Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Autor: Grünes Archiv (Seite 30 von 38)

Das Grüne Archiv ist die Gedächtnisinstitution der grünen Bewegung und eine Serviceeinrichtung der Grünen Bildungswerkstatt für Grünbewegte, ForscherInnen und alle anderen Interessierten.

87/366: Grüne Frauen: Frei und wild, kein Freiwild

“Wir sind frei und wild, kein Freiwild” war der Titel des ersten grünen Frauenprogramms. In ihrem Text zum 25jährigen Bestehen der Grünen Frauen Wien ging Maxie Klein zu den Anfängen der grünen Frauenorganisation zurück. Dafür interviewte sie Ingrid Gurtner, Eva Hauk, Elfi Schuh und Hedi Spanner-Tomsits.


Cover der 2013 erschienenen Broschüre "25 Jahre feministische Politik" (Grünes Archiv, Inventarnr. 185)

Cover der 2013 erschienenen Broschüre “25 Jahre feministische Politik” (Grünes Archiv, Inventarnr. 185)

Wie alles begann – der Aufbruch der 1980er Jahre

Die Geschichte der Frauenorganisation beginnt gleichzeitig mit der Geschichte der Grünen. 1982 schafften es bei der Nationalratswahl weder die Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) noch die Alternative Liste (AL) ins Parlament. Dies war – gemeinsam mit der Besetzung der Donauauen in Hainburg – der Anstoß zur Grünen Einigung.

Im Zuge der langwierigen Einigungsprozesse kam es zum Treffen zwischen den beiden Organisationen und so auch zur Vernetzung von feministischen Positionen, die zusätzliches Futter von Frauen aus der alternativen Bewegung bekamen. Dabei ging es diesen Feministinnen nicht nur um frauenpolitische Anliegen, sondern auch um die Berücksichtigung von Frauen im Einigungsprozess und beim Aufbau Grüner Strukturen.

1986 stellte Gexi Tostmann der sich formierenden Grünen Frauengruppe die Räumlichkeiten zur Verfügung, die davor schon Freda Meissner-Blau als Wahlkampfzentrale für ihre Kandidatur als Bundespräsidentin dienten. Am 3. Oktober 1986 kam es in der Nacht vor der berüchtigten offenen Landesversammlung der Grünen Alternativen Sammlung – Freda Meissner-Blau erlitt dort einen Herzanfall – zur Gründung der Grünen Frauenorganisation.

8 Frauen

Vorkämpferinnen wie Eva Hauk, Elfi Schuh oder Hedi Spanner-Tomsits ist es zu verdanken, dass bei erwähnter Landesversammlung eine Mindestparität bei Listenwahlen und Grünen Funktionen beschlossen wurde. Dass es noch lange dauerte, bis diese umgesetzt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Im ersten Parlamentsklub war Freda Meissner-Blau noch die einzige Frau unter 7 Männern. Im Jahr darauf kandidierten Renate Bahr, Gabi Fröhlich, Susanne Moidl, Hedi Spanner-Tomsits und Claudia Strasser auf einer Frauenliste für den Landesvorstand. Vor dieser Wahl wurde allerdings das Statut so geändert, dass keine Kandidaturen als Liste, sondern nur als Einzelperson möglich waren. Von der Frauenliste schaffte es nur Hedi Spanner-Tomsits in den Landesvorstand.

Teilorganisation mit Geld

Die Frauenliste und dahinter stehende Forderungen führten immerhin zu einer Anerkennung als Teilorganisation, die jedoch erst 1988 mit Budget ausgestattet wurde. Ende der 1980er wurde Elfi Schuh als Vertreterin der Grünen in den Frauenausschuss von Johanna Dohnal entsendet. Die Ergebnisse dieser Treffen waren geheim, und weil sich das mit der basisdemokratischen Ausrichtung der FO nicht vereinbaren ließ, wurde die Teilnahme der Grünen Frauen beendet.1987 wurde unter dem Titel “Wir sind frei und wild, kein Freiwild” das erste Frauen-Programm von Jutta Sander, Elfi Schuh und Hedi Spanner-Tomsits erstellt. Viele der Forderungen von damals sind auch heute noch aktuell, einige wenige konnten umgesetzt werden.

