Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Autor: Grünes Archiv (Seite 20 von 38)

Das Grüne Archiv ist die Gedächtnisinstitution der grünen Bewegung und eine Serviceeinrichtung der Grünen Bildungswerkstatt für Grünbewegte, ForscherInnen und alle anderen Interessierten.

187/366: Ärger mit Behörden? Rent-a-demo hilft Ihnen

Rent-a-demo (1987)

Rent-a-demo (1987)

Falls Sie ein Anliegen haben und bezahlte Berufsdemonstrierer_Innen benötigen, ist die Grüne Bildungswerkstatt Oberösterreich gerne behilflich. Dieses – dreimal unterstrichen! – SATIRISCHE Fundstück stammt aus dem Grünen Archiv Oberösterreich und wurde 1987 veröffentlicht 🙂


Ärger mit Behörden? Nachbarn? Vorgesetzten? Diesem Scheißstaat? Rent-a-Demo hilft Ihnen.

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  • Mini-Demo (für Preisbewußte): 1 Original-Hausbesetzer auf Öko-Fahrrad. Dauer: 5 Minuten.
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    *) Stillende Mütter auf Anfrage.


    Download als PDF: 187-rent-a-demo (0,6 MB)

185/366: Madeleine Petrovic, der gute Mensch von Döbling

Madeleine Petrovic.

Madeleine Petrovic.

Madeleine Petrovic feierte vor kurzem ihren 60. Geburtstag. Zu diesem Anlass bringen wir heute das Portrait “Der gute Mensch von Döbling”, das Jürgen Brües 1993 für die Zeitschrift “Impuls grün” verfasst hat. Petrovic “verkörpert wie kein anderes Mitglied der alternativen Parteispitze das Bild der grünen Politikerin der neunziger Jahre: Intelligent und dabei ohne Arroganz, kompromißfähig und trotzdem grundsatztreu, in Sachfragen kompetent und emotional engagiert”.


//zitat// Ein Jahr vor der Nationalratswahl ist die Lage der Grünen ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Hoffnungen ruhen auf der Madeleine Petrovic.

Michael Graff, derzeit medienverwöhnter Querkopf der Volkspartei, ist voll des Lobes über die Frau, die ihn als Anwalt für die Verfassungsklage gegen das Aufenthaltsgesetz engagieren wollte: “Sie imponiert mir außerordentlich. Ich habe noch nie eine Person gesehen, die zu so vielen Materien fundiert Stellung nehmen konnte. Besonders imponiert, obwohl letztendlich natürlich auch gelangweilt, hat mich ihre Filibusterrede. Aber auch da war sie in der siebten Stunde noch besser als mancher Abgeordnete in der ersten Viertelstunde”.

Zu Madeleine Petrovic fällt den Befragten, seien sie Grüne oder Andersfarbige, nur Gutes ein.  Helmut Peter, neoliberaler Wirtschaftstreibender kann sich die “Musterschülerin” (Falter) als Umweltministerin vorstellen, sein (Ex-)Freund Jörg Haider weiß nichts “Schlechtes über sie zu berichten”. Selbst der freiheitliche Tankwart Meischberger grüßt sie auf den langen Parlamentsgängen viel “lieber als den Voggenhuber”.

Günter Nenning, der wandelbare und verwandelte “Ex-Auhirsch” (Trend), der heute gern mit Haider und Krenn debattiert, findet warme Worte für die Aufsteigerin: “Sie ist lieb, jung und hübsch, und sie wird es bei den Grünen noch ganz nach oben schaffen”.

Gesagt, getan. Im Juni designiert sie der Erweiterte Bundesvorstand einstimmig zur Spitzenkandidatin für die kommende Nationalratswahl; der Bundeskongreß vierzehn Tage vor Weihnachten wird Madeleine Petrovic wohl eine Bestätigung jenseits der 90%-Marke bescheren. Daß ihr von Parteikolleginnen Rosen gestreut werden, verwundert nicht. Verkehrssprecher Rudi Anschober kennt “keine Politikerin, bei der Theorie und Praxis so übereinstimmen”. Und für Peter Pilz ist sie “fast zu gut für die Politik.”

