Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Schlagwort: Bund (Seite 12 von 16)

Nationalrat, Bundesrat, Bundespräsidentschaft, österreichweite Gremien der Grünen

95/366: Willi Gföhler: Angstfreie Lebens- und Lernschule

Der Kremser Uhrmachermeister und Jurist Willi Gföhler war von 7. November 1994 bis  14. Jänner 1996 Nationalratsabgeordneter der Grünen. Über seine Arbeit im Grünen Klub als Bildungs-, Jugend- und Kultursprecher unterhielt sich Anni Lesnik für die Zeitschrift “Basis” (Ausgabe Mai 1995) mit ihm: “Das Ziel ist eine humane, demokratische und angstfreie Lebens- und Lernschule!”


Der niederösterreichische Nationalratsabgeordnete Willi Gföhler über seine ersten 150 Tage im Parlament.

Er ist auch oft mit Mascherl zu sehen, hat aber sonst mit dem neu gekürten ÖVP-Obmann wenig Gemeinsames: der niederösterreichische Abgeordnete Mag. Willi Gföhler. Über seine Arbeit im Grünen Klub sagt er: “Es macht mit jedem Tag mehr Spaß.” FotografIn nicht angeführt.

BASIS: Grüne Bildungs-, Jugend- und Kulturpolitik war bisher ein parlamentarisches “Stiefkind”. Wie wirst Du Deine Funktion beleben?

GFÖHLER: Derzeit kämpfe ich tatsächlich mit dem Problem, als nahezu “Unbekannter” diese drei vernachlässigten Bereiche öffentlichkeitswirksam umzusetzen. Erschwert wurde mein parlamentarischer Beginn durch eine sofort einsetzende Schuldebatte. Überdies stand mir, im Gegensatz zu allen anderen Abgeordneten im Grünen Klub, bis 1. Februar kein Fachreferent bzw. Fachreferentin zur Verfügung. Zunächst werden wir Medienkontakte und eine interne Datei für spezifische Aussendungen an Interessierte aufbauen, sowie sämtliche Bundesländer bereisen.

BASIS: Welche Vorstellungen bringst Du ein? Wo siehst Du Deine Arbeitsschwerpunkte?

GFÖHLER: Im Schulbereich ist die für Schulgesetze notwendige Zweidrittelmehrheit zu hinterfragen. Durch eine verstärkte Schulautonomie und die Förderung des nicht-staatlichen Schulwesens unter bestimmten Rahmenbedingungen -allgemeine Zugänglichkeit und Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention – könnte diese ohnehin obsolet werden. Wir Grünen treten für eine gemeinsame Schule der Sechs- bis Fünfzehnjährigen ein, Das heißt: Aufhebung der Trennung von Hauptschulen und AHS, Integration von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache und Integration behinderter Kinder auch im Sekundarschulbereich. Dies sollte auch zu einer einheitlichen universitären Ausbildung der Lehrkräfte führen. Der noch unter Busek angekündigten Trennung der Lehrpläne von Hauptschulen und AHS muß mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. Denn gerade im ländlichen Bereich ist die Hauptschule meist “Gesamtschule” und so würde diesen Schülern und Schülerinnen der Umstieg in die Oberstufe einer AHS drastisch erschwert werden. Bedenkt man, daß 44 Prozent der Maturanten ehemalige Hauptschüler sind, zeigt sich, wie grotesk Buseks Ankündigungen sind. Der zehnprozentige Selbstbehalt für Schulbücher und Freifahrten wurde selbstverständlich von den Grünen abgelehnt. Sinnvoll wäre eine Schulbuchautonomie. Die Schulen erhielten danach die Beträge angewiesen und könnten selbst entscheiden, welche und wieviele Bücher sie kaufen, bzw. ob sie einen Bücherladen führen wollen. Eingesparte Gelder werden für den Ankauf anderer Unterrichtsmaterialien verwendet. Damit könnte der Wegwerfmentalität entgegengewirkt werden. Weitere Reformbereiche werden sein: Das Recht der Schüler und Schülerinnen auf einen humanen Arbeitsplatz, die Abschaf-fung des leistungsdifferenzierten Unterrichts in Hauptschulen, die Einführung von “team-teaching”, eine Reform der Leistungsbeurteilung, der Ausbau von Mitsprache- und Mitentscheidungsmöglichkeiten von Schülern, Eltern und Lehrern, die Trennung der Direktorenfunktionen sowie deren Wahl auf Zeit. Außerdem muß es zu einer Reform des polytechnischen Lehrganges und der Lehrlingsausbildung kommen. Das Ziel ist eine humane, demokratische und angstfreie Lebens- und Lernschule! Weiterlesen