Der steinige Weg

“Frauen aus dem damaligen Wiener Landesvorstand diskutierten mit uns, ob wir als Gruppe überhaupt existieren dürften. Viele meinten, unsere Gruppe sei ein ‘Ghetto’, in dem sich Frauen einriegeln und ihre Qualitäten und ihr Engagement so für die Grüne Partei verlorengehen”, schreibt Ingrid Gurtner 1992 in “Brot und Rosen”. Und obwohl in den späten 1980ern bereits der erste Bundesfrauenkongress mit über 200 Teilnehmerinnen aus allen Bundesländern stattfand, wurde die Gründung einer österreichweiten Frauenorganisation von vielen abgelehnt. Der Kampf um Geld und Anerkennung zehrte aus. Viele feministische Frauen verließen daraufhin die Partei. Die Frauenorganisation schrumpfte auf 5 Frauen. Diese kleine Gruppe versuchte die feministischen Forderungen trotzdem innerhalb der Partei sichtbar zu machen und sie in der Zeitung “Brot und Rosen” zu verbreiten. Geld aus der Partei gab es dafür keines und so wurde diese Arbeit von der Bildungswerkstatt finanziert.

86/366: GABL: Antwort auf den akuten Notstand unserer Umwelt

GABL-Argumente (1984)

GABL-Argumente, abgedruckt im Alternativenrundbrief 94/95 vom 2. April 1984, S. 5

Bei der Salzburger Landtagswahl 1984 scheiterte die Grün-Alternative Bürgerliste (GABL)  – wenn auch mit 4,26% nur knapp. Die GABL war aus Alternativer Liste, Salzburger Bürgerliste, Vereinten Grünen, Menschen aus BürgerInneninitiativen und Personen abseits von Organisationen gebildet worden.

Oberste Ziele der GABL

  • Der Schutz der Umwelt und der in ihr lebenden Menschen.
  • Die direkte Beteiligung der Bevölkerung an den Entscheidungsprozessen in allen unseren Lebensbereichen.
  • Die Beseitigung der Abhängigkeit der Menschen von den Parteien.
  • Das Verhindern von persönlicher Bereicherung einzelner zu Lasten von Natur und Mensch.
  • Die soziale Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft.
  • Das gewaltfreie Streben nach Frieden.

Warum wurde Mandat verfehlt?

Logo des "Alternativenrundbrief" 1984.

Logo des “Alternativenrundbrief” 1984.

Im Alternativenrundbrief 94/95 vom 2. April 1984 versuchte die GABL eine Analyse der Ursachen:

//zitat// Woran lag es also, dass wir das Landtags-Mandat verfehlten? (Grundmandat in der Stadt Salzburg, um ca. 1.000 Stimmen verfehlt). Einige Vermutungen:

  • Das Sammeln von Unterstützungserklärungen kostetet viel Kraft, die dann für andere Arbeiten fehlte.
  • Die viel zu lange Diskussion um eine Einigung mit der VGÖ hat die Wähler verunsichert.
  • Das Verleumdungsspiel der Medien mit “links” und “bürgerlich”, während die großen Parteien einander kaum kritisierten.
  • Vor allem war durch die Kandidatur der (Braun-)”Grünen” als Liste 4 die Verwirrung in der Bevölkerung groß, viele verwechselten sie mit der VGÖ. //zitatende//

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85/366: Neubau ist grün. Blimlinger wird Bezirksvorsteher

Torte mit grüner Glasur, Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger und Madeleine Reiser schneiden Torte an

Der angehende Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger und seine Stellvertreterin Madeleine Reiser schneiden zur Feier der grünen Bezirksvorstehung in Wien-Neubau die grüne Torte an. Fotos: Archiv der Grünen Neubau.

Heute vor fünfzehn Jahren, am 25. März 2001, stellten die Wiener Grünen erstmals einen Bezirksvorsteher: der Volkswirt und Trafikant Thomas Blimlinger und sein Team erreichten im Bezirk Neubau 32,55 Prozent bei den Bezirksvertretungswahlen – bei den Gemeinderatswahlen sind es 27,53 Prozent. In diesem Bezirk waren die Grünen übrigens schon einmal auf Platz 1 gewesen, nämlich bei der Wahl zum Europaparlament im Jahr 1999.


