menschen, den nachfolgenden Generationen wie auch den anderen Arten entgegenbringt”.
Respekt vor alternativen Handlungsmustern
Um die politische Ökologie näher definieren zu können, versucht Lipietz zunächst festzustellen, was heute im politischen Handeln “normal” und was “abweichend” ist. Das scheinbar Normale sei die Orientierung des politischen Handelns am Primat der Ökonomie, wenn nicht sogar die völlige Unterwerfung der Politik unter das wirtschaftlich Verwertbaren. Lipietz forderte Respekt gegenüber den von dieser “Normalität” abweichenden Handlungsmustern. Das sollte dazu führen, dass die Politik die Wirtschaft bestimmt und nicht umgekehrt. Der Autor war sich jedoch auch der Gefahr bewusst, dass dies – wie in den Staaten des ehemaligen Ostblocks – zu einem alles bestimmenden und unterdrückenden Staatsapparat führen kann. Damit das nicht geschieht, müssten entsprechende demokratische Maßnahmen gesetzt werden.
Ende des “Produktivismus” in einer “Nach-Wachstums-Gesellschaft”
Die “politische Ökologie” sollte dazu führen, neue Regeln in einer “Nach-Wachstums-Gesellschaft” zu etablieren, indem der sogenannte “Produktivismus” überwunden wird. Produktivismus bezeichnet ein Organisationssystem des wirtschaftlichen Lebens, bei dem die Produktion und die Produktivität die wesentlichen Ziele sind. Mit diesem Begriff war es möglich, sowohl den Kapitalismus westlicher Prägung als auch den vor 1989 noch “real existierenden Sozialismus” des Ostblockes zu kritisieren. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme tendieren laut Lipietz die meisten grünen PolitikerInnen zur Ansicht, dass Produktivismus und Kapitalismus dasselbe sind. Weiterlesen
Der Dezember 1984 in Hainburg war ein wichtiges Datum für die Umwelt- und Grünbewegung.
Anfang Dezember 1984 erteilte Landwirtschaftsminister Günther Haiden, der schon ein Jahr zuvor Hainburg zum “bevorzugten Wasserbau” erklärt hatte, die Rodungsbewilligung. Am 8. Dezember zogen rund 8.000 Menschen in Form eines Sternmarsches mit anschließender Kundgebung in die Au, und die ersten BesetzerInnen richteten sich ein. In den folgenden Tagen stieg deren Zahl auf einige tausend. Zeltlager wurden errichtet, Barrikaden aus Baumstämmen gebaut.
Rodungsversuche, begleitet von der Gendarmerie, fanden am 10., 11. und 17. Dezember statt. Unterbrochen wurden diese Versuche von ergebnislosen Verhandlungen zwischen dem Komitee des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens und der unter dem Druck von DOKW und ÖGB stehenden Bundesregierung. Am Morgen des 19. Dezember wurden bei einem brutalen Polizeieinsatz in der Au über 100 AuschützerInnen verletzt. Am selben Nachmittag demonstrierten in Wien rund 40.000 Menschen gegen das Vorgehen der Regierung und gegen den Kraftwerksbau. Am 22. Dezember verkündete Bundeskanzler Fred Sinowatz unter dem Druck der öffentlichen Meinung und einiger einflussreicher Medien einen “Weihnachtsfrieden”. Tausende Menschen verbrachten die folgenden Feiertage in der Au.
Weihnachtsmette in der Stopfenreuther Au
“Wir wollen ein Zeichen setzen, ein Licht der Hoffnung anzünden, für alle Österreicher, von Vorarlberg bis Stopfenreuth”.
Am 24. Dezember wurde zur Weihnachtsmette in die Stopfenreuther Au geladen.
Eine genauere Chronik gibt es auf www.30-jahre-hainburg.at/Aubesetzung.
Minderheiten, Menschenrechte, Justizpolitik: Wie die grüne Burgenlandkroatin Terezija Stoisits vernachlässigte Themen ins Parlament brachte. Ein Beitrag von unserem Gastautor Stefan Wolfinger.
