“In der Nähe des Rednerpultes haben sich einige Gruppen von Abgeordneten gebildet, in denen in erregtem Ton über die Sitzungssituation diskutiert wird”, vermerkten die Parlamentsstenograph_innen. “Schuld” daran waren drei grüne Frauen. Gestern und heute vor 23 Jahren, am 10. und 11. März 1993, gingen Madeleine Petrovic, Monika Langthaler und Marijana Grandits mit Marathonreden, auch als “Filibuster” bekannt, in die Parlamentsgeschichte ein.
Um eine Änderung des Tropenholzgesetzes, mit der die Kennzeichnungspflicht von Tropenholzprodukten abgeschafft werden sollte, möglichst lange hinauszuzögern, nutzten die Politikerinnen bei einem der vorhergehenden Tagesordnungspunkte, einem Internationalen Abkommen über Jute, die fehlende Redezeitbeschränkung aus. So wurde der Punkt nicht wie erwartet rasch abgenickt: Grandits sprach fast fünf Stunden über die Bedeutung von Jute. Zwar wurde ein Antrag von SPÖ und ÖVP auf Schluss der Debatte mehrheitlich angenommen, jedoch durfte jede Fraktion noch eine Rednerin nennen, und so konnte sich Madeleine Petrovic noch zu Wort melden. Mit ihrer 10:35 Stunden dauernden Rede stellte Petrovic einen neuen Rekord im Nationalrat auf. Im Stenographischen Protokoll umfasst ihre Rede 74 Seiten. Daraufhin folgte noch eine Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler, die aus 102 Einzelfragen bestand und von Monika Langthaler fünfeinhalb Stunden lang vorgetragen und begründet wurde.
Übrigens: Sowohl der Rekord-Vorgänger als auch der Rekord-Nachfolger waren Grüne: Walter Geyer (1988 8:55 Stunden zum Luftreinhaltegesetz) bzw. Werner Kogler (2010 12:42 Stunden im Budgetausschuss).
Auf der Parlaments-Website ist dazu der ausführliche Bericht “Die lange Nacht im Hohen Haus” zu finden. Hier einige kurze Auszüge aus den Reden.
Marijana Grandits: Armut und ökologische Katastrophen
//zitat// Wir glauben, daß allgemein in diesem Bereich Rohstoffe, Weltwirtschaft, am konkreten Beispiel Jute, viel, viel mehr zu geschehen hat. Und mit dieser Frage möchten wir uns ein bißchen näher auseinandersetzen, weil ich persönlich glaube, daß das Beispiel Jute wirklich exemplarisch hergenommen werden kann, um ein System darzustellen, das zu Armut, zu ökologischen Katastrophen führt, und daß auch solche Ideen wie dieses Übereinkommen, die eventuell zur Stabilisierung von Preisen beitragen könnten, nur in ganz geringen Bereichen Abhilfe schaffen. Andererseits sehen wir, daß die Grundproblematik woanders liegt, daß sie viel, viel größer ist und daß wir grundsätzlich umdenken müssen und nicht mit solchen Übereinkommen Kosmetik betreiben dürfen. (Beifall bei den Grünen.) Es wird nämlich darauf ankommen, ob es uns gelingen wird, ein neues Denken einzuführen. Es wird für die Zukunft dieser Welt und für unsere eigene darauf ankommen, ob wir bereit sind, auf die realen Verhältnisse gerade im Rohstoffbereich, gerade im Bereich von Monokulturen, in Ländern wie Bangladesch und Indien, Rücksicht zu nehmen. Es wird darauf ankommen, ob wir bereit sind, auch unseren Lebensstil etwas zu ändern. Weiterlesen
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