Die Grünen verzeichneten bei den zeitgleich stattfindenden Gemeinderatswahlen generell starke Gewinne, steigerten sich auf elf Mandate und erreichten 89.395 Stimmen, das sind 12,45%. Neue nicht-amtsführende Stadträtin wurde Integrationssprecherin Maria Vassilakou, als GemeinderätInnen wurden am 27. April Christoph Chorherr, Cécile Cordon, David Ellensohn, Susanne Jerusalem, Günter Kenesei (wechselte später zur ÖVP), Rüdiger Maresch, Martin Margulies, Sigrid Pilz, Marie Ringler, Claudia Sommer-Smolik und Monika Vana angelobt. Zum Bundesrat – eine Position, die den Grünen aufgrund des Wiener Wahlergebnisses erstmals zusteht – wurde auf einer Landesversammlung der Wiener Grünen am 17. April 2001 der bisherige Mediensprecher Stefan Schennach (wechselte später zur SPÖ) gewählt.

Das Wiener Gemeinderatswahlergebnis 2001 war im 7. Bezirk (27,53%) am besten, im 11. Bezirk (6,34%) am schlechtesten. Bei den Bezirksvertretungswahlen kamen die Grünen auf insgesamt 166 Mandate und durchschnittlich 13,32% (mit 95.602 Stimmen). In der traditionellen Hochburg Neubau errangen die Grünen mit 32,55% und 13 Mandaten Platz 1 und stellten mit Thomas Blimlinger erstmals einen Bezirksvorsteher. Erste Stellvertreterin wurde Madeleine Reiser († Juli 2014). In den Bezirken Josefstadt (24,54%) und Mariahilf (24,91%) wurde der zweite Platz nur um 17 bzw. 106 Stimmen verfehlt. Über 20% erzielten die Grünen auch in den Bezirken Wieden (22,10%) und Alsergrund (21,23%). Die schwächsten Ergebnisse wurden in Favoriten (7,92%, vier Mandate) und Simmering (6,77%, drei Mandate) erzielt.

Eine Überraschung brachte das erstmals gesondert gezählte Wahlverhalten der nur auf Bezirksvertretungsebene stimmberechtigten in Wien lebenden EU-BürgerInnen: Unter diesen wählten 2.966 die Grünen, das sind 42,51%.

84/366: Alptraum Abfall. Widerstand von Fohnsdorf bis Rinterzelt

“Wenn die Behörden nicht in der Lage sind, müssen wir halt dann den Wahnsinn stoppen”, sagt einer der Interviewten in der Fernsehsendung “Alptraum Abfall” aus dem Jahr 1987. Ein Rückblick auf den Kampf gegen Müllverbrennung und ungesicherte Deponien, eine Erinnerung an den Einsatz für Müllvermeidung und Mülltrennung – spannend gerade in Zeiten von Kaffeekapseln und Mikroplastik.

Zur Sprache kommen u.a. Murwald bei Fohnsdorf (Steiermark), Simmering, Rinterzelt, Flötzersteig und Spittelau (Wien), Werra (BRD/Hessen), Schönberg (DDR/Mecklenburg-Vorpommern) und die Hochseeverbrennung auf der Nordsee.

Zum Anfang des Filmes ist übrigens das Lied “Die Kinder san dran” von STS zu hören – das eindringliche Musikstück entstand 1987 als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl: “… jeder Wahnsinn bleibt Wahnsinn, es ist wurscht, wie Du’s drahst, unter wölchen Begriff des a rennt …”.

Herzlichen Dank fürs Onlinestellen an Friedel Hans, Filmer und Aktivist der Perchtoldsdorfer Grünen!

Alptraum Abfall Grüner Widerstand in Österreich im Aufbruch gegen den Müllwahnsinn 1987 from Grüne Mödling on Vimeo (Dauer: 32:19 Minuten).


Zum Weiterlesen ein Beispiel aus jüngeren Tagen: Die grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner startete im Jahr 2010 den Selbstversuch PVC Ade – 30 Tage ohne Plastik.

83/366: Feminismus erkennt mehr!

Feminismus erkennt mehr! Ein Plakat der GRAS 2011 (Grünes Archiv)

Feminismus erkennt mehr! Ein Plakat der GRAS 2011 (Grünes Archiv)

Die Grünen und Alternativen Student_innen legten im Mai 2011 den Schwerpunkt der politischen Arbeit auf Frauen in der Wissenschaft und stellten fest: Feminismus erkennt mehr!

