Madeleine Petrovic, Marijana Grandits und Monika Langthaler auf der Titelseite von "Impuls Grün" (Grünes Archiv).

Madeleine Petrovic, Marijana Grandits und Monika Langthaler auf der Titelseite von “Impuls Grün” (Grünes Archiv).

“Heute kann es sich keine politische Kraft in diesem Land mehr leisten, Umweltfragen nicht zu beachten oder unbeantwortet zu lassen. Das ist das eigentliche historische Verdienst der Grünen”, sagte die damalige SPÖ-Politikerin Brigitte Ederer über die Grünen. “Nicht sehr, aber ein bißchen schon” hätten die Grünen dem ÖVP-Justizsprecher Michael Graff gefehlt. Wie andere österreichische Prominente aus Politik, Kultur und Umweltschutz die Arbeit der Grünen im Parlament von 1990 bis 1994 beurteilten, ist in der Zeitschrift “Impuls Grün” 6/1994 nachzulesen. Eine Auswahl gibt’s hier im Blog nachzulesen. Drei Fragen wurden gestellt:

  1. Was haben Ihrer Meinung nach die Grünen mit ihrer bisherigen Parlamentsarbeit erreicht?
  2. Wie würde es sich auf die österreichische Politik auswirken, wenn die Grünen nicht mehr im Parlament wären?
  3. Würden Sie die Grünen vermissen, wenn sie nicht mehr im Parlament wären?

Brigitte Ederer (Staatssekretärin für Integrationsfragen und Entwicklungszusammenarbeit, SPÖ)

Frage 1: Die Grünen haben die österreichische Politik in einem wesentlichen Punkt verändert. Heute kann es sich keine politische Kraft in diesem Land mehr leisten, Umweltfragen nicht zu beachten oder unbeantwortet zu lassen. Das ist das eigentliche historische Verdienst der Grünen. Mir wäre es natürlich lieber gewesen, wenn die SPÖ rechtzeitig diese Rolle übernommen hätte.

Frage 2 und 3: Inhaltlich wäre es sicherlich ein Verlust, denn die Grünen sind als fortschrittliche Oppositionspartei wichtig. Auch wenn ich die Position der Grünen oft nicht teile, tragen sie zur Diskussion über die gesellschaftliche Zukunft Österreichs wesentlich mehr bei als die größere Oppositionspartei. Als alte Reformistin erlaube ich mir auch dann und wann, eine Idee der Grünen auszuborgen. Das wäre ungleich schwieriger, wenn sie nicht mehr im Parlament wären. Die Grünen haben ihren Platz in der politischen Landschaft Österreichs, ob sie nun im Parlament sind oder nicht.

Reinhold Gärtner (Politikwissenschafter, Universität Innsbruck)

Frage 1: Die Grünen haben in erster Linie zur Sensibilisierung bestimmter Themen (Beispiel Umweltschutz) beigetragen und damit partiell andere Parteien — speziell SPÖ und ÖVP — in Zugzwang gebracht. Daß dies nicht in allen Fällen gelingen kann und daß in manchen Bereichen, etwa der Ausländerpolitik, zwar — angesichts der Ausländerpolitik von SPÖ und ÖVP notwendige — Polarisierung bzw. Gegenposition artikuliert wurde, aber keine Erfolge zu verzeichnen sind, ist nicht den Grünen anzulasten, sondern ist in deren Oppositionsrolle begründet.

Frage 2: Ohne die Grünen im Parlament wäre Österreichs Politik ärmer, Opposition im wesentlichen der FPÖ überlassen, und das politische und gesellschaftliche Klima frostiger. Die Grünen stellen — neben dem erst seit kurzem vertretenen Liberalen Forum — zur Zeit die einzig ernstzunehmende Opposition dar. Vor allem im Bereich Demokratieentwicklung bzw. Kritik an auch in Österreich zunehmend feststellbaren Angriffen auf Menschenrechte — Stichwort Asylgesetz oder “sein bester Selbstmord” (M. Graff) — würden ohne die Grünen wesentliche Impulse fehlen.

Frage 3: Ja.

