Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Kategorie: Wenn ich so zurückdenke… (Seite 3 von 3)

“Mein grüner Moment” – wie war das als erste grüne Gemeinderätin, als Demonstrant gegen Zwentendorf? Was waren unterhaltsame, bemerkenswerte, traurige Augenblicke?

53/366: Männer mit Strickzeug und Matratzen im Wohnzimmer. Erinnerungen an die Alternative Liste

Kurzinformation der Grün-Alternativen (Grünes Archiv Oberösterreich)

Kurzinformation der Grün-Alternativen (Grünes Archiv Oberösterreich)

Die oberösterreichische Grünpolitikerin Doris Eisenriegler nimmt uns mit auf eine gedankliche Reise zum ersten Bundeskongress der Alternativen Liste, der im  Jänner oder Februar 1983 in Linz stattfand. Hier ihre Erinnerungen an dieses Ereignis.


//zitat// Nach der Gründungsversammlung der Alternativen Liste im Herbst 1982 in Graz kam es Anfang 1983 in Linz in der Katholischen Hochschulgemeinde zum ersten Bundeskongress der neu gegründeten Partei. Organisator war hauptsächlich Walter Estl, der in Linz den Alternativladen*) betrieb. Vorbereitet wurde die Kandidatur zu den Nationalratswahlen 1983 bei denen wir schon mit einem von Erich Kitzmüller ausgearbeiteten Wahlprogramm aufwarten konnten.

In meiner Erinnerung festgeschrieben hat sich das Bild, das sich bei diesem Bundeskongress bot und das sich ganz wesentlich von heutigen Events der Grünen unterschied: Wir saßen im Kreis auf Tribünen – wahrscheinlich war das der Hörsaal, ich weiß es nicht mehr. In der Mitte tummelten sich unsere Kleinkinder auf dem Boden, auf den Rängen saßen nicht nur strickende Frauen, sondern auch Männer, die sich sichtlich mit Strickzeug abmühten. Ganz besonders erinnere ich mich an den handarbeitenden Fritz Schiller, der ja heute noch in der AUGE aktiv ist – aber ich glaube das Stricken inzwischen aufgegeben hat.

Es gab noch keine Parteimitglieder, nur AktivistInnen und die Entscheidungsfindung erfolgte basisdemokratisch mit open end der Debatten. Der Disput über die Inhalte erfolgte zwischen zwei Richtungen, der Wiener (links) und der Grazer (wertkonservativ) Gruppe. Da es noch keinerlei Budget für die Sitzungen gab, waren die Gäste aus den Bundesländern privat untergebracht. Beispielsweise war unser Wohnzimmer mit Matratzen für 30 Personen ausgelegt und eines meiner Kinder musste sein Zimmer für ein Liebespaar räumen…

Kurzinformation der Grün-Alternativen (Grünes Archiv Oberösterreich)

Kurzinformation der Grün-Alternativen (Grünes Archiv Oberösterreich)

*) im Alternativladen in der Zollamtstraße – gleich neben dem MÜLI-Laden – konnte man fairen Kaffee, Jutetaschen, Papierwaren aus schön gestaltetem Recyclingpapier, Schallplatten aller alternativen Liedermacher und vieles Andere kaufen. Das Geschäft war das Kommunikationszentrum für die Umwelt- und Sozialbewegungen in Oberösterreich, von hier aus wurde auch ich, und viele andere als AktivistInnen geworben. //zitatende//


Zur Person

Doris Eisenriegler ist seit über dreißig Jahren in der grün-alternativen Bewegung aktiv. Sie ist Gründungsmitglied der Alternativen Liste Österreichs (ALÖ) und war von 1983 bis 1985 ALÖ-Bundessprecherin. Seit 1985 ist sie Gemeinderätin in Wilhering, von 1997 bis 2009 war sie grüne Landtagsabgeordnete in Oberösterreich. Seit 2009 ist Eisenriegler Sprecherin der Grünen SeniorInnen Österreichs und Vertreterin im Österreichischen Seniorenrat.