Madeleine Petrovic am Cover von Impuls Grün.

Madeleine Petrovic am Cover von Impuls Grün.

Der gute Mensch aus Döbling, jetzt wohnhaft in Hietzing. Tochter eines Fuhrunternehmers und einer Verkehrsreferentin der Bundeswirtschaftskammer, verheiratet mit einem kroatischen Mann und Mutter zweier Töchter, verkörpert wie kein anderes Mitglied der alternativen Parteispitze das Bild der grünen Politikerin der neunziger Jahre: Intelligent und dabei ohne Arroganz, kompromißfähig und trotzdem grundsatztreu, in Sachfragen kompetent und emotional engagiert. “Sie ist der menschlichste Mensch. dem ich je begegnet bin”, sagt Terezija Stoisits.

Eine Eigenschaft, die in der Politik, zumal in der Opposition, nicht nur positiv gesehen wird. Sozialsprecher Franz Floss hält Petrovic zwar “für das beste personelle Angebot, das wir den WählerInnen präsentieren können”, vermißt allerdings im Sinne “einer harten und konsequenten Opposition” eine gewisse Schärfe im öffentlichen Auftreten. “Die Grünen dürfen nicht nur die ‘Ach-wie-nett-Partie’ werden”, fürchtet auch Pius Strobl ein zu freundliches Image. Parteisprecher Peter Pilz wird somit [die Rolle] des radikalen Verbalartisten zufallen. So sieht es auch die Kandidatin: “Menschen und der Stil des Angriffs haben nicht ausgedient. Manchmal ist absolut angesagt, eine Breitseite loszulassen”.  //zitatende//


Zum Weiterlesen: Download des gesamten Artikels: 185-madeleine-petrovic-artikel (PDF, 6 MB)

184/366: Josef Riegler über schwarz-grün

10 Jahre schwarz-grün. Eine Spekulation.

10 Jahre schwarz-grün. Eine Spekulation.

Nach der Nationalratswahl 2002 verhandelten ÖVP und Grüne intensiv über eine Koalition. Am 16. Februar 2003 brachen die Grünen die Verhandlungen ab – man hatte sich auf vielen Gebieten einigen können, aber in einigen zentralen Punkten nicht. Was wäre heute anders, wenn diese Koalition zustandegekommen und für zwei Perioden geblieben wäre? Diesen Fragen ging die Julius-Raab-Stiftung 2013 im Sammelband “10 Jahre schwarz-grün. Eine Spekulation” nach. PolitikerInnen von ÖVP und Grünen sowie JournalistInnen überlegten, wie eine spekulative Bilanz von zehn Jahren Schwarz-Grün aussehen könnte.

Mit freundlicher Genehmigung der Julius-Raab-Stiftung veröffentlichen wir im Blog den Beitrag “Eine vertane Chance? Über die Argumente der ‘Initiative schwarzgrün’ aus dem Jahr 2004 für das Projekt einer schwarz-grünen Politik – und ihre Relevanz für heute” von Josef Riegler. Eine der eindrücklichsten Passagen daraus: “Wir dürfen das Schicksal Europas nicht den Demagogen und Polarisierern überlassen, die mit nationalistischer Aufwiegelung und dem Schüren von Ressentiments im Trüben fischen wollen”.

Der Steirer Josef Riegler war von 1972 bis 1992 aktiver ÖVP-Politiker, unter anderem Bauernbunddirektor, Nationalratsabgeordneter, Landwirtschaftsminister, Vizekanzler und Bundesparteiobmann der ÖVP. Er gründete 1992 das Ökosoziale Forum Österreich und 2001 das Ökosoziale Forum Europa. Riegler prägte den Begriff der Ökosozialen Marktwirtschaft und engagiert sich bei der Global Marshall Plan-Initiative.