Michael Graff (Abgeordneter und Justizsprecher der ÖVP)

Frage 1: Sie haben das Parlament belebt, und ihre Oppositionsaufgabe insofern erfüllt, als sie den Regierungsparteien nicht alles durchgehen lassen.

Frage 2: Es wären ein paar Farbtupfer weniger.

Frage 3: Nicht sehr, aber ein bißchen schon.

Thomas Ruggenthaler (Generaldirektor der Entsorgungsbetriebe Simmering EBS)

Frage 1: Trotz aller notwendigen Kritik muß zugestanden werden, daß die Grünen mit ihrer bisherigen Parlamentsarbeit viele umweltrelevante Aktivitäten erst ermöglicht haben.

Frage 2: Die wesentlichen Impulse der Grünen sind bereits heute spürbar. Zum einen wäre eine Absenz der Grünen im Parlament in den vergangenen zwei Jahren sehr schlecht gewesen, weil die guten Impulse dann ausgeblieben wären. Für die Gegenwart und Zukunft wird die Antwort auf eine mögliche Absenz der Grünen vom Parlament davon abhängen, in welche Richtung sich die Grünaktivitäten entwickeln werden. Ich hoffe, daß die sachliche und realitätsbezogene Arbeit einer “Linie Langthaler-Chorherr” die Oberhand gewinnen und fundamentalistische und autonomistische Strömungen aus der Grünen Bewegung verschwinden. Sonst werden die Grünen irgendwann nicht mehr im Parlament vertreten sein. Das wäre ein schlimmer Verlust für den österreichischen Parlamentarismus.

Frage 3: Ich würde die Grünen vermissen. Ich muß betonen, daß die mutigen Aussagen etwa von Langthaler und Fm der Bewegung der Grünen sehr genützt haben, unsachliche Auseinandersetzung und die in aller Öffentlichkeit gezeigte Aggressivität der Fundamentalisten schaden der Existenzfahrigkeit und Effizienz der Grünen.

Kurt Palm (Theaterregisseur)

Frage 1: Ich weiß nicht, was sie erreicht haben. Ich verfolge das viel zu wenig.

Frage 2: Natürlich würde ich im Zweifelsfall immer sagen, es ist gut, daß die Grünen im Parlament sind. Die österreichische Politik hat eine Seichtheit erreicht wie der Neusiedler See bei einer Dürreperiode im Sommer.

Frage 3: Ja, sicher.

Außensicht auf die Grünen im Jahr 1994.

Außensicht auf die Grünen im Jahr 1994.

Erwin Ringel (Psychoanalytiker)

Frage 1: Sie haben sich dadurch, daß sie immer gegen alles sind, selbst geschadet und ihre Glaubwürdigkeit reduziert. Andererseits muß ich ihnen hoch anrechnen, daß sie nach der EU-Abstimmung so fair waren und gesagt haben: Gut, jetzt ist es so, und jetzt wollen wir auch mitmachen. In dem Sinne, daß wir versuchen, die Dinge zu gestalten. Noch einen Punkt muß ich den Grünen hoch anrechnen, daß sie immer für die Frauen eintreten.

Frage 2 und 3: Es wäre schlecht. Ich bin dafür, daß sie in der Opposition bleiben. Sie haben sich ja der Regierungstätigkeit wieder verweigert. Zwei Oppositionsparteien stehen mir nahe bzw. finde ich sympathisch: Das ist das Liberale Forum und das sind die Grünen. Und daher wünsche ich auch, daß die Grünen weiter im Parlament bleiben, aber sie sollten doch vieles anders machen. Es gab eine Zeit, in der ich eine rotgrüne Koalition für durchaus möglich hielt. Aber mit den Grünen, wie sie sich derzeit präsentieren. geht das meiner Meinung nicht.

Fritz Karmasin (Meinungsforscher, Gallup-lnstitut)

Frage 1: Die Grünen haben die Frage der Ökologie thematisiert und immer wieder ins Gespräch gebracht, sodaß sie gewissermaßen ständig auf der Tagesordnung war. Des ist eine ganz wichtige Funktion, weil das ein allgemeines Anliegen ist.