Für eine Parlamentarierin einer Oppositionspartei scheint es in Österreich fast unmöglich zu sein, direkten Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Dass frau mit Beharrlichkeit und Leidenschaft dennoch erfolgreiche Politik machen kann, allen Anfeindungen zum Trotz, das bewies Terezija Stoisits in ihrer über sechzehnjährigen Tätigkeit als Nationalratsabgeordnete. Das Buch “Das unermüdliche Bohren harter Bretter” dokumentiert ihre politische Arbeit von 1990 bis 2007.
Stoisits gelang es immer wieder, dass vernachlässigte Themen auch im Nationalrat aufgegriffen wurden. Minderheiten, Menschenrechte, Justizpolitik und Österreichs Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit bildeten die Politikfelder, in denen die Juristin ihre ganz spezielle, persönliche Kompetenz entwickelte.
Einsatz für Minderheiten
Die Burgenlandkroatin begann jede ihrer Reden im Parlament mit der Begrüßung “Dobar dan, poštovane dame i gospodo” – “Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren”. Diese zweisprachige Anrede war Programm: Einer ihrer ersten politischen Erfolge war es, dass 1992 in Oberwart ein zweisprachiges, das heißt deutsch-kroatisches Gymnasium errichtet wurde. Auch das sogenannte “Minderheitenschulgesetz” von 1994 enthält Elemente aus dem Gesetzesentwurf der Grünen. Es gewährt der ungarischen und der kroatischen Volksgruppe im Burgenland das Recht, ihre Sprachen als Unterrichtssprachen zu gebrauchen oder als Pflichtgegenstand zu erlernen. Mit großer Beharrlichkeit wies Stoisits darauf hin, dass zweisprachige Ortstafeln ein wichtiges Symbol für den Umgang mit Minderheiten in Österreich darstellen. Zu einem großen Teil ist es der Hartnäckigkeit der Abgeordneten zu verdanken, dass im Burgenland im Jahr 2000 schließlich kroatisch-deutsche Ortstafeln aufgestellt wurden, während in Kärnten die Debatte über slowenisch-deutsche Tafeln noch lange weiterlief.
Stoisits betrieb zudem kontinuierlich politische “Lobbyarbeit” für Sinti und Roma. Dieses Engagement trug wesentlich zu deren politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Achtung bei und führte schlussendlich zur Anerkennung als österreichische Volksgruppe. Weiterlesen
Ein Fundstück aus dem Nationalratswahlkampf 1994. Spitzenkandidatin war Madeleine Petrovic.
Um die Wahlvorfreude zu genießen, bitte ich zum Fest für Madeleine. Wir werden unser Bestes geben. Unser Tiroler Klubobmann wird vierstimmig singen, die Untouchables werden musizieren und ich werde in einer hübschen Laudatio die längst erwartete Wahlempfehlung abgeben. Dazwischen werden Nationalratskandidaten Häppchen reichen.
Peter Pilz, Bundessprecher
Ein Fest für Madeleine
Donnerstag, 6. Oktober 1994, 20.00 Uhr
Aera, Gonzagagasse 11, 1010 Wien
The Untouchables Georg & Die Melody Boys und Überraschungsgäste
Diese Einladung ist Ihre persönliche Eintrittskarte für zwei Personen und daher bitte mitzubringen.
Als zwei grüne Gemeinderät_innen aus Wien die Baustelle der Staustufe Freudenau, eines Donaukraftwerks, besichtigen wollten, stießen sie auf unerwartete Hindernisse… Ein Bericht aus der Zeitschrift “Impuls grün”.
Äußerst fürsorglich von Weißen Mäusen bewacht begann eine Exkursion, welche die beiden GA-Gemeinderäte [Hannelore] Weber und [Günter] Kenesei gemeinsam mit Wissenschaftlern zur Baustelle der Staustufe Freudenau führte. Ziel des Ausflugs sollte das Aufzeigen der Bedrohung diverser Tier- und Pflanzenarten durch den Kraftwerksbau sein. Das an sich noch öffentliche Gebiet war jedoch bereits mit Bauzaun und Männern der Wach- und Schließgesellschaft abgesichert worden, die der Gruppe das Betreten des Geländes verweigerten. Auch die Fähre zur Donauinsel erwies sich plötzlich als “eingestellt.” Selbst dem Klubjuristen der Grünen wurde der Zutritt gewaltsam verwehrt.