// Im Jahr 2004 publizierte eine “Initiative schwarzgrün” das Buch “Die Ökosoziale Wende? Perspektiven und Horizonte einer schwarz-grünen Politik”. Man wollte damit auf eine mögliche zweite Chance nach den Nationalratswahlen 2006 inhaltlich besser vorbereitet sein. Das Wahlergebnis vereitelte dann allerdings ein solches Vorhaben. 2008 hätte Wilhelm Molterer aus Überzeugung eine Regierungszusammenarbeit mit Alexander Van der Bellen gesucht. Wieder machte das Wahlergebnis einen Strich durch die Rechnung, und für beide endete die Zeit der Parteiobmannschaft. Angesichts aktueller Meinungsumfragen ist es ein mehr als wagemutiges Vorhaben, neuerlich ein Buch über eine schwarz-grüne Perspektive zu schreiben. Aber wer weiß – vielleicht wird Wagemut eines Tages belohnt.

Argumente von damals

Die ökosoziale Wende.

Die ökosoziale Wende. Perspektiven und Horizonte einer schwarz-grünen Politik.

Es ist jedenfalls von Interesse, einige der Argumente in Erinnerung zu rufen, die im besagten Buch 2004 für das Projekt einer schwarz-grünen Politik genannt wurden:

  • Volkspartei und Grüne einen fundamentale Werte: Liberalität, Menschenwürde, Nachhaltigkeit, Solidarität, Subsidiarität, Weltoffenheit und Wertorientierung.
  • In vielen Sachfragen wäre vernünftige Politik möglich: Integration; privates Angebot im Sozialbereich; entstaatlichte Solidarität; Ökosoziale Marktwirtschaft; Kultur- und Medienpolitik
  • Eine solche Koalition hätte Vorbildfunktion für ganz Europa.
  • Die Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte sind sehr stark ökologisch geprägt. Eine Koalition der Zukunft muss also Kompetenz und Verantwortung in diesem Bereich beweisen. Auch hier treffen mit ÖVP und Grünen zwei Kräfte aufeinander, die dies früh erkannt haben.

Auf Seite 12 in “Die Ökosoziale Wende” heißt es dann resignierend: “In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar 2003 war der kurzweilige Traum dann ausgeträumt. Ein erschöpfter Alexander Van der Bellen erklärte das Ende der Verhandlungen. Noch am Abend desselben Tages attestierte Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat den Verhandlern Professionalität und Regierungsfähigkeit.”

Nun wird nach dem “was wäre wenn…?” gefragt. Mehr als eine intellektuelle Gedankenspielerei? Wer weiß – man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Gedanken können Dynamik entwickeln. Weiterlesen

183/366: Die erste grüne Volksanwältin

Dass Terezija Stoisits sich nicht erst als Volksanwältin für die Menschenrechte eingesetzt hat, zeigt dieser Artikel aus dem Jahr 1994.

Dass Terezija Stoisits sich nicht erst als Volksanwältin für die Menschenrechte eingesetzt hat, zeigt dieser Artikel aus dem Jahr 1994.

Heute vor neun Jahren, am 1. Juli 2007, trat Terezija Stoisits ihr Amt als erste grüne Volksanwältin Österreichs an. Ihr Schwerpunkt lag auf BürgerInnen- und Menschenrechten; ihr Arbeitsgebiet umfasste unter anderem die Bereiche Polizei, Fremdenrecht, Denkmalschutz, Kunstförderung, Universitäten und Fachhochschulen, öffentliche Pflichtschulen, Autobahnen, Straßenbemautung, Umwelt- und Naturschutz, UVP-Verfahren, Wasserrecht, Tourismus, Gewerberecht, Kindergartenwesen etc. Die Amtszeit von Volksanwältin Stoisits dauerte bis Ende Juni 2013. Da die Grünen nach den Nationalratswahlen 2008 nicht mehr drittstärkste Partei waren, stand ihnen eine Nominierung für eine zweite Amtszeit nicht mehr zu.