Gesamte Kurzinformation “Die Grün-Alternativen” zum Download: 053-gruenalternativen-kurzinformation (PDF, 1,7 MB)

27/366: Zukunftszerstörer und Angsthasen?

Einladung zur KandidatInnenwahl für den Wiener Wahlkreis (Grünes Archiv, Archiv Gerhard Jordan)

Einladung zur KandidatInnenwahl für den Wiener Wahlkreis 1986 (Grünes Archiv, Archiv Gerhard Jordan)

1996 erinnerte sich die erste Klubobfrau der Grünen, Freda Meissner-Blau, an ihre Politisierung, den Prozess bis zur Kandidatur bei der Nationalratswahl 1986 und ihre Erfahrungen in ihrer kurzen Parlamentszeit. Das Gespräch erschien in der Broschüre “Die grüne Dekade 1986 – 1996. Ein Rückblick auf zehn Jahre Grüne im Parlament”.


//zitat// Wie sind Sie zur Grünbewegung gestoßen?

Für mich war der Beginn einer ökologischen Politisierung Zwentendorf, abgesehen vom Mai ’68 in Frankreich. Dort arbeitete ich für die Atomindustrie, wodurch ich zur Atomgegnerin wurde. Hier gab es Anfang der 70er Jahre nur eine Handvoll Atomkraftgegner. Wir galten damals als Volksverräter, Zukunftszerstörer und Angsthasen, bis im Juni 1977 einige Anti-Atomverbände zum Marsch nach Zwentendorf aufriefen. Wir dachten, es würden 500 Leute kommen, aber es waren 10.000. Es war eine unglaublich ermutigende Atmosphäre. Wir hätten aber nie erwartet, dass wir bei der Volksabstimmung über 50 Prozent kommen. Wir hatten unser Ziel erreicht, aber es nicht verstanden, diesen Impetus weiterzuführen. Weiterlesen

26/266: Wiener Bezirksvertretung: Teilhabe an der Machtlosigkeit

026-silvia-nossek-zehnjahre-bezirksvertretungSilvia Nossek, seit kurzem grüne Bezirksvorsteherin in Wien-Währing, erinnerte sich 1998 an zehn Jahre Grüne in der Bezirksvertretung zurück und formulierte ihre Vorstellung einer zeitgemäßen Bezirkspolitik. Ihr “Plädoyer für mehr Bürgerdemokratie” mit dem Titel “Teilhabe an der Machtlosigkeit” erschien in der Ausgabe Juni 1998 der Zeitschrift BIN.


//zitat// Die Bezirksvertretung als Parlament der Wählerinnen und Wähler. Politik im Kleinen, von unten und daher besonders nahe an den BürgerInnen. Politik, die nicht von Profis, sondern von engagierten Mitgliedern der Bevölkerung gemacht wird, die bei der Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensbereiches mitgestalten wollen. So ungefähr stellten wir Grüne uns Bezirkspolitik vor.

Die ersten Monate waren dann relativ ernüchternd: Parkbänke solle das Stadtgartenamt aufstellen, ein Baum gepflanzt oder Gehsteige abgeflacht werden – dies war das Tätigkeitsfeld, wie es die Großparteien für sich definierten. Anträge wurden nur gestellt, wenn sich ÖVP, SPÖ und FPÖ einig waren, und konnten so auch ohne jede Diskussion abgestimmt werden. Dem wollten wir uns nicht beugen und begannen mit viel Ehrgeiz anders zu sein: Wir stellten Anträge, auch wenn sie abgelehnt wurden – was im übrigens fast immer der Fall war. Im Gegensatz zur oft wortlosen Ablehnung unserer Anträge wurden die Anträge der anderen Parteien von uns diskutiert und unsere Zustimmung oder Ablehnung auch begründet. Was uns innerhalb kürzester Zeit den schlechten Ruf einbrachte, durch unser vieles Diskutieren die Sitzungen unnötig zu verlängern.