//zitat// Wir fokussieren diesmal auf Frauen in der Wissenschaft: Rektorinnen sind noch immer eine Seltenheit – und das obwohl 56 % der StudienanfängerInnen Frauen sind. Ungerechtigkeiten wie diese häufen sich immer dort, wo Macht größer wird: Also auch in der Wissenproduktion, den Lehr- und Lerninhalten der Uni. Und auch in der vermeintlich “objektiven” Wissenschaft setzt sich die Benachteiligung von Frauen fort, Frauen werden unsichtbar gemacht und viele Forschungsfragen können aufgrund der männlichen Norm erst gar nicht gestellt werden. Das führt nicht zuletzt zu fehlender Forschungsbasis in diesem Bereich, aber auch zu einer grundlegenden Verfälschung etlicher Forschungsergebnisse.

Demgegenüber sagen wir: Feminismus erkennt mehr!

Und fordern:

  • Kritischer Umgang mit wissenschaftlicher Erkenntnis!
  • Fördern von gesellschaftskritischer und damit unbequemer Forschung!
  • Männlich dominierte Wissenschaftstradition dekonstruieren! Raum für neue Denkansätze ermöglichen

//zitatende//


Zum Weiterlesen: Broschüre Feminismus erkennt mehr, Video Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen.

82/366: “GR.ALT” gelang der Einzug in den NÖ Landtag

Einzug gelungen – mit ungewöhnlicher Kurzbezeichnung “GR.ALT”! Heute vor achtzehn Jahren, am 22. März 1998, zogen die Grünen bei der Landtagswahl in Niederösterreich erstmals in den Landtag ein. Abgeordnete wurden die ehemalige Dolmetscherin und “Global 2000”-Sprecherin Brigid Weinzinger (jetzt Tiertrainerin) und der Neunkirchner Stadtrat Martin Fasan (derzeit Lehrer und Vizebürgermeister in Neunkirchen).

Neue Kraft in den Landtag!

Neue Kraft in den Landtag! Die wichtigsten Forderungen der NÖ Grünen 1998.

Der Grünen Alternative war das naheliegende “Grüne” als Kurzbezeichnung für den Stimmzettel versagt worden – die Begründung der Wahlrechtsabteilung in einer Presseaussendung: “Nach der NÖ Landtagswahlordnung sind Kurzbezeichnungen für die Parteien in Buchstaben, nicht in Worten, abzufassen”; “GRÜNE” sei sozusagen ein richtiges Wort und nicht nur eine Folge von Buchstaben. Dem Einwurf, dass bei den Landtagswahlen 1988 zwei Gruppierungen mit den Namen WIR und HERZ angetreten waren, was ja auch eigenständige Wörter gewesen waren, wurde nicht nachgegeben. Die Bezeichnung auf dem Stimmzettel lautete schlussendlich “GR.ALT”.

“Steinzeitliche Demokratieverhältnisse”

Kritik übten die Grünen an den schwach ausgeprägten Rechten der Opposition: “Generell herrschen im Niederösterreichischen Landtag steinzeitliche Demokratieverhältnisse. Die Opposition ist nicht im Kontrollausschuß vertreten und hat nicht einmal das Recht, einen Antrag einzubringen. (…) Es ist nun höchste Zeit, daß Niederösterreich seine veralteten feudalen Strukturen aufgibt und endlich ein freies Spiel zwischen Regierung und Opposition zuläßt”, forderte Weinzinger in einer Presseaussendung. In einem Interview von Anni Lesnik definierte Weinzinger die Aufgabe der Grünen im Landtag als “Opposition, Kontrolle, Information und eine Art Brückenkopffunktion von den Gemeinden, den Initiativen in den Landtag und zurück. Es ist klar, daß man nicht die gesetzesgestaltende Kraft sein kann, mit einigen Mandaten – das beweist auch die Erfahrung Grüner in anderen Landtagen – . Die Tatsache, daß Grüne im Landtag sitzen, ist oft schon sehr unangenehm für die regierenden Parteien. Ich glaube, wir können Stachel im Fleisch sein. Ich möchte auch ein Zeichen für alle Frauen zu setzen, die heute auch in ländlichen Gebieten nicht mehr den Männern untergeordnet leben wollen, sondern selbstbestimmt argumentieren und leben. Die Frauenquote im Landtag ist ja katastrophal niedrig, und es ist mir eine besondere Herausforderung, als junge Frau hartnäckig lästige Fragen zu stellen”.