94/366: Mit Mehrheit abgelehnt

Titelblatt der Broschüre "Mit Mehrheit abgelehnt"(Grünes Archiv)

Titelblatt der Broschüre “Mit Mehrheit abgelehnt” (Grünes Archiv, Inventarnr. 256)

“Die Ignoranz und Arroganz, mit der unsere Arbeit oft bedacht wurde, war kaum zu überbieten”, resümierte der grüne Klubobmann Andreas Wabl im Vorwort zur Broschüre “Mit Mehrheit abgelehnt” (unten im Volltext). In diesem Heft werden grüne Anträge und Anfragen aus der ersten Zeit im Parlament aufgelistet – ein bemerkenswertes Spektrum. Und seine Vorgängerin Freda Meissner-Blau fasste zusammen: “Unzählige Anträge der Grünen waren dazu angetan, die Misere an ihren Wurzeln zu packen. Abgelehnt! Schauen sich die Herrschaften nie in den Spiegel?”


//zitat// Mit dieser Zusammenstellung grüner Anträge, Zusatzanträge und Abänderungsanträge liegt nicht nur ein guter Querschnitt grüner parlamentarischer Arbeit vor, sie gibt auch Auskünfte über den Zustand unserer Demokratie. Die Ignoranz und Arroganz, mit der unsere Arbeit oft bedacht wurde, war kaum zu überbieten. Viele Ausschußverhandlungen verkamen zu Solospielen der grünen Abgeordneten, weil die Mitglieder anderer Fraktionen ihr Verhandlungsergebnis bereits paktiert hatten. Allerdings täuscht diese undemokratische Vorgangsweise der Großparteien über die dennoch wichtige Einflußnahme grüner Politik in vielen gesellschaftlichen Bereichen hinweg. Das oft sinnentleerte Ritual der Ausschüsse im Parlament wurde durch ein kurzfristiges Aufflackern interessanter Debatten und Diskussionen durchbrochen, und die in Hinterzimmern der Sozialpartnerschaft konstituierten Gesetzestexte zeigten manchmal doch Facetten, die die Reste des Selbstwertgefühls mancher Abgeordneten aufleben ließen. Grüne Ideen und Anträge wurden und werden zwar meist in der ersten Phase als unrealistisch abgetan, fanden und finden sich dann aber plötzlich als tagespolitische Heldentaten auf den Titelseiten der Zeitungen wieder. Durch umfassende grüne Anträge ist es auch gelungen, in vielen gesellschaftlichen Bereichen Diskussionen zu verstärken, die bisher im Schatten der Ministerialbürokratie dahinvegetierten.

Grünes Antidiskriminierungsgesetz

Illustration zum Antidiskriminierungsgesetz aus der Broschüre "Mit Mehrheit abgelehnt".

Illustration zum Antidiskriminierungsgesetz aus der Broschüre “Mit Mehrheit abgelehnt”.

Das grüne Antidiskriminierungsgesetz (ADG) wurde ein wichtiger Beitrag zur Emanzipationsdiskussion, gerade im Zusammenhang mit den ständigen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Österreicherinnen. Mit dem Umweltschädenhaftpflichtgesetz, dem wohl umfassendsten Gesetzesantrag aus “grüner Werkstatt”, ist uns ein wichtiger Beitrag zur ökologischen Entwicklung unserer Industriebereiche gelungen [Die Referate und Diskussionen von der Enquete der Grünen zum Thema “Haftung und Pflichtversicherung für Umweltschäden” im Juli 1991 liegen im Grünen Archiv vor, Anm.]. Dieses Gesetz beabsichtigt eine Verteuerung bis Verunmöglichung umweltbelastender, umweltriskanter und umweltschädigender Produktionsverfahren. Ökologisches Wirtschaften soll nicht durch Beamtenkontrolle, sondern durch effektive Versicherungskontrolle erreicht werden. Da eine Verbesserung der ökologischen Bedingungen und des Umweltzustandes untrennbar mit der demokratischen Frage verknüpft ist, waren wir bemüht, vor allem die Bürgerbeteiligung und die Rechte des Einzelnen zu verbessern. Insbesondere der Zugang zu Informationen ist Voraussetzung für wirksames Einschreiten einzelner Bürgerinitiativen und Gruppen. Die Regierung hat jedoch ihr Versprechen eines umfassenden Bürgerbeteiligungsgesetzes gebrochen. Weiterlesen

