Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Autor: Grünes Archiv (Seite 31 von 38)

Das Grüne Archiv ist die Gedächtnisinstitution der grünen Bewegung und eine Serviceeinrichtung der Grünen Bildungswerkstatt für Grünbewegte, ForscherInnen und alle anderen Interessierten.

77/366: Kritik an Zersiedelung – im Jahr 1952!

Franz Schuster: Ökonomie und Schönheit in der Ortsentwicklung (1952)

Franz Schuster: Ökonomie und Schönheit in der Ortsentwicklung – Kritik an Zersiedelung aus dem Jahr 1952.

“Die wilde, ungeordnete, planlose Verbauung unserer Gemeinden ist nicht nur baukulturell und landschaftlich verwerflich, sie bringt den Gemeinden und jedem einzelnen auch ernste wirtschaftliche Nachteile”, konstatierte der Architekt Franz Schuster beim 8. österreichischen Städtetag. Sein Beitrag “Ökonomie und Schönheit in der Ortsentwicklung” wurde im Amtsblatt der Stadt Wien vom 2. Jänner 1952 abgedruckt. Schon vor über sechzig Jahren wurden die Zersiedelung und die Bodenversiegelung durch falsche Raumordnung kritisiert – traurig, dass sich daran nicht viel geändert hat…


//zitat// Die wilde, ungeordnete, planlose Verbauung unserer Gemeinden ist aber nicht nur baukulturell und landschaftlich verwerflich, sie bringt den Gemeinden und jedem einzelnen auch ernste wirtschaftliche Nachteile. Gutes Bauernland wird immer öfter der ernährungswirtschaftlich wichtigen Bearbeitung entzogen und die willkürliche Einzel- und Streifenparzellierung, zufällig dort, wo ein Grundstück gerade verkauft wird, erfordert kostspielige Aufschließungen an Straßen, Licht, Wasser, Kanal usw., ganz abgesehen davon, daß die Bewohner solcher Streusiedlungen weite Wege zur Arbeitsstätte, Schule, zu den Läden und zu den öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen der Gemeinde haben. Zwischen solchen im Weichbild der Städte und Dörfer planlos hingewürfelten Bauten und Hausgruppen liegt aber oft jahrzehntelang Bauland brach, weil es zur rechten Zeit und zum rechten Zweck nicht zur Verfügung steht, da die Besitzer es nicht verkaufen. So entsteht jene wirtschaftlich ganz gefährliche Entwicklung, daß Bauwillige, die in der Nähe des Ortes keinen Baugrund finden oder nur zur unbillig hohen Preisen, immer weiter in die landwirtschaftliche Umgebung hinausgedrängt werden, wo doch gelegentlich ein Bauer, der den Schaden nicht übersieht, der dadurch der Landschaft und Umgebung entsteht, Streifen Landes billig hergibt.

Diese überall sichtbare Auflösung unserer Gemeinden ist aber zugleich ein äußeres Bild der Auflösung der menschlichen Gemeinschaft selbst: je weiter weg vom Ortskern und je einsamer einer wohnt, desto mehr löst er sich aus der gemeindlichen Zusammengehörigkeit, desto stärker wird ein asoziales Empfinden gefördert. //zitatende//


der gesamte Text zum Download: 077-amtsblatt-1952-schuster-ortsentwicklung (PDF, 5 MB). Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung, Signatur B-25107)

76/366: Waldsterben: Sie spielen das Lied vom Tod

Waldsterben. Sie spielen das Lied vom Tod: Kraftwerke, Verkehr, Industrie, Hausbrand.

Sie spielen das Lied vom Tod: Kraftwerke, Verkehr, Industrie, Hausbrand.

Ein Skelett spielt auf einer österreichförmigen Gitarre das Lied vom Tod. Es steht fürKraftwerke, Verkehr, Industrie und Hausbrand.

Dieses Inserat für das “Salzburger Forderungsprogramm zur Rettung des Waldes” ist in der Ausgabe Mai 1984 von “Wurzelwerk. Zeitschrift für Umwelt und Innenleben” erschienen.

