Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Monat: Juli 2016 (Seite 3 von 4)

193/366: Von der Großstadt zum Bauernkaff?

Leserbrief.

Leserbrief.

“Euer Ziel scheint zu sein, aus der Großstadt Wien ein Bauernkaff zu machen. Wer vor seiner Haustür einen eigenen Baum haben will, soll nach Niederösterreich ziehen”, richtete Emil Schrittwieser den Floridsdorfer Grünen aus. Er setzt freundlicherweise fort: “Wir haben in Wien schon so viele Arschlöcher, sodaß es auf Euch auch nicht mehr ankommt”. Der Leserbrief wurde in der Zeitschrift “Floh” 6/1992 abgedruckt.

Ob der Schreiber gesehen hat, dass auch im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs nicht vor jeder Haustür ein Baum steht? 😉

192/366: Antrittsrede von Helene Jarmer

Heute vor sieben Jahren, am 10. Juli 2009, wurde die Pädagogin Helene Jarmer als erste gehörlose Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat angelobt. Jarmer ist weltweit – nach einer südafrikanischen und einer griechischen Politikerin – die dritte gehörlose Abgeordnete zu einem nationalen Parlament. Hier ihre Antrittsrede, in der sie ihren Kolleginnen und Kollegen auch eine kleine Einführung in die Gebärdensprache gibt.

190/366: Sechs grüne Grundwerte

190-gruenes-grundsatzprogrammHeute vor fünfzehn Jahren, am 7. und 8. Juli 2001, wurde beim 20. Bundeskongress der Grünen in Linz das grüne Grundsatzprogramm mit 86,2% der Delegiertenstimmen beschlossen. Das erste vergleichbare Dokument, die “Leitlinien grüner Politik”, stammten aus dem Jahr 1990. Die nunmehr sechs Grundwerte lauteten ökologisch, solidarisch, selbstbestimmt, basisdemokratisch, gewaltfrei und feministisch. Die Werte ökologisch, solidarisch, basisdemokratisch und gewaltfrei hatte bereits die Alternative Liste im Programm.

Download des Grundsatzprogramms 2001: 190-gruenes-grundsatzprogramm (PDF, 0,4 MB)


190-gruene-grundwerte

Stefan Probst: Grüne Grundwerte. Planet Verlag 2012

2012 veröffentlichte die Grüne Bildungswerkstatt im Planet-Verlag den Band “Grüne Grundwerte” von Stefan Probst. Die Beschreibung:

Grüne Politik lässt sich von sechs Grundwerten leiten: selbstbestimmt, basisdemokratisch, solidarisch, feministisch, ökologisch und gewaltfrei. In den politischen Auseinandersetzungen sind diese Grundwerte allerdings kaum präsent. Weil sich Politik gegenwärtig innerhalb eng gesetzter Sachzwänge bewegt und damit grundlegende Perspektiven gesellschaftlicher Veränderung von vornherein verschlossen sind, gilt der Bezug auf Grundwerte im besten Fall als utopische Träumerei naiver “Gutmenschen”.

Vor diesem Hintergrund werden in diesem Buch die Bedeutungsgehalte grüner Grundwerte reflektiert, um daraus neue Impulse emanzipatorischer Politik zu gewinnen. Im Fokus der Auseinandersetzung stehen somit weniger die potentiellen Spannungen und Widersprüche im Grundwerte-Ensemble, sondern die Frage, welche gesellschaftliche Utopie die grünen Grundwerte in ihrem Zusammenhang und ihrer wechselseitigen Bestimmung umreißen. Auch wenn tagespolitische Entscheidungen nicht aus den Grundwerten ableitbar sind, können sie helfen, grüne Politik auf die Perpektive einer emanzipierten Gesellschaft zu orientieren.

188/366: Alternative Liste Tirol unterzeichnet Linzer Appell

188-alternative-liste-tirol-wurzelwerk-frieden-mitdabei“Die Auswirkungen einer Atombombenexplosion sind so furchtbar, daß schon der Besitz einer solchen Waffe ein Verbrechen ist”. Die Alternative Liste Tirol (ALT) unterzeichnete im Jahr 1983 den Linzer Appell, den Friedensappell der Österreichischen Bischöfe und den Aufruf zur Friedensdemonstration am 22. Oktober 1983 in Wien. Der folgende Text erschien in der alternativen Zeitschrift “Wurzelwerk” Nr. 25 vom November 1983.