92/366: erster Migrant im Bundesrat

Efgani Dönmez (2011). Foto: Parlamentsdirektion / WILKE

Bundesrat Efgani Dönmez (2011). Foto: Parlamentsdirektion / WILKE

Heute vor acht Jahren, am 1. April 2008, rückte der türkisch-stämmige Sozialarbeiter und Flüchtlingsbetreuer Efgani Dönmez aus Gmunden für den ausscheidenden oberösterreichischen Bundesrat Franz Breiner nach. Er war damit der erste Bundesrat mit Migrationshintergrund. In seiner Amtszeit sorgte er durch kontroversielle Aussagen, vor allem was Migration und Asylwesen betrifft, für Kritik vor allem auch aus den eigenen Reihen, aber auch für viel Zuspruch.

Im Oktober 2015 wurde Dönmez vom Landesvorstand der oberösterreichischen Grünen nicht mehr als Bundesrat gewählt. Ihm folgte der 28jährige Innviertler David Stögmüller nach. Dönmez schrieb damals auf seiner Facebook-Seite:

//zitat// Bei den Grünen gibt es Veranstaltungsformate die Querdenker heißen, aber Querdenker in den eigenen Reihen sind, unerwünscht. Ich war und bin zweifelsohne ein kritischer Zeitgeist mit einer eigenen Meinung und Haltung, die auf Fakten beruht. Diese Charakterzüge sind zweifelsohne nicht förderlich für eine politische Karriere, unabhängig davon bei welcher Partei. Ich war nicht der Erste und werde auch nicht der Letzte sein, welcher bei den Grünen sein Mandat, trotz Engagement und Geradlinigkeit beenden muss.

Das Leben geht weiter, mit oder ohne politisches Mandat. Ich werde mich weiterhin für die Werte und Haltungen einsetzen, welche für eine offene Gesellschaft stehen, ohne die Feinde einer offenen Gesellschaft dabei zu übersehen oder schön zu reden, unabhängig davon, ob ich im Parlament vertreten bin oder nicht.//zitatende//

Peter Pilz kommentierte ebenfalls auf Facebook: “Ich hätte statt Effi lieber den Bundesrat abgeschafft. Aber der bleibt.”

91/366: Grüne Standortbestimmung auf dem Bundeskongress

Vor zwanzig Jahren, vom 29. bis zum 31. März 1996, fand in Linz der 14. Bundeskongress der Grünen statt. Neben einer Diskussion zum Thema “Grüne Standortbestimmung” wurden die Bundesfunktionen neu gewählt. Neuer Bundessprecher wurde der Wiener nicht-amtsführende Stadtrat Christoph Chorherr, Bundesgeschäftsführerin wurde die Nationalratskandidatin von 1995, Ulrike Lunacek. Der neue Bundesvorstand bestand weiters aus Thomas Blimlinger (Finanzreferent), Silvia Buschenreiter, Franz Klug, Gabriela Moser und Johannes Voggenhuber. Vom Parlamentsklub wurde Madeleine Petrovic, von der Grünen Bildungswerkstatt Doris Pollet-Kammerlander in den Bundesvorstand entsandt.

Außerdem wurde die Liste für die Europaparlamentswahl gewählt: Sie wurde von Johannes Voggenhuber und der Wiener Gemeinderätin Hannelore Weber angeführt.

88/366: Ich habe nicht koaliert – Grünzeux-T-Shirts

eine kleine Auswahl an Grünzeux-T-Shirts aus dem Grünen Archiv. Bild: Monika Bargmann, CC-BY

eine kleine Auswahl an Grünzeux-T-Shirts. Bild: Grünes Archiv/Monika Bargmann, CC-BY


Bis 2014 konnten im Grünzeux-Shop in der Wiener Lindengasse T-Shirts, Taschen und andere Gimmicks erworben werden. Darauf gedruckt waren verschiedenste Sprüche zu Kampagnen oder Wahlkämpfen der Grünen, zu aktuellen politischen Ereignissen  oder zu Aussagen der politischen Gegner_innen – von “Global Warming – ich war dabei” über “Ich habe nicht koaliert” bis “Seit Schüssel haben wir den Salat”. Im Grünen Archiv haben wir in den letzten Jahren eine große Auswahl an diesen T-Shirts in den Bestand übernommen. Wir geben sie aber nicht mehr her 😉