Viele von uns erinnern sich noch an die Diskussion über das Waldsterben, an den “Sauren Regen” und das “Lamettasyndrom”. Mit dem Energiesparen sieht es vielleicht nicht gar so gut aus, die meisten im Inserat erwähnten Forderungen – von der Rauchgasreinigung bis zum bleifreien Benzin – wurden aber tatsächlich umgesetzt. Wohl auch deswegen resümierte die deutsche Zeitschrift “Spektrum der Wissenschaft” jüngst in einem Artikel zur Frage “Was wurde aus dem Waldsterben?“:

“Kritiker werfen ihm [dem Forstwissenschaftler Bernhard Ulrich, Anm.] und anderen Warnern daher vor, sie hätten damals grundlos die Apokalypse prophezeit. Dagegen lässt sich einwenden, dass die Debatte um das Waldsterben rasch zu deutlichen Fortschritten bei der Luftreinhaltung geführt hat”. Bernhard Ulrich war der erste Wissenschaftler, der vor großflächigen Waldschädigungen warnte. Weiterlesen

75/366: Green thinking for global linking. Freda spricht in Schweden

Einladung zum internationalen Kongress "Green thinking, global linking"

Der Kongress “Green thinking, global linking” fand von 28. bis 30. August 1987 in Stockholm statt. Die 118-seitige Broschüre befindet sich im Grünen Archiv.

“Green is the societal answer to the dangers of existential destruction and to the new miseries of our time” (Freda Meissner-Blau). Die schwedischen Grünen, die miljöpartiet de gröna, organisierten im August 1987 “Green thinking for global linking”, einen internationalen grünen Kongress in Stockholm, an dem über dreihundert Personen aus drei Kontinenten teilnahmen: “It showed the world that we are many, we are serious, we belong to a global movement and our issues are being responded to in one country after another”, lautete das Resümee in der  Broschüre zur Tagung. Aus Österreich nahmen Andrea Binder, Christian Burtscher, Doris Eisenriegler, Helga Erlinger, Ali Gronner, Gerhard Jordan, Freda Meissner-Blau, Werner Moidl und Christian Wabl teil.

Freda Meissner-Blau nahm an einem Panel zur Frage “Does a green ideology exist?” teil. Ihre Wortmeldung ist in der Broschüre abgedruckt und mit einigen handschriftlichen Anmerkungen oder Korrekturen versehen – wir können aber nicht mehr rekonstruieren, ob das stilistische Anregungen zur gehaltenen Rede oder Korrekturen des abgedruckten Texts sein sollen 😉


//zitat// Dear European green friends! I am looking forward to the day we can address a conference like this one with “Dear INTERNATIONAL GREENS!” Oecause we need to extend internationally. As the environmental destruction, catastrophies, their causes and their repercussions increasingly become global, our resistance and our alternative projects to the crisis have to become world-wide. Instead of a nuclear chain reaction we have to build up a chain of opposition to their irrationality.

Before we enter the discussion about ideology permit me a personal remark: Austria, my country, has lately attracted attention due to 2 facts: Firstly, we paid ourselves the dubious luxury of having a President, who is a big embarrassment. We, the Greens, managed to prevent his being elected at the first election round, but could not prevent him alltogether – a fact a considerable number of Austrians seem to regret today.

Austria: safest nuclear reactor in the world

The other fact is a more encouraging one: as like to express it – and as you might know – Austria is the country with the safest nuclear reactor, with the only truly safe nuclear reactor in the world. Safe, because it never started up, because the Austrian people said No thanks to nuclear energy at a referendum in 1978 . Nuclear energy is banned ever since for the production of energy in our country. Why do I mention this? Because the man who spoke to us at noon, Hannes Alfvén, helped us, the anti-nuclear movement of Austria, to get the message across to the people that atomic weapons and nuclear energy are siamese twins. Time and again he came to our country to explain, to warn, to lecture. So you see, Sweden has played an up till now unknown part in the fact that Austria is a nuclear-free country. This is a beautiful example of the kind of green internationalism I claimed at the beginning… Weiterlesen

74/366: Doris Pollet-Kammerlander rückt in den Nationalrat nach

Heute vor zwanzig Jahren, am 14. März 1996, rückte Doris Pollet-Kammerlander für Johannes Voggenhuber, der sich endgültig für den Verbleib im Europaparlament entschieden hatte, als Nationalratsabgeordnete nach. Die Soziologin und geschäftsführende Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt war bereits vom 7. November 1994 bis zum 14. Jänner 1996 als Abgeordnete im Parlament gewesen. Sie war Frauen- und außenpolitische Sprecherin der Grünen.