Beste Ergebnisse im Speckgürtel

Die Grünen erzielten 40.639 Stimmen und 4,49%. Die besten Gemeindeergebnisse wurden im “Speckgürtel” in den Bezirken Mödling und Wien-Umgebung verzeichnet: in Hennersdorf (11,84%), Laab im Walde (11,18%), Purkersdorf (10,57%), Maria Enzersdorf (10,40%) und Klosterneuburg (10,15%).

Bürgerliche Grüne: 0,58%

Die Kandidatur der “Bürgerlichen Grünen” BGÖ wurde durch die Unterschriften des “wilden” Landtagsabgeordneten Josef “Pepi” Wagner (Ex-LIF) sowie je eines Abgeordneten von LIF und FPÖ ermöglicht. Sie traten unter der Langbezeichnung “Bürgerliche Grüne Österreichs für ein atomfreies Österreich Gentechnik rasch überwinden – Natur erhalten” an und erreichten lediglich 5.208 Stimmen (0,58%). Die Liste Pepi Wagner (LPW) erreichte mit 7.060 Stimmen 0,78%. Das Liberale Forum LIF verlor Stimmen an die Grünen, scheiterte an der 4%-Hürde und fiel aus dem Landtag.

81/366: “Normale Politik ist uninteressant geworden”. Der Auhirsch im Gespräch

Cover des "Wurzelwerk" Juni 1984

Cover des “Wurzelwerk” Juni 1984 (Grünes Archiv)

“Ich gehe in die Hainburger Au, mache die Augen auf, schaue sie an, höre die Vogerln singen und bin auch schon ein Fachmann in der Frage: darf dies zerstört werden, ja oder nein, und meine fachmännische Antwort ist nein”. Der Herausgeber der alternativen Zeitschrift “Wurzelwerk”, Robert Weninger,  sprach 1984 mit “Auhirsch” Günther Nenning (1921-2006) – “kein beinhartes Interview, sondern ein Gespräch unter Gleichgesinnten” über Hainburg, das Konrad-Lorenz-Volksbegehren und vieles mehr.


Grünspan an Rothirsch

//zitat// Wurzelwerk: Wie wird man Präsident der Journalistengewerkschaft, wie bleibt man es?

Nenning: Ja, g’fangen haben sie mich so: Sie haben gemeint, es kommt ein Depperter aus der Provinz, und mit dem kann man machen, was man will. Die Provinz war Graz und das Jahr war 1960.

Wurzelwerk: Wie bleibt man es?

Nenning: Indem man nicht deppert ist. Das heißt, das Komische ist, daß ein Roter es so lange ist in einer mehrheitlich nicht roten Gewerkschaftssektion. Die Antwort ist: sehr viel Arbeit und Gehirnschmalz. Und das Erfrischende – du mußt im Leben ja auch Freude haben – sind die Kampfwahlen.

“Du mußt im Leben ja auch Freude haben”

Alle 4 Jahre tritt einer gegen mich an. Ein-mal ein Roter, einmal ein Schwarzer, einmal ein Unabhängiger und das 26 Jahre lang. Das hält jung.

Wurzelwerk: Kompliment. Du hast dich in den letzten Jahren eines zunehmenden Grünengagements befleißigt, da war die “Sonne”, da gab es Filme, da gibt es Bücher, dann in zunehmendem Maß in der letzten Zeit – wahrscheinlich auch schon früher, nur bin ich da nicht so informiert – radikalinitiatives Engagement, der Begriff radikal – wir verstehen ihn…

Nenning: Radikal heißt bis hinunter zum Wurzelwerk, radex Wurzel.

Günther Nenning im "Wurzelwerk". UrheberIn: unbekannt

Günther Nenning im “Wurzelwerk”. UrheberIn: R. Glattau

Wurzelwerk: Du bist in zunehmendem Maß eine Integrationsfigur, nicht nur parteipolitische Grenzen, verkrustete Strukturen aufbrechend, überschreitend. Das zeigt sich jetzt insbesondere an, kristallisiert sich jetzt vor allem in Hainburg heraus. In Österreich ist es ja bedauerlicherweise immer so, daß sich an einem immer alle aufhängen, überspitzt gesagt. Wie schaut das für dich aus und: Zusatzfrage, warum halten sich die Jusos da heraus?