87/366: Grüne Frauen: Frei und wild, kein Freiwild

“Wir sind frei und wild, kein Freiwild” war der Titel des ersten grünen Frauenprogramms. In ihrem Text zum 25jährigen Bestehen der Grünen Frauen Wien ging Maxie Klein zu den Anfängen der grünen Frauenorganisation zurück. Dafür interviewte sie Ingrid Gurtner, Eva Hauk, Elfi Schuh und Hedi Spanner-Tomsits.


Cover der 2013 erschienenen Broschüre "25 Jahre feministische Politik" (Grünes Archiv, Inventarnr. 185)

Cover der 2013 erschienenen Broschüre “25 Jahre feministische Politik” (Grünes Archiv, Inventarnr. 185)

Wie alles begann – der Aufbruch der 1980er Jahre

Die Geschichte der Frauenorganisation beginnt gleichzeitig mit der Geschichte der Grünen. 1982 schafften es bei der Nationalratswahl weder die Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) noch die Alternative Liste (AL) ins Parlament. Dies war – gemeinsam mit der Besetzung der Donauauen in Hainburg – der Anstoß zur Grünen Einigung.

Im Zuge der langwierigen Einigungsprozesse kam es zum Treffen zwischen den beiden Organisationen und so auch zur Vernetzung von feministischen Positionen, die zusätzliches Futter von Frauen aus der alternativen Bewegung bekamen. Dabei ging es diesen Feministinnen nicht nur um frauenpolitische Anliegen, sondern auch um die Berücksichtigung von Frauen im Einigungsprozess und beim Aufbau Grüner Strukturen.

1986 stellte Gexi Tostmann der sich formierenden Grünen Frauengruppe die Räumlichkeiten zur Verfügung, die davor schon Freda Meissner-Blau als Wahlkampfzentrale für ihre Kandidatur als Bundespräsidentin dienten. Am 3. Oktober 1986 kam es in der Nacht vor der berüchtigten offenen Landesversammlung der Grünen Alternativen Sammlung – Freda Meissner-Blau erlitt dort einen Herzanfall – zur Gründung der Grünen Frauenorganisation.

8 Frauen

Vorkämpferinnen wie Eva Hauk, Elfi Schuh oder Hedi Spanner-Tomsits ist es zu verdanken, dass bei erwähnter Landesversammlung eine Mindestparität bei Listenwahlen und Grünen Funktionen beschlossen wurde. Dass es noch lange dauerte, bis diese umgesetzt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Im ersten Parlamentsklub war Freda Meissner-Blau noch die einzige Frau unter 7 Männern. Im Jahr darauf kandidierten Renate Bahr, Gabi Fröhlich, Susanne Moidl, Hedi Spanner-Tomsits und Claudia Strasser auf einer Frauenliste für den Landesvorstand. Vor dieser Wahl wurde allerdings das Statut so geändert, dass keine Kandidaturen als Liste, sondern nur als Einzelperson möglich waren. Von der Frauenliste schaffte es nur Hedi Spanner-Tomsits in den Landesvorstand.

Teilorganisation mit Geld

Die Frauenliste und dahinter stehende Forderungen führten immerhin zu einer Anerkennung als Teilorganisation, die jedoch erst 1988 mit Budget ausgestattet wurde. Ende der 1980er wurde Elfi Schuh als Vertreterin der Grünen in den Frauenausschuss von Johanna Dohnal entsendet. Die Ergebnisse dieser Treffen waren geheim, und weil sich das mit der basisdemokratischen Ausrichtung der FO nicht vereinbaren ließ, wurde die Teilnahme der Grünen Frauen beendet.1987 wurde unter dem Titel “Wir sind frei und wild, kein Freiwild” das erste Frauen-Programm von Jutta Sander, Elfi Schuh und Hedi Spanner-Tomsits erstellt. Viele der Forderungen von damals sind auch heute noch aktuell, einige wenige konnten umgesetzt werden.