Ihr politisches Engagement startete sie als stellvertretende Vorsitzende der HochschülerInnenschaft an der Universität Wien und von 1983 bis 1986 als Gemeinderätin der Alternativen Liste in Graz.

73/366: Platzkarten im Amtshaus

Ein interessanter Neuzuwachs im Grünen Archiv ist die Presseunterlage zum Jubiläum “Ein Jahr Grüne in der Wiener Bezirksvertretung” (1988). Aus jedem Bezirk kam ein Bericht – teilweise einfach die grünen Anträge aus dem ersten Jahr, teilweise aber auch längere Berichte, die zeigen, wie die Grünen von den anderen Fraktionen aufgenommen wurden. So viel sei verraten: Die Erfahrungen sind ähnlich. Die einzelnen Berichte werden in den nächsten Wochen in diesem Blog veröffentlicht. Den Beginn macht die Floridsdorfer Bezirksrätin Flora Neuberger mit ihrer Bilanz über das erste Jahr: “Jahrelang saß ich so gut wie allein, mit den Journalisten der kommunalen Blätter, in der Besucherreihe. Seit dem Einzug der Grünen ins Amtshaus müssen Platzkarten ausgegeben werden”.


handschriftlicher Bericht. Der Floridsdorfer Bezirksvorsteher erklärte der grünen Bezirksrätin Flora Neuberger ihre Aufgabe.

Der Floridsdorfer Bezirksvorsteher erklärte der grünen Bezirksrätin Flora Neuberger ihre Aufgabe.

//zitat// Am 8. November 1987 erreichte die “Grüne Alternative Floridsdorf” bei der Bezirksvertretungswahl 2.382 Stimmen (4,31%) und zwei Mandate. Seit der Angelobung Mitte Dezember 1987 ist ein Jahr vergangen – was hat sich im Bezirk geändert?

Ein Jahr Arbeit im Bezirksparlament – mit Erfolg?  Gemessen an den schwierigen Bedingungen unter der Regentschaft von Bezirkskaiser Landsmann antworte ich mit “Ja”! Denn bis zum Herbst 1987 waren bei den Bezirksvertretungssitzungen kaum Interessenten zu finden. Jahrelang saß ich so gut wie allein, mit den Journalisten der kommunalen Blätter, in der Besucherreihe.

Seit dem Einzug der Grünen ins Amtshaus müssen Platzkarten ausgegeben werden. Wer keinen Einlaß findet, kann am Gang mittels Lautsprecher zuhören. In früheren Sitzungen gab es nur wenig Anfragen und Anträge, auf echte Debatten wartete man vergebens. Reibungslos wurden fertige Konzepte abgestimmt. Auch das ist inzwischen anders geworden. Auf Wortmeldungen der Grünen muß spontan reagiert werden. Und es wird spürbar, daß die Bezirksräte der Großparteien nicht nur gegen den Wunsch der Bezirksbewohner, sondern sogar gegen ihre eigene Überzeugung argumentieren müssen. Die wenigen Bezirksrätinnen der Etablierten dürfen sich nur selten zu Wort melden. Liegt das an der Konkurrenzangst der Männer vor den meist engagierteren Frauen? Als Grüne genieße ich den Vorzug, – entsprechend der Verfassung! – meinem Gewissen und damit dem Bürger verantwortlich zu sein. Nicht dem Klubzwang einer Partei! Es gibt Bezirksräte, die mich um diese Freiheit beneiden. Es wäre eine Beleidigung meiner Intelligenz, wenn ich stumm bleiben und auf Befehl die Hand heben müßte. Diese Perversion nennen die Etablierten “demokratische Entscheidung”. Das wollen wir Grüne verändern. Dieser Stimmenmehrheit können wir aber nur mit Unterstützung von Bürgerinitiativen begegnen.