Lisa Nimmervoll schrieb im “Standard” vom 25. Oktober 2006 anlässlich der Ankündigung von Stoisits’ Designierung:

Mit Stoisits wird eine unermüdliche, streitbare Kämpferin für Menschenrechte, Minderheiten-, Asyl- und Ausländerfragen zur Volksanwältin gemacht, die sich durch ihre politische Arbeit auch gefährliche politische Gegner geschaffen hat. 1993 geriet die exponierte Politikerin ins Visier von Briefbomber Franz Fuchs. Einer der Sprengsätze war an sie adressiert, wurde aber abgefangen. Stoisits arbeitete unbeirrt und für viele unbequem weiter – und wurde zum Feindbild der Rechtsaußen-Fraktion: Frau, “Krowotin”, Linke. Ideale Projektionsfläche für rechte Phobiker.

Auf das frei werdende Nationalratsmandat rückte Albert Steinhauser, Jurist und langjähriger Landessprecher der Wiener Grünen, nach.

182/366: Die Fans vom anderen Ufer. Homophobie im Fußball

Fans vom anderen Ufer. Broschüre der Wiener Grünen

Fans vom anderen Ufer. Broschüre der Wiener Grünen

Unser heutiges Archivfundstück haben wir passend zur Fußball-Europameisterschaft ausgewählt: 2006 veröffentlichten die Wiener Grünen eine Broschüre zum Thema Homophobie im Fußballsport. Marco Schreuder, damals Wiener Gemeinderat und Sprecher der Grünen Andersrum, in seinem Vorwort: “Bei der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland werden wieder Millionen Menschen weltweit gebannt die Spiele verfolgen, bis feststeht, wer sich Weltmeister nennen darf. Fußball wird das Hauptthema in Büros, in Familien, unter Nachbarinnen und auf den Straßen sein, die Welt scheint nur noch ein einziges Gesprächsstoff kennen. Für Lesben, Schwule und TransGender gilt die Welt rund um die angeblich ‘bedeutendste Nebensache der Welt’ aber immer noch als eine, zu der sie nicht gehören können, wollen oder zu der sie keinen Zugang finden. Und wenn sie dazu gehören, wird die sexuelle Orientierung lieber versteckt. Das gilt für Fans und für SpielerInnen”.

Download der gesamten Broschüre: 182-fans-vom-anderen-ufer (PDF, 5 MB)

Im Blog bringen wir den Beitrag “Fußballfans sind keine besseren Menschen” von David Ellensohn. Ein Zitat daraus zum Einstieg: “Wenn Fanblöcke rassistische Reime schmettern, dann wendet sich manch manierliches Bürgerkind mit Grausen ab. Wenn hingegen die derzeitige Bundesregierung die Asylgesetze verschärft, fehlt bei eben diesen die notwendige schonungslose Kritik”.


// Fußballfans sind nationalistisch, rassistisch, antisemitisch und homophob. Auch. Fußballfans sind wie Politiker und Politikerinnen, sind wie Lehrlinge, sind wie Studierte. Im österreichischen Parlament sitzen Rassisten, im Bundesrat versitzen Holocaust-Verharmloser ihre wertlose Zeit, Regierungsmitglieder treten offen gegen gleiche Rechte für Schwule und Lesben auf. Aber wenn sich in Fußballstadien nicht nur freundliche, weltoffene, tolerante Menschen die Zeit vertreiben, dann schaut so manche und so mancher pikiert und trägt ein überraschtes Gesicht zur Schau. Im österreichischen Parlament sitzen Anti-Rassisten, im Bundesrat wird das Verharmlosen des Holocaust angeprangert und irgendwann werden nicht nur spanische und holländische Regierungsmitglieder offen für gleiche Rechte von Schwule und Lesben eintreten. Fußballfans sind wie Politiker und Politikerinnen. Fußballfans denken international, antirassistisch, antifaschistisch und setzen sich für Schwule und Lesben ein. Auch.

