Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Autor: Grünes Archiv (Seite 23 von 38)

Das Grüne Archiv ist die Gedächtnisinstitution der grünen Bewegung und eine Serviceeinrichtung der Grünen Bildungswerkstatt für Grünbewegte, ForscherInnen und alle anderen Interessierten.

157/366: Die Grünen werden gesamteuropäisch

“Die demokratische Revolution desJahres 1989 hat in den Ländern Ost- und Ostmitteleuropas nicht nur zum Zerfall des Stalinismus, sondern auch zu neuen Herausforderungen geführt: wachsende soziale Probleme, Nationalismus, zerstörte Umwelt… Diesen Herausforderungen stellt sich eine Fülle neuer Gruppen und Parteien, darunter auch Grüne”. Gerhard Jordan stellte in der Zeitschrift “Impuls grün” 4/1990 die grünen Parteien vor, die nach bzw. im Zuge der “Wende” gegründet worden waren. Titel seines Beitrags: “Die Grünen werden gesamteuropäisch”. Download im Originalformat: 157-impulsgruen-gruene-mittel-osteuropa (PDF, 1 MB)

Logos europäischer Grünparteien.

Logos der Grünparteien aus CSFR, DDR, Ungarn.


// DDR: Am 24.11.89 wurde die “Grüne Partei in der DDR” von AktivistInnen aus oppositionellen Umwelt- und Friedensgruppen, die sich in den 80er-Jahren im Umfeld der Evangelischen Kirche gebildet hatten, gegründet. Beim Parteitag vom 9.-11.Feb.1990 in Halle wurde das Programm (das inhaltlich denen westeuropäischer grünalternativer Parteien ähnelt) beschlossen. Bei der Volkskammerwahl am 18.3. erhielten die mit dem “Unabhängigen Frauenverband” verbündeten Grünen 1,97% und 8 der 400 Sitze und blieben, wie schon zu Zeiten des Honecker-Regimes, Opposition.

Kampf gegen das Donaukraftwerk Nagymaros

Ungarn: Die ”Grüne Partei Ungarns” (“Magyarországi Zöld Párt“, MZP) entstand vor allem aus der Bewegung gegen das Donaukraftwerk Nagymaros. Ihr Gründungskongreß fand am 18./19.11.89 in Budapest statt. Aufgrund des “hürdenreichen” Wahlrechts gelang der jungen Partei die Aufstellung von Listen nur in 4 der 19 (mit Budapest 20) Komitate. Bei den Wahlen am 25.3. kam sie auf einen landesweiten Durchschnitt von 0,4%. Weiterlesen

156/366: Achtung, frisch gestrichen!

Franz Vranitzky (SPÖ), Josef Riegler (ÖVP), Jörg Haider (FPÖ) - frisch gestrichen.

Franz Vranitzky, Josef Riegler, Jörg Haider sind frisch gestrichen (Agentur WURMundWURM, 1990)

Grüne Tarnmäntelchen tragen Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ), Vizekanzler Josef Riegler (ÖVP) und Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) auf dieser Wahlwerbung der Grünen Alternative. Vor einer Wahl lassen die Politiker der anderen Parteien gerne die Umweltschützer heraushängen, aber nach der Wahl… Dieses Motiv aus dem Jahr 1990 stammt von der Agentur WURMundWURM.

Bei der Nationalratswahl am 7. Oktober 1990 erreichte “Die Grüne Alternative – Grüne im Parlament” 225.084 Stimmen und 4,78%. Die Ergebnisse der einzelnen Bundesländer: Wien 7,62%, Salzburg 7,28%, Tirol 6,33%, Vorarlberg 5,25%, Oberösterreich 4,13%, Steiermark 3,94%, Niederösterreich 3,27%, Kärnten 3,00%, Burgenland 2,50%. Das beste Gemeinde-Ergebnis wurde in der Stadt Salzburg mit 11,29% erzielt.