Diese vorsorglichen Maßnahmen der “Donaukraft“, die anscheinend ein zweites Hainburg verhindern will, wurden von den anwesenden Journalisten mit Verwunderung verfolgt. Zur begleitenden Aktion der Polizei meinte Präsident Bögl sichtlich verärgert: “Ich habe das nicht angeordnet, ich bin fuchsteufelswild!”
“Alles Recht geht vom Volk aus, aber es kehrt nicht zu ihm zurück”, schrieben Günter Schobesberger und Monika Langthaler in der Zeitschrift “Impuls grün”. Betrachtungen über Mitspracherechte und Direkte Demokratie.
Alles Recht geht vom Volk aus…
von Günter Schobesberger
Niemand in Österreich ist wirklich rechtlos. Es gibt aber, was den Zugang aller zum Recht betrifft, so vielfältige Ungleichheiten, daß wir unsere Rechtsordnung weder als gerecht noch als demokratisch bezeichnen können.
Viele Mitspracherechte sind käuflich. Sie sind mit Sachen meist so verbunden, daß man Eigentümer oder Besitzer dieser Sachen sein muß, um in verwaltungsrechtlichen Bewilligungsverfahren Einwendungen machen zu dürfen. Als Parteienrecht ist diese Form der Mitsprache nur etwas für Besitzende.
Dazu ein Beispiel. Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren für das Kraftwerk Hainburg konnten nur die etwas vorbringen bzw. einwenden, die im fraglichen Gebiet ein Wasserrecht besaßen. Das taten drei Bauern, die dort Brunnen haben. Sie waren als Parteien im Verfahren übergangen worden. Als ihre Einwendungen und Berufungen mit negativen Bescheiden von der Behörde abgewiesen wurden, brachten sie beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde ein. Trotzdem hat es die Aubesetzung gebraucht, daß das Kraftwerk nicht gebaut wurde, und die drei Bauern zu ihrem Recht kamen. Gerechtigkeit war in diesem Fall also auch eine Frage der Zeit, weil die Baumaschinen der DoKW ohne Behinderung geschwinder gewesen wären als die Richter des Verwaltungsgerichtshofes.
Diese Form der Mitsprache auf dem Amtsweg durch Einwendungen, Berufungen, Stellungnahmen und Anträge kostet außer Bundesstempelmarken praktisch nichts. Dagegen sind Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof, die nur von Rechtsanwälten eingebracht werden können, sehr teuer, und in letzter Konsequenz ist auch so eine Bürgerbeteiligung nur etwas für Leute mit Geld. Vor Amt können Besitzende eine öffentliche Sache zu ihrer eigenen machen und den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums auch für Zwecke der Bürgerbeteiligung nutzen. Das Kaufen eines Stückes Land kann so zu einer wichtigen politischen Aktion werden, und “Schutzkäufe” hat es deshalb schon immer gegeben. Wer nichts besitzt und trotzdem in öffentlichen Angelegenheiten mitsprechen möchte, ist in Österreich auf die Grundrechte und Mittel der direkten Demokratie angewiesen. Weiterlesen
Ein Nachtrag zum Nikolaustag am 6. Dezember: der Klagenfurter Gemeinderat Gerald Hugo Hahn als Nikolaus.
Hahn verstarb im Jahr 2005 im 76. Lebensjahr. In einem Nachruf aus der Klagenfurter Stadtzeitung vom Juni 2005 heißt es: “Durch seinen Tod verliert die Stadt einen engagierten Menschen und Politiker. Hahn, ein Grüner der ersten Stunde, setzte sich als Gemeinderat immer für die Sorgen und Nöte vor allem der nicht so begüterten Mitbürger ein. Sein Stimmverhalten richtete er nach sachlichen Erfordernissen und seinen eigenen Überzeugungen”. 2003 hatte er eine eigene Liste gegründet, den Einzug in den Gemeinderat aber nicht mehr geschafft.
Neueste Kommentare