Nenning: Also: ich bin ein wirklicher Fachmann in diesen Dingen, ich gehe in die Hainburger Au, mache die Augen auf, schaue sie an, höre die Vogerln singen und bin auch schon ein Fachmann in der Frage: darf dies zerstört werden, ja oder nein, und meine fachmännische Antwort ist nein. Das ist sozusagen der Kern der Sache. Wenn es darum geht, dann sind mir halt alle Parteien, Verbände und -ismen wenigar wichtig als das Raufen darum, daß das nicht zerstört wird. Es hat auch eine politische Seite, die Seite ist, daß in immer mehr Gegenden ebensolche erstklassige Fachmänner aufwachsen, die in die Natur hineinschauen und sagen, das darf nicht zerstört werden. Ich arbeite sozusagen an einem Syndikat, GIAP (Grüne innerhalb und außerhalb der Parteien), und in der Hainburgsache oder genauer, – denn das Volksbegehren geht ja über Hainburg hinaus, – in diesem Konrad Lorenz-Volksbegehren kommt das heraus: Schwarze Grüne, rote Grüne, blaue Grüne, Vereinte Grüne, Alternativ-Grüne. Weiterlesen

80/366: Die Stadt gehört uns allen – Platz da!

Platz da. Cover der Broschüre (Grünes Archiv)

Platz da. Cover der Broschüre (Grünes Archiv)

Der öffentliche Raum gehört umverteilt – zu diesem Schluss kamen die Wiener Grünen in ihrer Broschüre “Platz da”.  In den Bezirken 1, 4 und 6 lebten über achttausend Jugendliche unter 15 Jahren, es gab aber null Sport- und Freizeitflächen. Das Verhältnis von Fahrbahnen zu FußgängerInnenflächen und das Verhältnis von Fahrbahnen zu öffentlichem Raum war und ist traurig. Sabine Gretner, damalige Planungssprecherin der Wiener Grünen, in ihrer Einleitung:


//zitat// Während die Gebäude das Gesicht einer Stadt ausmachen, so ist der Öffentliche Raum die Seele einer Stadt.

Der frei zugängliche Öffentliche Raum ist wertvoll und spannend, hier findet das städtische Leben statt. Man trifft sich, schnappt Luft, erholt sich im Freien, spürt Wetter und Wind. Hier begegnen sich alle, ob jung oder alt, einheimisch oder fremd, wohlhabend oder arm. Kein Wunder also, dass dieser Raum sehr begehrt ist. Menschen haben unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse, daraus ergeben sich auf engem Raum Nutzungskonflikte und Besitzansprüche.

eine der Forderungen: Öffnung der Bundesgärten und Kleingärten.

Öffnung der Bundesgärten und Kleingärten.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben in Wien ihre Spuren hinterlassen, der Raum für die Allgemeinheit, der “gratis” und frei zu benutzen ist, wird knapper und knapper. Wir Grüne sind die Lobby für Lebensqualität im Öffentlichen Raum. Deshalb wollen wir den wertvollen Raum fair teilen.

Die Stadt gehört uns allen! Platz da! //zitatende//

Forderungen der Wiener Grünen

    • mehr Platz. 20 km² neuen Öffentlichen Raum
    • neue Parks. In jedem Bezirk einen neuen Park
    • Straße fair-teilen. In jedem Bezirk mindestens drei Shared-Space-Straßen
Öffentlichen Raum fair-teilen.

Öffentlichen Raum fair-teilen.

  • Ciclovia in Wien. Ringstraße autofrei, jeden Sonn- und Feiertag, zwischen 7 und 16 Uhr
  • Baulücken als Freiräume. Ungenutzte Flächen mitten in der Stadt sind viel zu wertvoll, um sie nicht zu nutzen. Die Stadt muss EigentümerInnen Anreize bieten, diese Oasen zu öffnen
  • Park statt Parkplatz. Pro Kind zumindest die Fläche eines Parkplatzes an Spiel- und Freiflächen
  • Mehr Freiraum für Jugendliche. Nichtkommerzielle Räume und Gratisnutzung der Sportflächen
  • Öffnung der Bundesgärten und Kleingärten
  • Öffentlichen Raum Fair-Teilen. Erhöhung und Zweckbindung der Gebrauchsabgabe
  • Gärten für alle. Neue Flächen für Selbsterntebeete in ganz Wien

Download der gesamten Broschüre: 080-platz-da-wien-broschuere (PDF, 2,7 MB)

79/366: Bezirksrat Michael Kohlhaas wird in Jeans angelobt

Im Grünen Archiv gibt es Berichte zum Jubiläum “Ein Jahr Grüne in der Wiener Bezirksvertretung” (1988), die wir hier in unregelmäßigen Abständen veröffentlichen wollen. Der erste Teil – aus Floridsdorf – erschien am 13. März unter dem Titel “Platzkarten im Amtshaus” in diesem Blog.

