Gewähren Sie Rasenfreiheit! Der erste Beitrag unseres Gastautors Stefan Wolfinger widmet sich der Burggarten-Bewegung, die eines der ersten Lebenszeichen der Alternativbewegung in Wien darstellte.

Kyle Cheungs Bild aus dem Burggarten: “Keep off the lawns! Lawns were made to be lied upon”. Flickr, 13. Juni 2011, CC-BY-NC-ND
Heutzutage werden hier Lachyoga-Runden abgehalten, Ice Cream Festivals gefeiert, Slacklines zwischen den Bäumen gespannt. Gruppen von Einheimischen und TouristInnen sitzen wie selbstverständlich auf dem Rasen. Ende der siebziger Jahre war der Wiener Burggarten jedoch ein Ort, an dem nicht nur symbolisch darum gekämpft wurde, wem der öffentliche Raum gehört. Damals gab es in Wien kaum Freiräume für Jugendliche, an denen sie sich ohne Konsumzwang treffen oder Veranstaltungen organisieren konnten. Dagegen wehrten sich spontan gegründete hierarchielose Gruppen von jugendlichen AktivistInnen, die sich im Frühjahr 1979 zur so genannten “Burggarten-Bewegung” formierten.
Über das strenge Verbot des Betretens der öffentlichen Grünfläche des Burggartens wachten Polizisten der nahe gelegenen Wachstube. Unterstützt wurden die Ordnungshüter auch von älteren ParkbesucherInnen, die Verstöße mit Empörung und Genuss meldeten.
Unter dem Motto “Freiheit für den Burggarten” begannen die AktivistInnen damit, sich einfach ins Gras zu setzen. Die Gegenseite reagierte zunächst noch harmlos: Sie begann, den Rasen beständig zu bewässern, um die Sit-ins möglichst unangenehm zu gestalten. Die DemonstrantInnen hielt das nicht ab, im Gegenteil: Sie fanden sich weiterhin jeden Samstag im Burggarten zusammen und ihre Zahl wuchs im Laufe von Frühjahr und Sommer 1979 auf 200 bis 300 an. Die AktivistInnen trafen sich auch regelmäßig zu Plenarversammlungen im Amerlinghaus und stellten politische und gesellschaftskritische Forderungen auf, etwa die nach einem selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrum.
Der “Kronen Zeitung” war die Bewegung suspekt. Sie behauptete, dass die Jugendlichen nicht nur unerlaubterweise die Grünfläche betreten, sondern sich auch zu öffentlichem Rauschgiftkonsum, Sexorgien und sogar zum Entenmord treffen würden.
Am 15. September 1979 wurden die DemonstrantInnen schließlich von der Polizei im Burggarten eingeschlossen und mit Gummiknüppeln vom Rasen geprügelt oder verhaftet. Doch schon am nächsten Tag kamen erneut DemonstrantInnen, diesmal auch eine Gruppe, die von “Skandalsängerin” Nina Hagen angeführt wurde: Die Künstlerin hatte am Vortag von den Protesten gehört und die BesucherInnen ihres Konzertes aufgerufen, sich den AktivistInnen anzuschließen. Wieder wurden DemonstrantInnen, die sich den Anordnungen der Polizei widersetzten, mit Gummiknüppeln und Faustschlägen “zur Vernunft” gebracht. Einige wurden auch an den Haaren ins Polizeikommissariat geschleift. Weiterlesen
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