Der steinige Weg

“Frauen aus dem damaligen Wiener Landesvorstand diskutierten mit uns, ob wir als Gruppe überhaupt existieren dürften. Viele meinten, unsere Gruppe sei ein ‘Ghetto’, in dem sich Frauen einriegeln und ihre Qualitäten und ihr Engagement so für die Grüne Partei verlorengehen”, schreibt Ingrid Gurtner 1992 in “Brot und Rosen”. Und obwohl in den späten 1980ern bereits der erste Bundesfrauenkongress mit über 200 Teilnehmerinnen aus allen Bundesländern stattfand, wurde die Gründung einer österreichweiten Frauenorganisation von vielen abgelehnt. Der Kampf um Geld und Anerkennung zehrte aus. Viele feministische Frauen verließen daraufhin die Partei. Die Frauenorganisation schrumpfte auf 5 Frauen. Diese kleine Gruppe versuchte die feministischen Forderungen trotzdem innerhalb der Partei sichtbar zu machen und sie in der Zeitung “Brot und Rosen” zu verbreiten. Geld aus der Partei gab es dafür keines und so wurde diese Arbeit von der Bildungswerkstatt finanziert.

81/366: “Normale Politik ist uninteressant geworden”. Der Auhirsch im Gespräch

Cover des "Wurzelwerk" Juni 1984

Cover des “Wurzelwerk” Juni 1984 (Grünes Archiv)

“Ich gehe in die Hainburger Au, mache die Augen auf, schaue sie an, höre die Vogerln singen und bin auch schon ein Fachmann in der Frage: darf dies zerstört werden, ja oder nein, und meine fachmännische Antwort ist nein”. Der Herausgeber der alternativen Zeitschrift “Wurzelwerk”, Robert Weninger,  sprach 1984 mit “Auhirsch” Günther Nenning (1921-2006) – “kein beinhartes Interview, sondern ein Gespräch unter Gleichgesinnten” über Hainburg, das Konrad-Lorenz-Volksbegehren und vieles mehr.


Grünspan an Rothirsch

//zitat// Wurzelwerk: Wie wird man Präsident der Journalistengewerkschaft, wie bleibt man es?

Nenning: Ja, g’fangen haben sie mich so: Sie haben gemeint, es kommt ein Depperter aus der Provinz, und mit dem kann man machen, was man will. Die Provinz war Graz und das Jahr war 1960.

Wurzelwerk: Wie bleibt man es?

Nenning: Indem man nicht deppert ist. Das heißt, das Komische ist, daß ein Roter es so lange ist in einer mehrheitlich nicht roten Gewerkschaftssektion. Die Antwort ist: sehr viel Arbeit und Gehirnschmalz. Und das Erfrischende – du mußt im Leben ja auch Freude haben – sind die Kampfwahlen.

“Du mußt im Leben ja auch Freude haben”

Alle 4 Jahre tritt einer gegen mich an. Ein-mal ein Roter, einmal ein Schwarzer, einmal ein Unabhängiger und das 26 Jahre lang. Das hält jung.

Wurzelwerk: Kompliment. Du hast dich in den letzten Jahren eines zunehmenden Grünengagements befleißigt, da war die “Sonne”, da gab es Filme, da gibt es Bücher, dann in zunehmendem Maß in der letzten Zeit – wahrscheinlich auch schon früher, nur bin ich da nicht so informiert – radikalinitiatives Engagement, der Begriff radikal – wir verstehen ihn…

Nenning: Radikal heißt bis hinunter zum Wurzelwerk, radex Wurzel.

Günther Nenning im "Wurzelwerk". UrheberIn: unbekannt

Günther Nenning im “Wurzelwerk”. UrheberIn: R. Glattau

Wurzelwerk: Du bist in zunehmendem Maß eine Integrationsfigur, nicht nur parteipolitische Grenzen, verkrustete Strukturen aufbrechend, überschreitend. Das zeigt sich jetzt insbesondere an, kristallisiert sich jetzt vor allem in Hainburg heraus. In Österreich ist es ja bedauerlicherweise immer so, daß sich an einem immer alle aufhängen, überspitzt gesagt. Wie schaut das für dich aus und: Zusatzfrage, warum halten sich die Jusos da heraus?