Damit stieg die Zahl der Mandate auf zehn, fünf davon hatten Frauen inne. Die neuen (und alten) Abgeordneten: Rudi Anschober, Marijana Grandits, Christine Heindl, Monika Langthaler, Madeleine Petrovic, Peter Pilz, Manfred Srb, Terezija Stoisits, Johannes Voggenhuber und Andreas Wabl wurden am 5. November 1990 angelobt. Zum Klubobmann wurde Johannes Voggenhuber (mit knapper Mehrheit gegen Madeleine Petrovic) gewählt.

Die Vereinten Grünen kamen auf 1,96% (92.277 Stimmen) und verfehlten knapp die in den Wahlkreisen Wien und Oberösterreich erwarteten Grundmandate.

155/366: Das Umweltnotprogramm in 55 Paketen

Download von www.picturedesk.com am 12.04.2016 (11:16). Die Abgeordneten der Grünen präsentierten am 22.06.1989 am Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt das Umweltnotprogramm in der symbolischen Form von 55 Paketen. (v.l.n.r.) Peter Pilz, Andreas Wabl und Helga Erlinger. - 19890622_PD0006

Präsentation des “Umweltprogramms” durch Peter Pilz, Andreas Wabl und Helga Erlinger. Foto: R. Jäger / APA-Archiv / picturedesk.com (lizensiert bis 12. April 2017).

Die Abgeordneten der Grünen – im Bild Peter Pilz, Andreas Wabl und Helga Erlinger – präsentierten am 22. Juni 1989 am Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt das Umweltnotprogramm in der symbolischen Form von 55 Paketen.

Das Programm umfasste 55 Maßnahmen, die der Bundeskanzler Franz Vranitzky, der Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel, die Umweltministerin Marilies Flemming, der Landwirtschaftsminister Franz Fischler und der Verkehrs- und Verstaatlichtenminister Rudolf Streicher sofort umsetzen sollten – und wohl umsetzen hätten können: “Für langatmige Debatten fehlt der Umwelt die Zeit. Jetzt muß gehandelt werden. Nur ein ökologisches Notprogramm kann die dringendsten Umweltprobleme entschärfen”.

Umweltnotprogramm (1989), Titelblatt

Umweltnotprogramm (1989), Titelblatt

Beispiele:

  • Alu-Dosen werden verboten.
  • Für die Förderung des ökologischen Landbaus werden umgehend zweihundert Millionen Schilling bereitgestellt.
  • PVC wird in Herstellung und Anwendung in einem Zeitstufenplan verboten. Nur noch in Restbereichen (z.B. für diverse Kabelisolationen) darf dieser Stoff verwendet werden.
  • Ausweitung der Zahl der Beamten, die sich mit Umweltfragen beschäftigen, dafür Reduktion der Bediensteten in den Bauabteilungen
  • keine Ein- und Durchfahrtsbewilligung für ausländischen Atommüll mehr

Download des Umweltnotprogramms: 155-gruenes-umweltnotprogramm (PDF, 3,5 MB)

154/366: 4352 Stimmen für die Grünen

Heute vor zwanzig Jahren, am 2. Juni 1996, kamen die Grünen bei der Landtagswahl im Burgenland auf 4.352 Stimmen und 2,49%. Das beste Ergebnis wurde in der Gemeinde Wulkaprodersdorf erzielt, wo die Grünen mit 9,36% drittstärkste Partei wurden.

Eine Liste, die von GegnerInnen einer geplanten 380 kV-Stromleitung initiiert wurde und unter dem Namen “Bürgerinitiativen Burgenland” (BIB) kandidierte, erreichte 1.598 Stimmen und 0,91%.

153/366: Gewaltfreier Widerstand gegen Castor – ein Bericht

Der starke Staat zeigt seine politisch-demokratische Schwäche, Bericht über den Castor-Transport im Frühjahr 1997 (Grünes Archiv)

Der starke Staat zeigt seine politisch-demokratische Schwäche. Bericht über den Castor-Transport im Frühjahr 1997 (Grünes Archiv)

Die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland wurde auch immer wieder von österreichischen Atomkraftgegner_innen unterstützt. Daher sammeln wir im Grünen Archiv auch Materialien aus unserem Nachbarland. Eine besonders interessante Broschüre stammt von der Bürgerrechtsbewegung “Komitee für Grundrechte und Demokratie“, die ihre Beobachtungen bei den Demonstrationen und Blockaden gegen den  dritten “Castor-Transport” im Jahr 1997 schildert. Castor steht dabei für “cask for storage and transport of radioactive material”, also Behältnis für die Aufbewahrung und den Transport von radioaktivem Material. In solchen Behältern wurde Atommüll aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague ins Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben transportiert.