Download des Artikels im Originallayout: 188-alternative-liste-tirol-wurzelwerk-frieden (PDF, 2 MB)


// Die ALT steht nicht unkritisch zu den drei Appellen:

Das Bundesprogramm der Alternativen Liste Österreich betont in seinem ersten Satz, daß die Alternativen Listen aus der “Friedens-und Alternativbewegung” kommen. Einer unserer vier Grundsätze ist — neben dem ökologischen, dem solidarischen und dem basisdemokratischen — der der Gewaltfreiheit. Die Friedensbewegung ist deshalb eines unserer wesentlichsten Anliegen. Dies gilt besonders für den weltweiten Kampf gegen Atomwaffen (und ebenso gegen bakteriologische und chemische Waffen). Pershing 2 und Cruise Missiles [Marschflugkörper, Anm.] stellen den momentanen Höchststand im Wettlauf um die Perfektion von Atomwaffen dar: sie sind äußerst zielgenau und besitzen eine Flugdauer von nur wenigen Minuten (Pershing 2) bzw. lassen sich nicht mit den bestehenden Frühwarnsystemen orten, weil sie nur knapp über dem Boden fliegen (Cruise Missiles). Sie sind deshalb für einen Erstschlag geeignet, der die gegnerischen Atomwaffen zerstören soll. Damit ist allein durch ihre Aufstellung die Möglichkeit eines Atomkrieges gegeben, und auch ein Irrtum im sowjetischen Frühwarnsystem kann einen Atomkrieg auslösen.

Ebenso ist die Reaktion der UdSSR auf die Durchführung der sogenannten “Nachrüstung” für uns Europäer nicht abzuschätzen.

Wir treten gegen diese “Nachrüstungs”raketen wie auch gegen die Stationierung der SS-20-Raketen ein, weisen aber darauf hin, daß ähnliche Waffen wie die SS-20 (SS-4 und 5S-5) seit 1959 bereitstanden, ohne daß dadurch eine Nachrüstung rechtfertigende “Überlegenheit” bestanden hätte.

Die Auswirkungen einer Atombombenexplosion sind so furchtbar, daß schon der Besitz einer solchen Waffe ein Verbrechen ist.

Gegen ihren Einsatz helfen auch keine Zivilschutzmaßnahmen (z.B. Bunker). Die einzige wirksame Schutzmaßnahme heißt ABRÜSTUNG. Weiterlesen

187/366: Ärger mit Behörden? Rent-a-demo hilft Ihnen

Rent-a-demo (1987)

Rent-a-demo (1987)

Falls Sie ein Anliegen haben und bezahlte Berufsdemonstrierer_Innen benötigen, ist die Grüne Bildungswerkstatt Oberösterreich gerne behilflich. Dieses – dreimal unterstrichen! – SATIRISCHE Fundstück stammt aus dem Grünen Archiv Oberösterreich und wurde 1987 veröffentlicht 🙂


Ärger mit Behörden? Nachbarn? Vorgesetzten? Diesem Scheißstaat? Rent-a-Demo hilft Ihnen.

Nutzen Sie Ihr Grundrecht auf Widerstand! Wählen Sie aus unserem reichhaltigen Angebot!

  • Mini-Demo (für Preisbewußte): 1 Original-Hausbesetzer auf Öko-Fahrrad. Dauer: 5 Minuten.
  • Standard-Demo: 30 Teilnehmer, teilweise vermummt, inkl. 1 Liedermacher. Dauer: 30 Minuten.
  • Super-Gala-Demo (für den verwöhnten Geschmack): 100 Teilnehmer, inkl. 15 Punker, 3 Kleinkinder; 2 ev. Pastoren (mit Talar 10% Aufschlag), sowie garantiert echte mittelamerikanische Freiheitskämpfer. *) Dauer: 90 Minuten.
    *) Stillende Mütter auf Anfrage.


    Download als PDF: 187-rent-a-demo (0,6 MB)

185/366: Madeleine Petrovic, der gute Mensch von Döbling

Madeleine Petrovic.

Madeleine Petrovic.

Madeleine Petrovic feierte vor kurzem ihren 60. Geburtstag. Zu diesem Anlass bringen wir heute das Portrait “Der gute Mensch von Döbling”, das Jürgen Brües 1993 für die Zeitschrift “Impuls grün” verfasst hat. Petrovic “verkörpert wie kein anderes Mitglied der alternativen Parteispitze das Bild der grünen Politikerin der neunziger Jahre: Intelligent und dabei ohne Arroganz, kompromißfähig und trotzdem grundsatztreu, in Sachfragen kompetent und emotional engagiert”.