Ich bin Fußballfan

Ich bin Fußballfan, drücke dem FC Liverpool des öfteren auch live an der Anfield Road die Daumen, pilgere ins Happelstadion, um Hickersbergers Schützlingen auf die Beine zu schauen und zittere bei der WM einmal mehr ergebnislos mit meinem Mutterland England mit. Weiterlesen

180/366: Von Schlappis zu Yuppies? Der neue Stil der Grünen

Von Schlappis zu Yuppies?

Von Schlappis zu Yuppies?

“Wo der Atomtod drohend das Haupt reckte, die letzten Flüsse ölig dahinsiechten, der Klapperstorch längst aus der Au vertrieben war, verschwendete niemand einen Gedanken an Krawatte oder Kostüm. Angesichts der bevorstehenden und vorüberziehenden Katastrophen waren Gedanken an die angesagte Kleiderordnung blasphemischer Natur”. Mit seinem Artikel “Vertrauensbildende Maßnahmen. Anmerkungen zur Äußerlichkeit, traditionelle Schwäche guter grüner Menschen” greift Jürgen Brües im “Impuls grün” vom November 1994 die Latzhosen- und Birkenstockklischees auf. Aber was spricht eigentlich – aus heutiger Sicht – gegen bequeme Ökokleidung? Wie wichtig ist uns das Outfit von Politikern und Politikerinnen?


// Es gab Zeiten, da war alles einfach. Außenwelt und Innenwelt stimmten aufs trefflichste überein: Wo der Atomtod drohend das Haupt reckte, die letzten Flüsse ölig dahinsiechten, der Klapperstorch längst aus der Au vertrieben war, verschwendete niemand einen Gedanken an Krawatte oder Kostüm. Angesichts der bevorstehenden und vorüberziehenden Katastrophen waren Gedanken an die angesagte Kleiderordnung blasphemischer Natur.

Schlabberlook Marke selbstgestrickt

In guter mitteleuropäischer, genaugenommen deutscher Tradition sollten in Kreisen pazifistischer und ökologischer WeltenretterInnen Fragen der Äußerlichkeit die Dominanz der guten Gesinnung nicht verwischen. Das Edle durfte durch den Talmiglanz schimmernder Oberflächen nicht getrübt werden. Aber: Gerade durch die Ablehnung des “Modediktats” schickte die Alternativbewegung der späten Siebziger und frühen Achtziger ihr eigenes Outfit — Schlabberlook Marke selbstgestrickt —als Mitteilung in alle Welt hinaus. Das Klischee der schlurfenden LatzhosenpolitikerInnen ward geboren. Der Mode ist so leicht nicht auszukommen. Sie ist, so schreibt der VOGUE-Redakteur Ulf Porschardt in einer SPIEGEL-Spezialausgabe zu Pop und Politik, “per se kommunikativ. Je feiner und raffinierter ein Stil ist, um so mehr erzählt er über seinen Träger. Er berichtet vom Wissen des Trägers, von dessen Selbstbewußtsein, von seinem Charme, seiner Zugehörigkeit zu einer Subkultur, ja von seiner Intelligenz.”

Buttons, Jeans und Parka

Die Alternativbewegung und mit ihr die Grünen verstanden die besonderen Botschaften des Äußerlichen, Öffentlichen nur langsam. Sie hatten von ihren eigenen optischen Codes unwissentlich profitiert, als die Angst vor dem atomaren Krieg unter den Menschen und dem ökologischen Krieg gegen die Natur die Massen vornehmlich in Europa auf die Straßen und in die Initiativen trieb. Bunte Buttons als Erkennungszeichen verbanden die Wohlmeinenden miteinander, Jeans und Parka trennten die “Ökopaxe” (Spiegel) von mit den grauen Anzügen ausstaffierten PolitbürokratInnen. Weiterlesen

179/366: Grüne in der Familie – was tun?

Sie hat es mit der Grünen Alternative, was tust Du?