Im Blog bringen wir einige Passagen aus dem Bericht “Der starke Staat zeigt seine politisch-demokratische Schwäche”, die sich auf die Organisation des gewaltfreien Widerstandes beziehen.


// Innerhalb der Polizei fand eine Diskussion um die Gefährdungen der eingesetzten BeamtInnen durch die Begleitung dieser Transporte statt. Insbesondere Greenpeace hatte über Strahlengefährdungen informiert. Der Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei und die “Junge Gruppe” der Gewerkschaft der Polizei (Bundesgrenzschutz Mitte) sprachen sich deshalb für eine Verschiebung des Castor-Transportes aus.

Die Einsatzleitung der Polizei führte vorab Gespräche mit den Gruppen, die an der Organisation des Protestes beteiligt waren, und beteiligte sich an öffentlichen Diskussionsveranstaltungen über die bisherigen Erfahrungen des polizeilichen Vorgehens und die geplante Einsatzstruktur. Im Wendland traf sich der Einsatzleiter zu einem Gespräch mit Vertretern der Organisatoren des Protestes.

Das “Bonner Forum BürgerInnen und Polizei” lud zu einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der BI, des Komitees für Grundrechte und Demokratie und der Polizeieinsatzleitung ein. Über die bisherigen Erfahrungen bei den Transporten, die gegenwärtigen Planungen und das Einsatzkonzept der Polizei wurde kontrovers diskutiert. An dieser Veranstaltung nahmen auch viele PolizeibeamtInnen der unterschiedlichen Ebenen teil. Ein Bereitschaftspolizist kritisierte die Vorbereitung der letzten Polizeieinsätze im Wendland, an denen er teilgenommen hatte. Sie seien “heiß gemacht” und auf “Autonome” vorbereitet worden. “Doch dann sollte ich auf Menschen einknüppeln, die mir kurz zuvor noch Tee und Kaffee gereicht hatten, den uns die Einsatzleitung nicht gab.”

Anfang diesen Jahres hatte die “Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion – Kurve Wustrow” international zur Beteiligung an einem “Gorleben Peace Team” aufgerufen. Anknüpfend an die Erfahrungen der Friedensdienste in gewaltfreier Konfliktbearbeitung sollten diese Erkenntnisse diesmal statt für “den Süden” für “den Norden” nutzbar gemacht werden. Ein Team von 6 MenschenrechtsaktivistInnen aus vier Ländern (Ecuador, Nigeria, Mazedonien, USA) traf sich eine gute Woche vor Beginn des Transportes im Wendland und bereitete sich auf die Beobachtung der Vorkommnisse vor. Gorleben International Peace Team (GIPT) war der Name, unter dem sie in diesen Tagen unter internationalen Gesichtspunkten die Vorgänge und Ereignisse beobachteten. […] Weiterlesen

152/366: Burgenland: alle Volksgruppen auf der grünen Liste

Martin Horvath, Maria Racz und Anita Malli

Martin Horvath (Rom) , Maria Racz (Burgenland-Ungarin) und Anita Malli (Burgenland-Kroatin). Foto: Grüne Burgenland

Heute vor einem Jahr, am 31. Mai 2015, fand im Burgenland die 21. Landtagswahl statt. Den Grünen gelang es dabei, mit 11.964 Stimmen und 6,43 Prozent das zweite Mandat zurückerobern. Bemerkenswert: Erstmals waren auf einer Kandidat_innenliste alle burgenländischen Volksgruppen vertreten.

