Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Schlagwort: Tirol (Seite 3 von 3)

49/366: Zerfallende Erde im Krautsalat. Programmentwurf der Grünen Alternative Tirol

schwarze Schrift auf blauem Untergrund)

Krautsalat. Gedankensammlung der Grünen Alternative Tirol, Band 1. Innsbruck: Grüne Bildungswerkstatt Tirol, ca. 1990, Titelbild (Grünes Archiv, Inventarnr. 319)

“Wir wollen uns aufmachen von der Wegwerfgesellschaft zur Wiederverwertungsgesellschaft”. 1990 gab die Grüne Bildungswerkstatt Tirol die Broschüre “Krautsalat” heraus. Menschen von innerhalb und außerhalb der grünen Bewegung beschreiben darin den Stand der grünen Programmdiskussion. Der Programmentwurf “Zerfallende Erde” zeigt die Vorschläge der Grünen Alternative Tirol zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung – viele davon noch immer aktuell wie das Verbot von Einweg-Getränkeverpackungen, aber doch auch einige schon umgesetzt wie der Altlastenkataster.


1. Einleitung

1.1. Wir wollen uns aufmachen von der Wegwerfgesellschaft zur Wiederverwertungsgesellschaft, von der Verschwendungswirtschaft zur Versorgungswirtschaft, die Güter nach ihrer Sinnhaftigkeit und nicht ausschließlich nach ihrer Gewinnträchtigkeit beurteilt. An dem, was unsere Zivilisation ausscheidet – dem Abfall – zeigt sich deutlich, daß nicht ökologische Kreisläufe Ziel derzeitigen Wirtschaftens sind, sondern Verbrauch und schneller Verschleiß. Je schneller der Verschleiß, je höher der Verbrauch, je beworbener der Konsum, desto höher, schneller, begehrter der dadurch erzielbare Gewinn.
1.2. Bei der Herstellung und beim Verbrauch von Gütern wird wenig Rücksicht genommen auf den sparsamen und intelligenten Einsatz von Rohstoffen und Energie.
1.3. Bei der Entledigung von nicht mehr Gebrauchtem bedienen wir uns der Luft (Luftmüll), des Wassers (Wassermüll) und des Bodens (Bodenmüll) – Elemente, die den Menschen und der Tier- und Pflanzenwelt als Lebensgrundlage dienen. Die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung belastet die gesamte Umwelt, einschließlich Mensch.
1.4. Dies wird in Kauf genommen, denn so lassen sich auf deren Kosten einträgliche Produktionssysteme organisieren, bei denen Einzelinteressen vor dem gesellschaftlichen Wohl gehen.
1.5. Es ist nicht die Bevölkerung “schuld” an den Müllbergen. Hier schlechtes Gewissen zu erzeugen, in dem der Müll in pro-Kopf-Quoten berechnet wird, ist fehl am Platz.

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18/366: Das grüne Zukunftsprogramm für Tirol 1999

Das Programm zur Tiroler Landtagswahl 1999.

Das Programm zur Tiroler Landtagswahl 1999.

//zitat// Am 7. März bestimmen Sie die Zukunft unseres Landes. Sie entscheiden, ob der alte Kurs weitergeführt wird oder ob an der Jahrtausendwende auch in Tirol neue Ideen eine Chance bekommen. Uns Grünen ist es in den letzten Jahren gelungen, grüne Ideen mehrheitsfähig zu machen. Mit Ihrer Hilfe möchten wir dies in den nächsten fünf Jahren verstärkt tun. Helfen Sie mit, daß Natur- und Umweltschutz in Tirol nicht unter die Räder kommen und unser Land nicht vom Transit überrollt wird! Helfen Sie mit, daß die regionale Wirtschaft gestärkt wird und damit Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden! Helfen Sie mit, daß der Wohlstand in Tirol gerechter verteilt wird und Frauen endlich gleiche Chancen bekommen wie Männer! Auf den nächsten Seiten stelle ich Ihnen unser Programm vor. Es ist das grüne Zukunftsprogramm für Tirol. Grün denken ist zu wenig. Ich lade Sie ein, am 7. März auch grün zu wählen. //zitatende//

Mit diesem Appell wandte sich Klubobmann und Spitzenkandidat Georg Willi 1999 an die Tiroler Wählerinnen und Wähler. Die Kapitel im “grünen Zukunftsprogramm”: Umwelt schützen, Transit massiv eindämmen, gerecht teilen, Frauenrechte durchsetzen, nahversorgen, vielfältig bilden und kulturelle Vielfalt.