//zitat// Ein Jahr vor der Nationalratswahl ist die Lage der Grünen ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Hoffnungen ruhen auf der Madeleine Petrovic.

Michael Graff, derzeit medienverwöhnter Querkopf der Volkspartei, ist voll des Lobes über die Frau, die ihn als Anwalt für die Verfassungsklage gegen das Aufenthaltsgesetz engagieren wollte: “Sie imponiert mir außerordentlich. Ich habe noch nie eine Person gesehen, die zu so vielen Materien fundiert Stellung nehmen konnte. Besonders imponiert, obwohl letztendlich natürlich auch gelangweilt, hat mich ihre Filibusterrede. Aber auch da war sie in der siebten Stunde noch besser als mancher Abgeordnete in der ersten Viertelstunde”.

Zu Madeleine Petrovic fällt den Befragten, seien sie Grüne oder Andersfarbige, nur Gutes ein.  Helmut Peter, neoliberaler Wirtschaftstreibender kann sich die “Musterschülerin” (Falter) als Umweltministerin vorstellen, sein (Ex-)Freund Jörg Haider weiß nichts “Schlechtes über sie zu berichten”. Selbst der freiheitliche Tankwart Meischberger grüßt sie auf den langen Parlamentsgängen viel “lieber als den Voggenhuber”.

Günter Nenning, der wandelbare und verwandelte “Ex-Auhirsch” (Trend), der heute gern mit Haider und Krenn debattiert, findet warme Worte für die Aufsteigerin: “Sie ist lieb, jung und hübsch, und sie wird es bei den Grünen noch ganz nach oben schaffen”.

Gesagt, getan. Im Juni designiert sie der Erweiterte Bundesvorstand einstimmig zur Spitzenkandidatin für die kommende Nationalratswahl; der Bundeskongreß vierzehn Tage vor Weihnachten wird Madeleine Petrovic wohl eine Bestätigung jenseits der 90%-Marke bescheren. Daß ihr von Parteikolleginnen Rosen gestreut werden, verwundert nicht. Verkehrssprecher Rudi Anschober kennt “keine Politikerin, bei der Theorie und Praxis so übereinstimmen”. Und für Peter Pilz ist sie “fast zu gut für die Politik.”

Madeleine Petrovic am Cover von Impuls Grün.

Madeleine Petrovic am Cover von Impuls Grün.

Der gute Mensch aus Döbling, jetzt wohnhaft in Hietzing. Tochter eines Fuhrunternehmers und einer Verkehrsreferentin der Bundeswirtschaftskammer, verheiratet mit einem kroatischen Mann und Mutter zweier Töchter, verkörpert wie kein anderes Mitglied der alternativen Parteispitze das Bild der grünen Politikerin der neunziger Jahre: Intelligent und dabei ohne Arroganz, kompromißfähig und trotzdem grundsatztreu, in Sachfragen kompetent und emotional engagiert. “Sie ist der menschlichste Mensch. dem ich je begegnet bin”, sagt Terezija Stoisits.

Eine Eigenschaft, die in der Politik, zumal in der Opposition, nicht nur positiv gesehen wird. Sozialsprecher Franz Floss hält Petrovic zwar “für das beste personelle Angebot, das wir den WählerInnen präsentieren können”, vermißt allerdings im Sinne “einer harten und konsequenten Opposition” eine gewisse Schärfe im öffentlichen Auftreten. “Die Grünen dürfen nicht nur die ‘Ach-wie-nett-Partie’ werden”, fürchtet auch Pius Strobl ein zu freundliches Image. Parteisprecher Peter Pilz wird somit [die Rolle] des radikalen Verbalartisten zufallen. So sieht es auch die Kandidatin: “Menschen und der Stil des Angriffs haben nicht ausgedient. Manchmal ist absolut angesagt, eine Breitseite loszulassen”.  //zitatende//


Zum Weiterlesen: Download des gesamten Artikels: 185-madeleine-petrovic-artikel (PDF, 6 MB)

184/366: Josef Riegler über schwarz-grün

10 Jahre schwarz-grün. Eine Spekulation.

10 Jahre schwarz-grün. Eine Spekulation.

Nach der Nationalratswahl 2002 verhandelten ÖVP und Grüne intensiv über eine Koalition. Am 16. Februar 2003 brachen die Grünen die Verhandlungen ab – man hatte sich auf vielen Gebieten einigen können, aber in einigen zentralen Punkten nicht. Was wäre heute anders, wenn diese Koalition zustandegekommen und für zwei Perioden geblieben wäre? Diesen Fragen ging die Julius-Raab-Stiftung 2013 im Sammelband “10 Jahre schwarz-grün. Eine Spekulation” nach. PolitikerInnen von ÖVP und Grünen sowie JournalistInnen überlegten, wie eine spekulative Bilanz von zehn Jahren Schwarz-Grün aussehen könnte.