Im Bild: Der Roma-Aktivist Martin Horvath aus Oberwart/Erba, der als erster Rom überhaupt für den burgenländischen Landtag kandidierte; Maria Racz, Gemeinderätin aus Oberwart/Felsőőr mit ungarischer Muttersprache; und Anita Malli, grüne Landesgeschäftsführerin und Burgenlandkroatin aus Kroatisch Geresdorf/Gerištof.

Die Pflege der Volksgruppensprachen und -kulturen war den Grünen im Burgenland/ Zeleni/Zöldek/Selene schon seit ihrer Gründung ein Anliegen. Die langjährige Nationalratsabgeordnete und spätere Volksanwältin Terezija Stoisits, die Nationalratsabgeordnete Marijana Grandits und der Landtagsabgeordnete Joško Vlasich kämpften jahrelang auf Bundes- und Landesebene für zweisprachige Ortstafeln, eine verbesserte Situation in den Schulen und Kindergärten und Maßnahmen im Kulturbereich. Viele ihrer Vorschläge und Anregungen davon wurden umgesetzt.

Weitere Volksgruppen-Vertreter_innen kandidierten auf hinteren Listenplätzen und Bezirkslisten:

  • Christa Wagner, Siget in der Wart/Őrisziget
  • Joško Vlasich, Großwarasdorf/Veliki Borištof
  • Terezija Stoisits, Stinatz/Stinjaki
  • Sarah Szaffich, Kroatisch Geresdorf/Gerištof
  • Friederike Vukovich, Pandorf/Pandrof
  • Erwin Zeichmann, Unterpullendorf/Doljnja Pulja
  • Dorothea Kocsis, Unterpullendorf/Doljnja Pulja

151/366: Für eine neue Kultur des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten

Impuls Grün 3/1990 zur neuen Kultur des Zusammenlebens.

Impuls Grün 3/1990 zur neuen Kultur des Zusammenlebens.

Am 8. April 1990 wurde auf dem grünen Minderheitenkongress in Wien das Programm “Für eine neue Kultur des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten” beschlossen: “Weil jedes Kind einen Namen braucht, der zu ihm paßt, kann das grüne nicht Minderheitenprogramm lauten, sondern Programm für das Zusammenleben. Es ist also für beide Teile gedacht und ganz besonders für jene aus der Mehrheit, die nach alten Mustern denken. Die Verantwortung aller für das Zusammenleben – das macht den Unterschied, das neue Denken und die Opposition aus”. Das Programm und die Schilderung seiner Entstehung wurden in der Zeitschrift Impuls Grün 3/1990 abgedruckt.

Download des Programms: 151-neue-kultur-zusammenlebens (PDF, 3 MB)


Zur Entstehung des Programms

// Der Arbeitskreis “Minderheiten”, dessen Fortführung unter der Leitung und Koordination von Terezija Stoisits am Programmbundeskongreß beschlossen wurde, hatte gleich mehrere inhaltliche Aufgaben zu bewältigen:

  1. Die Erarbeitung eines umfassenden “Minderheitenbegriffes” auf der Grundlage moderner sozialwissenschaftlicher, politikwissenschaftlicher, bildungswissenschaftlicher, kulturwissenschaftlicher und psychologischer Erkenntnisse. Unter “Minderheiten” wurden im Arbeitskreis über die sogenannten “autochthonen” Minderheiten hinaus auch die sogenannten “neuen Minderheiten” (Gastarbeiter, Flüchtlinge, Asylwerber) verstanden.
  2. Die Erstellung von gesellschaftspolitischen Leitlinien (Grundsatzprogramm) für eine grün-alternative Politik und Kultur des Zusammenlebens zwischen Minderheiten und Mehrheiten. Die häufig verwendete Formel vom “Minderheitenprogramm der Grünen” trifft in zweierlei Hinsicht nicht den Kern der Sache. Sie wird einerseits den realen gesellschaftlichen Hintergründen von sogenannten “Minderheitenkonflikten” nicht gerecht und läßt andererseits die gesellschaftspolitischen Visionen einer alternativen Politik auf diesem Gebiet außer acht.
  3. Die Festlegung des Inhaltes des sogenannten “Minderheitenmandates” im Rahmen der Grünen Alternative auf der Basis eines Grundsatzprogrammes sowie die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung eines grün-alternativen Minderheitenkongresses. Auf diesem soll schließlich der Entwurf für ein Grundsatzprogramm diskutiert und beschlossen werden sowie die Wahl der Kandidatinnen für die Besetzung des “Minderheitenmandates” in der nächsten Legislaturperiode getroffen werden.