Schwarzweißphotographie von drei Frauen und drei Männern

Die Listenersten: Georg Willi (Innsbruck-Stadt), Alexander Griwatz (Imst), Maria Scheiber (Reutte), Ulli Schindl (Innsbruck-Stadt), Elisabeth Wiesmüller (Innsbruck-Land) und Bernhard A. Ernst (Innsbruck-Land).

Die SpitzenkandidatInnen in den Bezirken waren Maria Scheiber (Reutte), Alexander Griwatz (Imst), Elisabeth Wiesmüller (Innsbruck-Land), Hemann Weratschnig (Schwaz), Georg Willi (Innsbruck-Stadt), Wolfgang Egg (Landeck), Leo Neubauer (Kitzbühel), Iris Bollmann (Kufstein) und Klaus Dapra (Lienz).

Der Slogan lautete “Grüne Ideen setzen sich durch” – die Partei konnte sich allerdings nicht wie gewünscht durchsetzen: Bei der Landtagswahl am 7. März 1999 musste die Grüne Alternative Tirol einen Verlust von 2,7% und einem Mandat hinnehmen. In den Landtag zogen Georg Willi als Klubobmann (Landtagsabgeordneter von 1994 bis 2013), Elisabeth Wiesmüller als Klubobmann-Stellvertreterin (1999 bis 2008) und Maria Scheiber (1999 bis 2012) ein.

Das gesamte Wahlprogramm zum Download: 018-tirol-landtagswahl-wahlprogramm (PDF, 4 MB).

6/366: Westwärts. Eva Lichtenberger 1990 über das Verhältnis von Tirol zu Wien

“Wenn wir über Regionalisierung nachdenken, wollen wir nicht ein alpines Wurzel-Sepp-Image übergezogen bekommen”. Der Beitrag “Westwärts” von Eva Lichtenberger erschien in der fünzigsten Ausgabe der Alternativen Monatszeitung MOZ vom März 1990 in der Rubrik “Das grüne Wort”. Zu diesem Zeitpunkt war die Grüne Alternative mit drei Abgeordneten (Eva Lichtenberger, Jutta Seethaler, Franz Klug) im Tiroler Landtag vertreten.  Am 12. März 1989 war – unterstützt von der Proteststimmung gegen Transitverkehr und EG – das Überspringen der 5%-Hürde gelungen.


//zitat// 500 Kilometer von Wien, 5 Bahnstunden, fernab von Europa, liegt Tirol mit seinen 8% Grünen; und damit ist schon viel gesagt über die Tiroler, die immer wieder störend auffallen.

Aber – wir haben international Aufmerksamkeit erregt. Erst die Tiroler Forderung nach dem Nachtfahrverbot für LKW, von der ÖVP im Nachwahl-Schock und in der Hoffnung auf einen Streicher [Verkehrsminister Rudolf Streicher, Anm.] mit einem Flüsterasphalt-Schädel mitgetragen, hat die Tür zu einem verkehrspolitischen Umdenken in Europa aufgestoßen. Und die 500 Kilometer haben verhindert, daß ebendiese Tiroler ÖVP hätte erkennen können, daß da Wirtschaftsförderungsinteressen (Steyr-“Flüster”-LKW) eine gewisse Rolle spielen würden. Ein historischer Glücksfall, ein sorgsam zu hütender Anfang.

Und weil es nur ein Anfang ist, denken wir weiter. An diese 500km zwischen Tirol und Wien. Und an die Notwendigkeit, tiefergreifende Veränderungen anzustreben, die es erlauben, den einmal eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Solange im fernen (flachen) Wien entschieden wird, wieviel Transit ein enges Tal zu ertragen hat, solange eine Großbauernmafia mit einer Almosenmentalität über die Köpfe von Bergbauern hinweg entscheidet, wird es dieses alpenländische Ressentiment gegen die “Städter” geben. Und in dieser Situation greifen viele dann zu Nationalismen; und oft wird, was wir sagen, als Nationalismus verstanden, auch wenn es nur die Verteidigung eigener Lebensinteressen ist, die sich halt von den großstädtischen unter Umständen unterscheiden. Wenn wir über Regionalisierung nachdenken, wollen wir nicht ein alpines Wurzel-Sepp-Image übergezogen bekommen. Unser Engagement für eine Rückverlagerung der Entscheidungen auf Landes- bzw. Gemeindeebene ist aus Erfahrungen erwachsen. Wir haben erlebt, wie Tiroler am glatten Wiener Parkett ausgeglitscht sind (Salcher, Fischler) [Bundesminister Herbert Salcher und Franz Fischler, Anm.], weil sie “Entscheidungsvorbereitungen” in der In-group wegen eben dieser 500km nicht so ekzessiv mitgestalten konnten.
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