Mit freundlicher Genehmigung der Julius-Raab-Stiftung veröffentlichen wir im Blog den Beitrag “Eine vertane Chance? Über die Argumente der ‘Initiative schwarzgrün’ aus dem Jahr 2004 für das Projekt einer schwarz-grünen Politik – und ihre Relevanz für heute” von Josef Riegler. Eine der eindrücklichsten Passagen daraus: “Wir dürfen das Schicksal Europas nicht den Demagogen und Polarisierern überlassen, die mit nationalistischer Aufwiegelung und dem Schüren von Ressentiments im Trüben fischen wollen”.

Der Steirer Josef Riegler war von 1972 bis 1992 aktiver ÖVP-Politiker, unter anderem Bauernbunddirektor, Nationalratsabgeordneter, Landwirtschaftsminister, Vizekanzler und Bundesparteiobmann der ÖVP. Er gründete 1992 das Ökosoziale Forum Österreich und 2001 das Ökosoziale Forum Europa. Riegler prägte den Begriff der Ökosozialen Marktwirtschaft und engagiert sich bei der Global Marshall Plan-Initiative.


// Im Jahr 2004 publizierte eine “Initiative schwarzgrün” das Buch “Die Ökosoziale Wende? Perspektiven und Horizonte einer schwarz-grünen Politik”. Man wollte damit auf eine mögliche zweite Chance nach den Nationalratswahlen 2006 inhaltlich besser vorbereitet sein. Das Wahlergebnis vereitelte dann allerdings ein solches Vorhaben. 2008 hätte Wilhelm Molterer aus Überzeugung eine Regierungszusammenarbeit mit Alexander Van der Bellen gesucht. Wieder machte das Wahlergebnis einen Strich durch die Rechnung, und für beide endete die Zeit der Parteiobmannschaft. Angesichts aktueller Meinungsumfragen ist es ein mehr als wagemutiges Vorhaben, neuerlich ein Buch über eine schwarz-grüne Perspektive zu schreiben. Aber wer weiß – vielleicht wird Wagemut eines Tages belohnt.

Argumente von damals

Die ökosoziale Wende.

Die ökosoziale Wende. Perspektiven und Horizonte einer schwarz-grünen Politik.

Es ist jedenfalls von Interesse, einige der Argumente in Erinnerung zu rufen, die im besagten Buch 2004 für das Projekt einer schwarz-grünen Politik genannt wurden:

  • Volkspartei und Grüne einen fundamentale Werte: Liberalität, Menschenwürde, Nachhaltigkeit, Solidarität, Subsidiarität, Weltoffenheit und Wertorientierung.
  • In vielen Sachfragen wäre vernünftige Politik möglich: Integration; privates Angebot im Sozialbereich; entstaatlichte Solidarität; Ökosoziale Marktwirtschaft; Kultur- und Medienpolitik
  • Eine solche Koalition hätte Vorbildfunktion für ganz Europa.
  • Die Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte sind sehr stark ökologisch geprägt. Eine Koalition der Zukunft muss also Kompetenz und Verantwortung in diesem Bereich beweisen. Auch hier treffen mit ÖVP und Grünen zwei Kräfte aufeinander, die dies früh erkannt haben.

Auf Seite 12 in “Die Ökosoziale Wende” heißt es dann resignierend: “In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar 2003 war der kurzweilige Traum dann ausgeträumt. Ein erschöpfter Alexander Van der Bellen erklärte das Ende der Verhandlungen. Noch am Abend desselben Tages attestierte Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat den Verhandlern Professionalität und Regierungsfähigkeit.”

Nun wird nach dem “was wäre wenn…?” gefragt. Mehr als eine intellektuelle Gedankenspielerei? Wer weiß – man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Gedanken können Dynamik entwickeln. Weiterlesen

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