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150/366: 1992: Funktion der Bundessprecherin geschaffen

Vor 24 Jahren, von 29. bis 31. Mai 1992, fand im oberösterreichischen Gmunden der siebente Bundeskongress der Grünen Alternative statt. Die “Unvereinbarkeit” wurde abgeschafft: Es wurde beschlossen, dass in Zukunft auch Nationalrats- oder Landtagsabgeordnete dem Bundesvorstand angehören dürfen. Die Funktion einer Bundessprecherin / eines Bundessprechers wurde neu geschaffen, sie ersetzt seitdem den zweiten BundesgeschäftsführerInnen-Posten.

Zum ersten Bundessprecher wurde beim darauffolgenden Bundeskongress in Bad Gleichenberg im Oktober 1992 Peter Pilz gewählt, er hatte sich gegen Franz Floss durchgesetzt.

149/366: Die olympische Disziplin des Sesselrangelns. Warum Günther Nenning nicht kandidierte

Günther Nenning: Warum ich nicht kandidiere (1986)

Günther Nenning: Warum ich nicht kandidiere (1986)

“Ich kann kein elender Parteigänger sein, der nur dem einen Freund recht und Liebe gibt”, so begründete Günther Nenning, warum er 1986 nicht selbst für den Nationalrat kandidierte, “ich nehme politisches Asyl in den leuchtenden Augen und herzhaften Umarmungen von Grün-Menschen, die für die Bewegung arbeiten seit Jahr und Tag und gar nicht ins Verlegenheitsverhältnis kommen, unschöne Gier auf Sessel zu entwickeln”.

Download des Artikels im Originalformat: 149-nenning-warum-ich-nicht-kandidiere (PDF, 1 MB)


1. Wegen Sesselgerangel

Ich wollte und hab mir’s so schön vorgestellt. Jetzt ist’s mir zu schiach. In der olympischen Disziplin des Sesselrangelns hab’ ich das Handtuch geworfen. Wenn ich weiterhin meine unerträglichen Einigungsversuche fortsetzen will, darf ich nicht zugleich einen Sessel wollen.

Irgendwie mach’ ich’s immer falsch. Erst arbeit’ ich wie ein Viech, setz’ alles dran, Mut Blut Gut, dann flieg’ ich raus. Es muß wohl an mir liegen.

2. Zwecks Freiheit

Wieder frei. Vogelfrei. Mit einem Herzen, das wieder ruhig und stark schlägt.

Aus der Distanz, in die ich mich begeben habe, wird Häßliches wieder glückhaft unscharf; ich kann sie vergessen, die gierigen Kulleraugen, die saftelnden Lefzen. Aus der Distanz kann ich jetzt sagen: Die politische Notwendigkeit ist klar: Die Grünen müssen ins Parlament. Bitte wählt sie!

Für diese politische Notwendigkeit will ich weiterhin wie ein Viech arbeiten. Und ich brauch’ mich nicht mehr nächtlich zu fragen: Arbeitest du für die Grünen oder dafür, daß du ins Parlament kommst? Ich bin meine eigene Befreiungsbewegung. Ich habe mich befreit.

3. Verzichten können

149-nenning-warum-ich-nicht-kandidiere-2

Günther Nenning: Warum ich nicht kandidiere (1986)

Der grünen Gesamtbewegung tut’s jetzt gut, daß einer sagt: Ich verzichte.

Klar bin ich ehrgeizig. Aber sieh da: Ich kann mich einbremsen.

Ich hab’ meine Eitelkeit auf die Probe gestellt. Ist sie total oder ist das drin: das Zurücktreten ins grüne Allgemeine. Ich bin ein Ex-Promi.