Sie hat es mit der Grünen Alternative.

Für die Gemeinderatswahl 1987 kandidierten im Wiener Bezirk Josefstadt Manfred Seibt, Alexander Holzer, Martin Margulies, Günther Taschner, Hedvig-Doris Spanner-Tomsits und Renate Saßmann. Für Leute, die plötzlich Grünsympathisant_innen in der Familie haben, schrieben sie das augenzwinkernde Faltblatt “Eines Tages fällt Dir auf, sie hat es mit der Grünen Alternative, was tust Du?” 😉


  • Du bist sprachlos.
  • Du lächelst spöttisch: Das ist ein einmaliger Emanzipationsversuch.
  • Du denkst: Was nützt ihr das? Wien wird ohnehin Umwelt-Muster-Stadt und außerdem gibt es noch einen Mann mit Programm.
  • Du rufst deine Mama an: Dein Vater hebt ab und sagt, daß sie zurückrufen werden. Sie hätten keine Zeit, da sie jetzt beide für die Grüne Alternative plakatieren gingen.
  • Du verstehst die Welt nicht mehr.
Grüner Punkt.

Grüner Punkt.

  • Du überlegst: Die beiden sind halt unverbesserliche Radlfahrer und nur durch den langsamen und halbherzigen Ausbau der Radwege zu diesem extremen Schritt bewogen worden.
  • Du bist überzeugt: Wenn sie schon nicht mit dem Auto fahren wollen, könnten sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Geld genug haben sie ja. Und du selbst erwischt, weil du ein schneller und ausdauernder Läufer bist, ja fast jeden Anschluß. Und beim langen Warten lernt man die nettesten Leute kennen.
  • Du zweifelst: Langsam sind sie ja, die Straßenbahnen. Vielleicht sollte doch jemand in der Bezirksvertretung die immer wieder versprochenen Beschleunigungsprogramme durchsetzen.
  • Du triumphierst: Die bessere Luft im Bezirk haben wir aber nicht der Grünen Alternative zu verdanken, denn das Spittelauer Fernheizwerk ist ja ohne deren Zutun verschwunden.
  • Du überlegst kurz, mit den Kindern zu einem der Kinderspielplätze in deinem Bezirk zu gehen. Da den Kindern aber die Hundescheiße vom letzten Mal noch an den Schuhen klebt, bleibst du zu Hause.
  • Du erinnerst dich: Es gibt ja einen AL-Bezirksrat im 8. Bezirk. Der darf aber zu jedem Thema nur 2 Diskussionsbeiträge liefern.
  • Frischluft

    Grüne bringen Frischluft.

    Du braust auf: Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen. Die Großparteien tun ja im Bezirk was sie wollen und in Wirklichkeit geht viel zu wenig weiter. Es müssen ein paar Leute her, die helfen, daß Initiativen und einzelne Bürger den Bezirk mitgestalten können.

  • Du erschrickst und entdeckst bei dir leichte Sympathien für die Grüne Alternative, beruhigst dich aber gleich wieder, wenn du an die derzeitige, von deinen Steuergeldern bezahlte, überzeugende Wien-Werbung denkst. Wien ist ja anders.
  • Du erkennst: Wenn du alles berücksichtigst was im Bezirk, geschieht und nicht geschieht und wenn du in deinem Bezirk mitgestalten möchtest, wirst du dich auch für mehr grünalternative Bezirksräte im Bezirk einsetzen müssen.