Logo der Grünen Floridsdorf - natürlich mit Floh.

Logo der Grünen Floridsdorf – natürlich mit Floh.

Im vergangenen Jahr habe ich Einblick in die Dichte und das Ausmaß von Parteiapparaten gewonnen. Das Rezept des großen Kuchens, an dem alle mitschneiden wollen, besteht aus folgenden Zutaten: krisensicherer Arbeitsplatz, Beziehungen und Privilegien. Wer ist schon bereit, auf so viel Annehmlichkeit zu verzichten? – Unsere “Volksvertreter’ vertreten uns längst nicht mehr. Sie sind zu disziplinierten Befehlsempfängern geworden. Sie stillen Interessen der Betreiber statt Bedürfnisse der Bürger.

Wir Grüne sind zu einer Sammelstelle von Bürgerinitiativen geworden, die aus Abwehr gegen undemokratische Entscheidungen zahlreich aus dem Boden wachsen. Die akute Gefährdung unserer Gesundheit macht jeden einzelnen zum Politiker und Betroffenen. Unsere Atemluft ist zum kostengünstigsten Abtransporter von Schadstoffen geworden, und unsere lebenswichtigen Gewässer sind bereits Spülmaschinen. Der “Selbstbedienungsladen Natur” wird immer kleiner. Das Schlimmste ist die Bedrohung. Das Zweitschlimmste ist die Resignation. Resignieren wir nicht! Politischer Mut und persönlicher Einsatz sind die letzte Chance, Krisen und Gefahren zu bannen. Jeder von uns trägt sein Stück Verantwortung an diesem System und an der tickenden Zeitbombe, die wir unseren Kindern hinterlassen. Dessen sollten wir uns bewußt werden. Wir alle! //zitatende//

72/366: 800 KandidatInnen für die Grüne Wirtschaft

Heute vor elf Jahren, von 12. bis 15. März 2005, kandidierte die Grüne Wirtschaft erfolgreich bei den bundesweiten Wirtschaftskammerwahlen. Die Vertretung der grünen UnternehmerInnen zog – außer im Burgenland – mit insgesamt dreizehn Mandaten in alle Landes-Wirtschaftsparlamente ein. Im Parlament der Bundes-Wirtschaftskammer erreichte die Grüne Wirtschaft erstmals drei Mandate (Volker Plass, Ruperta Lichtenecker, Fritz Kofler) und 4,46% der Stimmen. Die besten Landes-Ergebnisse wurden in Vorarlberg (18,66%), Wien (9,20%) und Oberösterreich (4,72%) erzielt. Erstmals stellten die Grünen (mit Fritz Kofler) auch den Vorsitzenden der größten Fachgruppe Österreichs, Unternehmensberatung & Informationstechnologie (UBIT) Wien. Außerdem wählte der Bundesfachverband Werbung trotz absoluter Mehrheit des Wirtschaftsbundes den Grünen Peter Drössler zum Obmann.

Presseaussendungen zur Wahl 2005 zum Nachlesen


Die Grüne Wirtschaft entstand 1999 und wurde im Frühjahr 2000 offiziell als Verein gegründet. Im März 2000 trat die Gruppe erstmals bei Wirtschaftskammerwahlen in Wien an und erreichte 5,7% der Stimmen und sechzig Fachgruppen-Mandate. Außerdem zogen zwei grüne MandatarInnen ins Wiener Wirtschaftsparlament ein. In den folgenden Jahren wurden in allen Bundesländern Ländergruppen aufgebaut.

71/366: Jute statt Plastik: Legendäre Marathonreden im Nationalrat

Lydia: "recycle jute bag". Flickr, CC-BY

Lydia: recycle jute bag. Flickr, CC-BY

“In der Nähe des Rednerpultes haben sich einige Gruppen von Abgeordneten gebildet, in denen in erregtem Ton über die Sitzungssituation diskutiert wird”, vermerkten die Parlamentsstenograph_innen. “Schuld” daran waren drei grüne Frauen. Gestern und heute vor 23 Jahren, am 10. und 11. März 1993, gingen Madeleine Petrovic, Monika Langthaler und Marijana Grandits mit Marathonreden, auch als “Filibuster” bekannt, in die Parlamentsgeschichte ein.