Ich nehme politisches Asyl in den leuchtenden Augen und herzhaften Umarmungen von Grün-Menschen, die für die Bewegung arbeiten seit Jahr und Tag und gar nicht ins Verlegenheitsverhältnis kommen, unschöne Gier auf Sessel zu entwickeln. Ich fühle mich bei diesen Menschen gut aufgehoben. Lustvoller als nächtliches Sesselrangeln ist: auf Straßen und Plätzen Zettel verteilen voll kritischem Engagement: Wählt Liste Freda Meissner-Blau.

Ich bin schon wer, auch ohne Sessel.

Alter Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind! Aber die einzig feste Unterlage, die ein Mensch haben kann, ist doch: daß er in sich selbst ruht, als Kind Gottes. Ich bin schon wer, auch ohne Sessel. Einer unter 183 ist nicht so schön wie einer, der einer ist.

Mit 30 wäre ich der Versuchung vielleicht erlegen. (Vielleicht auch nicht, denn mit 30 hätte ich leicht SPÖ-Abgeordneter werden können.) Mit 65 war die Versuchung nicht mehr so groß. Ich komme immer näher an ein Gericht, wo nicht gefragt wird, warst du fromm, sondern ganz weltlich primitiv: Warst du halbwegs anständig?

Vorher hätt’ ich noch gern ein paar schöne Jahre: Ein ruhiges Gewissen nicht als Ruhekissen, sondern als elastische Unterlage für fortgesetzte Arbeit. Weiterlesen

148/366: VDB für einen Politikwechsel in Österreich

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Alexander Van der Bellens Bewerbung für Platz 1 der Bundesliste (1998)

Beim 17. Bundeskongress der Grünen in Bregenz im Oktober 1998 wurde die Bundesliste für die Nationalratswahl 1999 gewählt. Auf Platz 1 wurde der Wirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen gewählt, danach folgten Madeleine Petrovic, Terezija Stoisits, der “Quereinsteiger” Kurt Grünewald aus Tirol und Theresia Haidlmayr. Auf Platz 6, dem voraussichtlichen “Kampfmandat” der Bundesliste, landete Peter Pilz. Die Grünen legten bei dieser Wahl um 2,59 Prozentpunkte auf 7,40 % zu und erlangten vierzehn Mandate. Hier der Text der Bewerbung von VDB aus dem Programm des BuKo.


// Die Einheit in der Vielfalt zu verkörpern – mit diesem “Amtsverständnis” bin ich vor gut einem Jahr zur Wahl des Bundessprechers angetreten. Mein Ziel war es zunächst die interne Konsolidierung und die notwendige Korrektur unseres öffentlichen Erscheinungsbildes voranzutreiben. Durch die Konkretisierung zentraler grüner Forderungen wie der ökosozialen Steuerreform, der sozialen Grundsicherung und dem entschiedenen Nein zu einem NATO-Beitritt konnte der interne Meinungsbildungsprozeß verbessert, unser Gestaltungswille gefestigt und unser Oppositionsprofil gestärkt werden. All das ist Voraussetzung für gemeinsames Wahlkämpfen.

Der Bundeskongress stand unter dem Motto "Politik mit Pfiff und Verstand".

Der Bundeskongress stand unter dem Motto “Politik mit Pfiff und Verstand”.

Die breite Unterstützung, die ich in diesem Jahr erfahren habe – und darunter verstehe ich selbstverständlich auch so manche Kritik – motiviert und ermutigt mich als Spitzenkandidat für die Grünen in die Nationalratswahlen 1999 zu gehen – nicht alleine, sondern mit Euch. Erfolgreich werden wir sein, wenn wir geschlossen, konsequent und offensiv für einen Politikwechsel in Österreich wahlkämpfen. Die Grünen sind eine gesellschaftspolitische Kraft, die verändern will. Politikwechsel bedeutet für uns Druck zu machen. Widerstand zu leisten und Grünen Gestaltungswillen zu demonstrieren – für eine ökologische Modernisierung, für eine solidarische Gesellschaft, für die Menschenrechte. Dann wird Grün gewinnen!//

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