Christof Parnreiter sprach mit Freda Meissner-Blau über die "mangelnde Radikalität" der Grünen und über Fredas möglichen Anteil daran.

Christof Parnreiter sprach mit Freda Meissner-Blau über die “mangelnde Radikalität” der Grünen und über Fredas möglichen Anteil daran.

“Wenn man den Kampf aufnimmt gegen die Erniedrigung und Ausbeutung der Menschen und der Vernichtung der Natur, dann darf man sich nicht anpassen”, richtete Freda Meissner- Blau den Grünen 1990 aus, der katholische Hirtenbrief sei progressiver als die aktuellen Programme. Das Interview von Christof Parnreiter erschien in der Alternativen Monatszeitung MOZ vom 16. Februar 1990. Titel: “Angepasst und ohne Gesellschaftsanalyse”.


MONATSZEITUNG: Sie haben kürzlich der grünen Partei endgültig den Rücken gekehrt. Warum?

MEISSNER-BLAU: Das hat mehrere Gründe. Ich bin nie in die Politik gegangen, um Karriere zu machen, ich bin seinerzeit – nach Hainburg – gebeten worden, gegen Waldheim, Steyrer und Scrinzi zu kandidieren. Und dann bin ich, weil ich bekannt war, gebeten worden zu helfen, die Tür für eine vierte parlamentarische Kraft aufzumachen. Mein Interesse war, die Leute reinzubringen und nach Lösung der Anfangsschwierigkeiten zu gehen. Das Ausscheiden aus dem Parlament war also geplant.

MONATSZEITUNG: Ihren Parteiaustritt haben Sie allerdings auch mit inhaltlicher Kritik verbunden.

MEISSNER-BLAU: Die Programme, die jetzt erstellt wurden, gaben mir den letzten Anstoß. Das sind Programme für eine Schönheitspartei, aber nicht für eine radikale Umwelt-, Sozial- und Demokratiepolitik. Da ist doch der katholische Hirtenbrief progressiver. Dinge, die wir schon vor Jahren verlangt haben, wie der Grundlohn, sind nicht drinnen. Es gibt keinerlei Systemanalyse. Man beschränkt sich vorwiegend auf die Skandale: Skandale, die die wirklichen Skandale dieses Landes vertuschen. Ich halte diese Art von Skandalisierung für eine sehr fragwürdige Politik, auch wenn man sich sehr populär machen kann damit. Erst einmal müßte man eine Systemanalyse machen, dann käme man darauf, daß in einem System, in dem profitorientierte Wirtschaft die einzige Grundlage des Staates ist, die Korruptionen nur ein Symptom dieses Systems sind. Das selbe gilt für die Umweltpolitik: Es gibt keine Analyse, warum nichts von dem, was wir seit 20 Jahren fordern, durchgesetzt wird und auch nicht durchgesetzt werden wird, außer kleinen kosmetischen Eingriffen. Ich würde mir von einer grünalternativen Partei erwarten: aufzudecken, warum nichts passiert. Oder: Kein Wort in diesem Programm, daß unsere Wirtschaft auf der Ausbeutung und dem Hungertod von Millionen Menschen basiert. Auch da gibt es keine Analyse, was in diesem System passiert.

MONATSZEITUNG: Die Grünen sind zu angepaßt, zu wenig radikal? Weiterlesen