Um eine Änderung des Tropenholzgesetzes, mit der die Kennzeichnungspflicht von Tropenholzprodukten abgeschafft werden sollte, möglichst lange hinauszuzögern, nutzten die Politikerinnen bei einem der vorhergehenden Tagesordnungspunkte, einem Internationalen Abkommen über Jute, die fehlende Redezeitbeschränkung aus. So wurde der Punkt nicht wie erwartet rasch abgenickt: Grandits sprach fast fünf Stunden über die Bedeutung von Jute. Zwar wurde ein Antrag von SPÖ und ÖVP auf Schluss der Debatte mehrheitlich angenommen, jedoch durfte jede Fraktion noch eine Rednerin nennen, und so konnte sich Madeleine Petrovic noch zu Wort melden. Mit ihrer 10:35 Stunden dauernden Rede stellte Petrovic einen neuen Rekord im Nationalrat auf. Im Stenographischen Protokoll umfasst ihre Rede 74 Seiten. Daraufhin folgte noch eine Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler, die aus 102 Einzelfragen bestand und von Monika Langthaler fünfeinhalb Stunden lang vorgetragen und begründet wurde.

Übrigens: Sowohl der Rekord-Vorgänger als auch der Rekord-Nachfolger waren Grüne: Walter Geyer (1988 8:55 Stunden zum Luftreinhaltegesetz) bzw. Werner Kogler (2010 12:42 Stunden im Budgetausschuss).

Auf der Parlaments-Website ist dazu der ausführliche Bericht “Die lange Nacht im Hohen Haus” zu finden. Hier einige kurze Auszüge aus den Reden.


 jute-dry. Jutetrocknung in Indien

Vrindavan Lila: jute-dry. Flickr, CC-BY-SA

Marijana Grandits: Armut und ökologische Katastrophen

//zitat// Wir glauben, daß allgemein in diesem Bereich Rohstoffe, Weltwirtschaft, am konkreten Beispiel Jute, viel, viel mehr zu geschehen hat. Und mit dieser Frage möchten wir uns ein bißchen näher auseinandersetzen, weil ich persönlich glaube, daß das Beispiel Jute wirklich exemplarisch hergenommen werden kann, um ein System darzustellen, das zu Armut, zu ökologischen Katastrophen führt, und daß auch solche Ideen wie dieses Übereinkommen, die eventuell zur Stabilisierung von Preisen beitragen könnten, nur in ganz geringen Bereichen Abhilfe schaffen. Andererseits sehen wir, daß die Grundproblematik woanders liegt, daß sie viel, viel größer ist und daß wir grundsätzlich umdenken müssen und nicht mit solchen Übereinkommen Kosmetik betreiben dürfen. (Beifall bei den Grünen.) Es wird nämlich darauf ankommen, ob es uns gelingen wird, ein neues Denken einzuführen. Es wird für die Zukunft dieser Welt und für unsere eigene darauf ankommen, ob wir bereit sind, auf die realen Verhältnisse gerade im Rohstoffbereich, gerade im Bereich von Monokulturen, in Ländern wie Bangladesch und Indien, Rücksicht zu nehmen. Es wird darauf ankommen, ob wir bereit sind, auch unseren Lebensstil etwas zu ändern. Weiterlesen

70/366: Letzte Fragen an… Kaspanaze Simma

Das Interview “Letzte Fragen an… Kaspanaze Simma” wurde von Klaus Stimeder für das Monatsmagazin DATUM 10/2007 (*) geführt und wird hier mit freundlicher Genehmigung des DATUM-Chefredakteurs Stefan Apfl veröffentlicht.