Nenning: Also: ich bin ein wirklicher Fachmann in diesen Dingen, ich gehe in die Hainburger Au, mache die Augen auf, schaue sie an, höre die Vogerln singen und bin auch schon ein Fachmann in der Frage: darf dies zerstört werden, ja oder nein, und meine fachmännische Antwort ist nein. Das ist sozusagen der Kern der Sache. Wenn es darum geht, dann sind mir halt alle Parteien, Verbände und -ismen wenigar wichtig als das Raufen darum, daß das nicht zerstört wird. Es hat auch eine politische Seite, die Seite ist, daß in immer mehr Gegenden ebensolche erstklassige Fachmänner aufwachsen, die in die Natur hineinschauen und sagen, das darf nicht zerstört werden. Ich arbeite sozusagen an einem Syndikat, GIAP (Grüne innerhalb und außerhalb der Parteien), und in der Hainburgsache oder genauer, – denn das Volksbegehren geht ja über Hainburg hinaus, – in diesem Konrad Lorenz-Volksbegehren kommt das heraus: Schwarze Grüne, rote Grüne, blaue Grüne, Vereinte Grüne, Alternativ-Grüne. Weiterlesen

77/366: Kritik an Zersiedelung – im Jahr 1952!

Franz Schuster: Ökonomie und Schönheit in der Ortsentwicklung (1952)

Franz Schuster: Ökonomie und Schönheit in der Ortsentwicklung – Kritik an Zersiedelung aus dem Jahr 1952.

“Die wilde, ungeordnete, planlose Verbauung unserer Gemeinden ist nicht nur baukulturell und landschaftlich verwerflich, sie bringt den Gemeinden und jedem einzelnen auch ernste wirtschaftliche Nachteile”, konstatierte der Architekt Franz Schuster beim 8. österreichischen Städtetag. Sein Beitrag “Ökonomie und Schönheit in der Ortsentwicklung” wurde im Amtsblatt der Stadt Wien vom 2. Jänner 1952 abgedruckt. Schon vor über sechzig Jahren wurden die Zersiedelung und die Bodenversiegelung durch falsche Raumordnung kritisiert – traurig, dass sich daran nicht viel geändert hat…


//zitat// Die wilde, ungeordnete, planlose Verbauung unserer Gemeinden ist aber nicht nur baukulturell und landschaftlich verwerflich, sie bringt den Gemeinden und jedem einzelnen auch ernste wirtschaftliche Nachteile. Gutes Bauernland wird immer öfter der ernährungswirtschaftlich wichtigen Bearbeitung entzogen und die willkürliche Einzel- und Streifenparzellierung, zufällig dort, wo ein Grundstück gerade verkauft wird, erfordert kostspielige Aufschließungen an Straßen, Licht, Wasser, Kanal usw., ganz abgesehen davon, daß die Bewohner solcher Streusiedlungen weite Wege zur Arbeitsstätte, Schule, zu den Läden und zu den öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen der Gemeinde haben. Zwischen solchen im Weichbild der Städte und Dörfer planlos hingewürfelten Bauten und Hausgruppen liegt aber oft jahrzehntelang Bauland brach, weil es zur rechten Zeit und zum rechten Zweck nicht zur Verfügung steht, da die Besitzer es nicht verkaufen. So entsteht jene wirtschaftlich ganz gefährliche Entwicklung, daß Bauwillige, die in der Nähe des Ortes keinen Baugrund finden oder nur zur unbillig hohen Preisen, immer weiter in die landwirtschaftliche Umgebung hinausgedrängt werden, wo doch gelegentlich ein Bauer, der den Schaden nicht übersieht, der dadurch der Landschaft und Umgebung entsteht, Streifen Landes billig hergibt.

Diese überall sichtbare Auflösung unserer Gemeinden ist aber zugleich ein äußeres Bild der Auflösung der menschlichen Gemeinschaft selbst: je weiter weg vom Ortskern und je einsamer einer wohnt, desto mehr löst er sich aus der gemeindlichen Zusammengehörigkeit, desto stärker wird ein asoziales Empfinden gefördert. //zitatende//


der gesamte Text zum Download: 077-amtsblatt-1952-schuster-ortsentwicklung (PDF, 5 MB). Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, Signatur B-25107)

76/366: Waldsterben: Sie spielen das Lied vom Tod

Waldsterben. Sie spielen das Lied vom Tod: Kraftwerke, Verkehr, Industrie, Hausbrand.

Sie spielen das Lied vom Tod: Kraftwerke, Verkehr, Industrie, Hausbrand.

Ein Skelett spielt auf einer österreichförmigen Gitarre das Lied vom Tod. Es steht fürKraftwerke, Verkehr, Industrie und Hausbrand.