Frage 2: Die Vielfalt in unserer derzeitigen Demokratie hat sich eigentlich sehr bewährt. Das frühere Parteiensystem hat sich überholt, wir haben jetzt eine vielfältigere, buntere politische Landschaft. Das ist sehr wichtig, weil es demokratischer ist.

Frage 3: la. Sie sind seit Anbeginn ein ganz wichtiges konstruktives Element. Das Verhalten bei der EU-Abstimmung hat mir sehr gefallen. Zunächst waren sie mit begründeten Argumenten dagegen, dann ist die Entscheidung gefallen, die man dann akzeptiert hat. Ich glaube, so sollte Demokratie passieren.

Bernd Lötsch (designierter Generaldirektor des Naturhistorischen Museums, Wien)

Frage 1: Plus: Die Bereicherung parlamentarischer Auseinandersetzungen um notwendige Argumente und gute Programme (zur Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik) mit bislang geringer (wenn nicht kontraproduktiver) Wirkung auf die Politik anderer Parteien. Diese Programmarbeit war in der Medienberichterstattung unterrepräsentiert. Die konsequente Einmahnung humanitärer und sozialer Grundwerte insbesondere für Minderheiten und Randgruppen der Gesellschaft — oft mit wenig Echo. Kontrollfunktion und sachpolitische Mitarbeit in parla-mentarischen Sonder- und Unterausschüssen — die vielleicht wichtigste Spur, die die Grünen zogen. Plus/Minus: Die Gleichsetzung von Umweltengagement mit dem Image einer rührigen, linken Kleinstpartei, welche die Neutralität liebt, aber nicht die militärische Landesverteidigung, mit intelligent-dynamischen Abgeordneten, die an der Macht-und Interessenpolitik der Großen scheitern, weil die Wähler sie nur als Minderheit bestätigen — und die die Minderheitenrolle auch noch als Bürgerschreck in kulturellen Fragen verstärken. Minus: Dem Umwelt- und Naturschutz zusätzlich zu seiner notorischen Anfeindung und Diffamierung durch Wirtschaftslobbies, auch noch das Kreuz parteipolitischer Feindbildwirkung aufgeladen zu haben und eine prinzipiell mehrheitsfähige Idee durch mangelnden Wahlerfolg auf Bundesebene politisch verzwergt zu haben — trotz der hohen Qualität vieler ihrer Argumente, Programme und das Anliegen.

Frage 2: Da es die Grünen nun gibt — mit hoher ökopolitischer Arbeitstradition und wachsender Erfahrung als Angebot für umweltinteressierte Wähler, wäre ihr Verschwinden ein Tiefschlag für die Umweltpolitik, da dies ja nur durch eine totale Wahlniederlage geschehen könnte, die als Symptom gewertet würde, die Umweltfrage sei politisch “out”. Prinzipiell aber hat Umweltpolitik ihre zähen Erfolge auf vielen Ebenen zu erkämpfen — vor allem in Gemeinden, wo Bürgerlisten oft kompetent und erfolgreich agieren, aber auch die “Etablierten” viel “grüner” geworden sind. Eine wachsende Rolle haben überparteiliche Umweltverbände — vor allem international. Je mehr parteifreie Umweltpolitik es gibt, umso interessanter bleiben sie als Wechselwählerpotential und reizen die “etablierten” Parteien zu grünen Offerten. Schließlich sind die legendären Erdrutsche von Zwentendorf und Hainburg vor der Gründung Grüner Parteien erfolgt.

Frage 3: Ja, natürlich.

Heinz Vogler, Präsident der Arbeiterkammer Wien

Frage 1: Die Grünen haben Randthemen in das tagespolitische Geschehen gebracht, etwa Umwelt-, AusländerInnen- und Behindertenpolitik und konnten auch Teilerfolge erzielen: Umweltverträglichkeitsprüfung, Gentechnik oder Tropenholz. Wichtig ist auch der Arbeitsstil, den die Grünen ins Parlament hineingebracht haben. Durch Enga-gement und Offenheit kam wirklich frischer Wind in die Parlamentsstruktur.

Frage 2: Ein Impuls würde fehlen und die Themen könnten wieder zu Randthemen abrutschen.

Frage 3: Nein, denn der Umweltschutz hat auch an meiner eigenen Partei einen energischen Anwalt.