Portraitphoto von Kaspanaze Simma: Mann mit weiß-grauem Vollbart und rotem Pullover

Kaspanaze Simma. Photo: Bella.la, 2009, CC-BY

//zitat// Kaspar Ignaz Simma (53) alias Kaspanaze Simma lebt mit seiner sechsköpfigen Familie als Selbstversorger auf seinem Bauernhof in der 2.300-Einwohner-Gemeinde Andelsbuch im Bregenzerwald in Vorarlberg. Der heutige Biobauer war eine der ersten Galionsfiguren der Grünen, die auch bundesweite Bekanntheit erlangten. 1984 schaffte er bei den Vorarlberger Landtagswahlen als erster Grüner den Einzug in einen österreichischen Landtag. Mit 13 Prozent und vier Mandaten feierte Simma an der Spitze der Wahlgemeinschaft von Alternativer Liste und Vereinten Grünen den für lange Zeit größten Erfolg der Grünen auf Landesebene (erst 2003 gelang den Tiroler Grünen mit 15,6 Prozent ein besseres Ergebnis).

Simma stammt aus einer streng katholischen Familie und engagierte sich zunächst im ÖVP-Bauernbund, bis er sich in den Siebzigern der aufkeimenden Ökologiebewegung und in weiterer Folge den Grünen anschloss. Nachdem sich die Vorarlberger Landesgrünen bis 1989 heftig zerstritten hatten, schaffte Simma als Kandidat der Vereinten Grünen Österreichs den Einzug ins Landesparlament nicht mehr – erst fünf Jahre später schaffte er die Rückkehr, aber zu diesem Zeitpunkt war sein Stern bereits verglüht. 1999 bewarb er sich noch einmal für ein Nationalratsmandat, scheiterte aber im Kampf um die Kandidatur in einem parteiinternen Ausscheidungsrennen. Seitdem hat er sich mit Ausnahme seiner Funktion als unabhängiger Gemeindevertreter in Andelsbuch aus der Politik zurückgezogen.

Herr Simma, in den Achtzigerjahren erlangten Sie als einer der Shootingstars der damals noch jüngen Grün-Bewegung bundesweite Bekanntheit. Heute sind Sie nicht mehr in der Politik und die grüne Parteispitze steht in der Kritik der eigenen Funktionäre. Wie geht es Ihnen, wenn Sie diese Diskussionen verfolgen?

Das Problem mit der heutigen Parteispitze ist, dass sie kein einziges zentrales Projekt mehr hat, das sie der Öffentlichkeit vermitteln kann. Sie ist viel zu sehr in der Tagespolitik verhaftet und hat vergessen, sich über grundsätzliche inhaltliche Fragen Gedanken zu machen – und eben darin liegt der Grund, warum es ein solches zentrales Projekt nicht gibt.

Und wer trägt da die Schuld daran?

Inhalte werden von Personen erarbeitet und getragen. Insofern ist es natürlich so, dass, wie soll man sagen, dass die heutige Parteispitze eng mit dem Problem verbunden ist. Ich höre immer nur Schlagwörter wie jenes von der Energiewende. Das hört sich zwar gut an, aber das kann es allein nicht sein. Weiterlesen

69/366: Wir küssen die Stadt wach. Mit 2,57% in den Klagenfurter Gemeinderat

Wir küssen die Stadt wach. Plakat zur Gemeinderatswahl 1997 in Kärnten.

Wir küssen die Stadt wach. Plakat zur Gemeinderatswahl 1997 in Kärnten.

Wir heizen den Müllverbrennern ein. Plakat zur Gemeinderatswahl 1997 in Kärnten.

Wir heizen den Müllverbrennern ein. Plakat zur Gemeinderatswahl 1997 in Kärnten.

Heute vor neunzehn Jahren, am 9. März 1997, gelang den Grünalternativen bei den Kärntner Gemeinderatswahlen erstmals der Einzug in der Landeshauptstadt Klagenfurt. Sie erhielten 1.205 Stimmen und 2,57% (gegenüber 838 Stimmen und 1,57% am 10. März 1991). Das eine Mandat hatte Andrea Wulz von 1997 bis 2003 inne. Wulz war von 2003 bis 2015 grüne Stadträtin (zuständig für Frauen, Familie, Umwelt, Wissenschaft & Forschung und thermische Sanierung) und ist nun wieder Gemeinderätin.