Dieses Inserat für das “Salzburger Forderungsprogramm zur Rettung des Waldes” ist in der Ausgabe Mai 1984 von “Wurzelwerk. Zeitschrift für Umwelt und Innenleben” erschienen.

Viele von uns erinnern sich noch an die Diskussion über das Waldsterben, an den “Sauren Regen” und das “Lamettasyndrom”. Mit dem Energiesparen sieht es vielleicht nicht gar so gut aus, die meisten im Inserat erwähnten Forderungen – von der Rauchgasreinigung bis zum bleifreien Benzin – wurden aber tatsächlich umgesetzt. Wohl auch deswegen resümierte die deutsche Zeitschrift “Spektrum der Wissenschaft” jüngst in einem Artikel zur Frage “Was wurde aus dem Waldsterben?“:

“Kritiker werfen ihm [dem Forstwissenschaftler Bernhard Ulrich, Anm.] und anderen Warnern daher vor, sie hätten damals grundlos die Apokalypse prophezeit. Dagegen lässt sich einwenden, dass die Debatte um das Waldsterben rasch zu deutlichen Fortschritten bei der Luftreinhaltung geführt hat”. Bernhard Ulrich war der erste Wissenschaftler, der vor großflächigen Waldschädigungen warnte. Weiterlesen

75/366: Green thinking for global linking. Freda spricht in Schweden

Einladung zum internationalen Kongress "Green thinking, global linking"

Der Kongress “Green thinking, global linking” fand von 28. bis 30. August 1987 in Stockholm statt. Die 118-seitige Broschüre befindet sich im Grünen Archiv.

“Green is the societal answer to the dangers of existential destruction and to the new miseries of our time” (Freda Meissner-Blau). Die schwedischen Grünen, die miljöpartiet de gröna, organisierten im August 1987 “Green thinking for global linking”, einen internationalen grünen Kongress in Stockholm, an dem über dreihundert Personen aus drei Kontinenten teilnahmen: “It showed the world that we are many, we are serious, we belong to a global movement and our issues are being responded to in one country after another”, lautete das Resümee in der  Broschüre zur Tagung. Aus Österreich nahmen Andrea Binder, Christian Burtscher, Doris Eisenriegler, Helga Erlinger, Ali Gronner, Gerhard Jordan, Freda Meissner-Blau, Werner Moidl und Christian Wabl teil.

Freda Meissner-Blau nahm an einem Panel zur Frage “Does a green ideology exist?” teil. Ihre Wortmeldung ist in der Broschüre abgedruckt und mit einigen handschriftlichen Anmerkungen oder Korrekturen versehen – wir können aber nicht mehr rekonstruieren, ob das stilistische Anregungen zur gehaltenen Rede oder Korrekturen des abgedruckten Texts sein sollen 😉


//zitat// Dear European green friends! I am looking forward to the day we can address a conference like this one with “Dear INTERNATIONAL GREENS!” Oecause we need to extend internationally. As the environmental destruction, catastrophies, their causes and their repercussions increasingly become global, our resistance and our alternative projects to the crisis have to become world-wide. Instead of a nuclear chain reaction we have to build up a chain of opposition to their irrationality.

Before we enter the discussion about ideology permit me a personal remark: Austria, my country, has lately attracted attention due to 2 facts: Firstly, we paid ourselves the dubious luxury of having a President, who is a big embarrassment. We, the Greens, managed to prevent his being elected at the first election round, but could not prevent him alltogether – a fact a considerable number of Austrians seem to regret today.

Austria: safest nuclear reactor in the world

The other fact is a more encouraging one: as like to express it – and as you might know – Austria is the country with the safest nuclear reactor, with the only truly safe nuclear reactor in the world. Safe, because it never started up, because the Austrian people said No thanks to nuclear energy at a referendum in 1978 . Nuclear energy is banned ever since for the production of energy in our country. Why do I mention this? Because the man who spoke to us at noon, Hannes Alfvén, helped us, the anti-nuclear movement of Austria, to get the message across to the people that atomic weapons and nuclear energy are siamese twins. Time and again he came to our country to explain, to warn, to lecture. So you see, Sweden has played an up till now unknown part in the fact that Austria is a nuclear-free country. This is a beautiful example of the kind of green internationalism I claimed at the beginning… Weiterlesen

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