Heute geht es in den sechzehnten Bezirk: Der Ottakringer Bezirksrat Christian Luksch fasste seine resignierenden Erinnerungen unter dem Titel “Nackte Gewalt” zusammen und erinnert an Michael Kohlhaas – die literarische Figur und ihr historisches Vorbild setzten sich gegen Machtmissbrauch, unfaire Behandlung und Unterdrückung ein. Vieles von seinen Beobachtungen deckt sich mit den Berichten aus den anderen Bezirken, und es dürfte wohl grünen Gemeindevertreter_innen auch in anderen Orten bekannt vorkommen.


Christian Luksch: Nackte Gewalt, 1988 (Grünes Archiv)

Christian Luksch: Nackte Gewalt, 1988 (Grünes Archiv)

//zitat// Ein Jahr grüner Bezirksrat in Ottakring, der “Roten Burg” Wiens, was ist das? Ein Jahr Billy the Kid im Wilden Westen. Ein Jahr Michael Kohlhaas gegen die Feudalherren des Mittelalters. Ein Jahr mit einem Fuß im Gefängnis und mit dem anderen im Irrenhaus.

Das wärs auch schon wieder. Recht viel mehr gibts dazu nicht zu sagen. Im großen und ganzen. Und im Detail?

Angelobung: Natürlich erscheine ich ohne Krawatte. Dafür aber in Blue Jeans, mit Tennisschuhen, grünem Hemd und weißer Weste. Vizebürgermeisterin Smejkal sackt bei meinem Anblick zusammen. Ob ich gelobe? Natürlich gelobe ich.

1. Sitzung: Wir lehnen es ab, den Bezirksvorsteher mitzuwählen. Die Stadtverfassung ist in diesem Punkt ein Prachtbild der Demokratiefeindlichkeit, nur die stärkste wahlwerbende Partei darf einen Kandidaten für das Amt stellen.
Ebenfalls abgelehnt wird von uns das Bezirksbudget. Erstens haben wir nicht daran mitgearbeitet und können so auch keine Verantwortung dafür übernehmen, zweitens sind uns 450 Schilling pro Ottakringerin einfach zu wenig.
Der neue alte Bezirksvorsteher kocht fast über. Wir haben uns das Türl zugeschlagen, bevor wir durchgegangen sind.

2. Sitzung: 2 Anträge der Grünen – Einladung von Schulklassen zu den öffentlichen Sitzungen der Bezirksvertretung im Rahmen des Politikunterrichtes sowie öffentliche Bekanntgabe der Sitzungstermine über die Bezirkszeitungen werden bereits in der Präsidiale abgeschmettert. “Dafür sind wir nicht zuständig.”

3. Sitzung: In der Präsidiale wird ein Antrag auf Rauchverbot während der Sitzungen abgeschmettert. Nach Auffassung des Bezirksvorstehers verstößt dieser Antrag gegen die Menschenrechte, da er die Minderheit der Raucher diskriminiert. Der Bezirksvorsteher selbst ist Nichtraucher. Weiterlesen

78/366: Bürgerinitiative Oberösterreich: Themen bitte mitbringen

Einladung zur Bürgerinitiative Oberösterreich (Grünes Archiv)

Einladung zur Bürgerinitiative Oberösterreich im alternativenrundbrief 1/1986 (Grünes Archiv, Archiv der Wiener Grünen)

Diese Einladung zum Treffen der BIO Bürgerinitiative Oberösterreich erschien in der Zeitschrift “Alternativenrundbrief” 1/1986. Ob das “Gesprächs- und Koordinationsforum” in Wels stattgefunden hat, welche Themen dort tatsächlich besprochen und welche Aktionen geplant wurden, wissen wir leider nicht. Vielleicht kann sich jemand erinnern? 1986 ist doch noch gar nicht sooo lange her 😉

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