In anderen Kärntner Gemeinden war der Einzug bereits früher gelungen – in Villach beispielsweise schon 1986.

68/366: Erziehung zur weiblichen Rolle. Grünes Frauenforum 1990

Grünes Frauenforum. Schwarz-Weiß-Foto: junge Frau, die in der rechten Hand einen Computer und auf dem rechten Arm ein Baby hält

Einladung zum Grünen Frauenforum in Linz am 9. und 10. Februar 1990.

Zum Frauenmonat März ein Archivfundstück aus dem Jahr 1990: eine Einladung zum Grünen Frauenforum in Linz. “Frauen ins Parlament” war der Übertitel – im Dezember 1989 war beim Bundeskongress in Gmunden beschlossen worden, dass in der folgenden Legislaturperiode die Hälfte der grünen Abgeordneten Frauen sein sollten.

1:1 statt 1: 7

Beim ersten Einzug ins Parlament war Freda Meissner-Blau ja noch die einzige Frau unter acht Abgeordneten gewesen.

//zitat// Sie war uns immer schon wichtig, diese Forderung [nach Parität, Anm.], aber sie wurde – wenn um etwas ging – immer hintenangestellt. Nach den letzten Wahlen zogen wir mit einer Frau und sieben Männern ins Hohe Haus ein, heute, nach dem Abgang von Freda Meissner-Blau, steht es im Grünen Klub eins zu sechs. Es wird uns – auch in anderen Bereichen grüner Politik – nicht gelingen, mehr Zustimmung zu erreichen, nicht zuletzt bei den Wählern, wenn Theorie und Praxis so weit auseinanderklaffen. Das war der fruchtbare Boden, auf dem der Beschluß zustandekam. Klar wurde aber auch ausgesprochen, daß Quotierung allein ein unzulängliches Mittel ist, eine Politik von und für Frauen zu machen. Ohne eine Veränderung der männlich definierten Aufgaben und Erwartungen, ohne eine Veränderung der Arbeitsbedingungen und Hilfestellungen wird’s nicht gehen. //zitatende//

Grünes Frauenforum: Auszug aus dem Programm, Druckbuchstaben und Handschrift

Arbeitskreis “Wie links ist die Grüne Alternative” am Grünen Frauenforum in Linz.

Außerdem beschäftigten sich die Grünen Frauen mit der Frage, wie links die Grüne Alternative ist und was unter “links” in diesem Zusammenhang zu verstehen war. Die Einsetzung eines Arbeitskreises zu “Frauen und Arbeitswelt” und “Sexualpolitik” im Rahmen der Programmdiskussion wurde angeregt. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. von Politik  und Familie und die frauenfreundliche Gestaltung von Politik wurden diskutiert.

Erziehung zur weiblichen Rolle

Eine Gruppe befasste sich mit der “Erziehung zur weiblichen Rolle”:

//zitat// Vom kürzeren Gestilltwerden bis hin zur größeren Anpassungsleistungen an die Bedürfnisse der Mutter werden Mädchen weniger verwöhnt. Dazu erhalten sie mädchenspezifisches Spielzeug, das weniger Anregungen bietet als das für ihre kleinen Brüder. Die Schule ist nach dem Einfluß der ersten Bezugspersonen ein wesentlicher Faktor der geschlechtsspezifischen Erziehung. Weiblich aufwachsen bedeutet zugleich benachteiligt aufwachsen. Zum Beispiel:

  • weniger Zuwendung der LehrerInnen
  • weniger ungestörten Raum in Klassen und auf Schulhöfen
  • weniger Arbeit mit aufwendigen technischen Materialien
  • wenig weibliche Vorbilder und positive Identifikationsfiguren

In der schulischen Erziehung herrscht ein offensichtlicher Mangel an Gleichberechtigung. //zitatende//

Antiarbeitskreis

Außerdem stand ein “Antiarbeitskreis” auf dem Programm, in dem von Erfahrungen, Gefühlen, Phantasien und Veränderungen die Rede sein sollte.

Übrigens: Da bei unserem Archivexemplar ein Teil der Einladung herausgeschnitten war, ist unsere Darstellung wohl nicht vollständig!

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