    Download des gesamten Faltblattes: 179-sie-hat-es-mit-der-gruenen-alternative (PDF, 0,4 MB)

178/366: Wanderjahre der ewig Interessierten

Freda Meissner-Blau: 88 Lern- und Wanderjahre. Im Gespräch mit Gert Dressel. Wien: Amalthea 2014, 978-3-85002-897-4

Freda Meissner-Blau: Die Frage bleibt. 88 Lern- und Wanderjahre. Im Gespräch mit Gert Dressel, Amalthea 2014

Die Besetzung der Hainburger Au 1984 und ihre Präsidentschaftskandidatur 1986 machten Freda Meissner-Blau zu einer der Pionierinnen der österreichischen Umweltbewegung und zur Galionsfigur der Grünen. 2014, ein Jahr vor ihrem Tod, erschien ihre Autobiographie “Die Frage bleibt. 88 Lehr- und Wanderjahre” im Amalthea-Verlag. Im Rückblick auf 88 Jahre ihres Lebens erzählt Freda Meissner-Blau von den wesentlichen Um- und Aufbrüchen ihres Lebens.  Mit freundlicher Genehmigung des Amalthea-Verlags veröffentlichen wir hier den Prolog.


// Gert Dressel: Wir könnten Ihre autobiographischen Rückblicke ganz klassisch beginnen: Geboren 1927 in Dresden, die ersten Jahre Ihres Lebens haben Sie im nordböhmischen Reichenberg verbracht, die weitere Kindheit und Jugend in Linz und Wien und immer so weiter. Das sagt aber noch wenig darüber aus, wer oder was Sie sind. Wenn Sie sich kurz beschreiben müssten, was fällt Ihnen da spontan ein? Wer, was und wie ist Freda Meissner-Blau?

Freda Meissner-Blau: Ich habe so lange gelebt, Gert, dass ich das gar nicht sagen kann. Ich war in meinen jetzt 87 Lebensjahren dauernd in Veränderung. Mein Leben ist ja geprägt durch Wandel, mit viel Passion für das Leben und für den Gang der Welt, mit vielen Interessen, zu denen immer wieder neue kamen. Wenn ich mich schon definieren muss, dann würde ich mich als ewig Interessierte definieren, als immer Wissen-Wollende.

Mein hohes Alter bringt es mit sich, dass ich oft gebeten werden, das eine oder andere aus meinem Packerl an Erfahrungen zu erzählen. Erst kürzlich hat mich die durchaus engagierte Barbara Stöckl vom ORF gefragt: “Was waren die markanten Punkte Ihres Lebens?” Ich begann mit dem Februar 1934; vielleicht hat mich das Parlament, wo das stattfand, dazu herausgefordert: “Ich erinnere mich, ich war fast sieben Jahre alt, als in Linz und Wien die Heimwehr auf die Arbeiter geschossen hat und ich nicht auf die Straße gehen durfte – striktes Verbot! Und die nächsten Verbote kamen dann im März 1938”. Ich begann zu erzähen, wie ich mit meiner Schwester in Linz auf eine unüberblickbare Menge gestoßen bin, die brüllte: “Wir wollen unseren Führer sehen!” Es war eine überwältigende, erschreckende Stimmung, die ich da erlebte – die aber auch einen eigentümlichen Sog hatte. “Ja, und das war an meinem elften Geburtstag”. Da unterbrach mich die Interviewerin auch schon: Aber ich sei doch bekannt für den Umweltschutz, für den Kampf um Hainburg, als Pionierin der Grünen in Österreich. Ich wurde auf dieses Thema reduziert. “Ja, das waren sicher wichtige Momente”, sagte ich, “aber nicht so wichtig, wie das von außen aussehen mag.” – “Wussten Sie damals, dass Sie österreichische Geschichte geschrieben haben?” – “Nein, überhaupt nicht. Ich habe das getan, was ich im Moment als dringend notwendig erachtet habe, was mein Gehirn und mein Herz mir angeordnet haben.” – “Sind Sie jetzt stolz drauf?” – “Stolz, nein, ich bin zufrieden und froh, dass es die Au noch gibt. Was heißt stolz? Sie vergessen, ich war doch nicht die Einzige, wir waren Tausende.” Als ob ich eigenhändig mit der linken Hand die Au gerettet hätte!

Also, was war in meinem Leben markant? Weiß ich gar nicht. Es gab viele Hochs und viele Tiefs – als Teile, die ein Ganzes ausmachen. //

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