Wir waren in diesen Jahren ohne Zweifel die Musterschüler der Bezirksvertretung. Mit viel Elan präsentierten wir Verkehrskonzepte, diskutierten und befuhren mögliche Radruten und entwarfen Alternativbudgets. Faktisch geändert hat sich durch unseren Eifer wenig – die schwarz-roten Mehrheitsbeschaffer des Bezirkskaisers blockieren bis heute. Erreicht haben wir immerhin eine Änderung der Diskussionskultur – heute werden die unterschiedlichen Anträge nicht mehr ausschließlich von den Grünen diskutiert – und eine Aufgabe der alten Blockstrukturen, in denen ÖVP, SPÖ und FPÖ prinzipiell gemeinsam stimmten.  //zitatende//


Download des gesamten Beitrags von Silvia Nossek (1998): 026-silvia-nossek-zehnjahre-bezirksvertretung (PDF, 0,6 MB)
Download der Broschüre “Grüne in den Bezirksvertretungen. Die ersten zehn Jahre” (1997):  026-broschüre-10-jahre-grüne-bezirksvertretungen.pdf

9/366: Reminiszenzen eines “Basiswapplers”: Kritik für krawattenloses Erscheinen

Der Beitrag “Reminiszenzen eines ‘Basiswapplers’. Grüne Urgeschichte: Als die Dolmetscher noch gratis arbeiteten und Hochbetten zur Büroausstattung gehörten” erschien im November 1996 in der Broschüre “Die grüne Dekade 1986 – 1996. Ein Rückblick auf zehn Jahre Grüne im Parlament”, herausgegeben von der Grünen Alternative, der Grünen Bildungswerkstatt und dem Grünen Klub im Parlament. Der Verfasser Gerhard Jordan war von 1986 bis 1987 bei den Grünen ehrenamtlich in diversen Funktionen tätig. Von 1987 bis 2001 und ab 2010 ist er Wiener Bezirksrat. 1990/91 war er Internationaler Sekretär der Bundespartei und Vorstandsmitglied der Europäischen Grünen. Seit 1992 ist er Referent für Stadtplanung und Europapolitik im Wiener Rathausklub, seit Juli 2014 auch örtlicher Mitarbeiter der EU-Parlamentarierin Monika Vana.


Die Grüne Dekade. Ein Rückblick auf zehn Jahre Grüne im Parlament.

Die Grüne Dekade. Ein Rückblick auf zehn Jahre Grüne im Parlament.

//zitat// Zurückdenken an die “Pionier-Zeit”

Beim Zurückdenken an die “Pionierzeit” der Grünen Alternative (1986 bis 88) steigen in mir Erinnerungen auf, die ein buntes und chaotisches Bild ergeben. Sie sind nicht dazu angetan, diese Zeit “heroisch” (wie die Anfänge anderer, vor allem linker politischer Parteien) erscheinen zu lassen, sondern vermitteln einen liebenswert-kuriosen Eindruck aus der Zeit, als Professionalität noch nicht Mainstream war.

Europa-Ebene: Übernachten im Lagerraum

Die Koordination der europäischen Grünparteien existiert seit 1983/84, ab 1987 fuhr ich des öfteren als Delegierter nach Brüssel. Zum Zeitpunkt des Einzugs der Grünen Alternative 1986 waren erst in sechs Staaten Grünparteien in den nationalen Parlamenten vertreten.
Die Koordinationstreffen waren oft nur von 20 Menschen besucht (heute sind es zehnmal so viel), die DolmetscherInnen des Europaparlaments arbeiteten noch gratis für die kleinen, finanzschwachen Grünen; und der Höhepunkt der Treffen mündete meist in die Debatte, welche der zahlreichen winzigen, verfeindeten spanischen Grünparteien auf europäischer Ebene anerkannt werden soll.
Auch für ein Hotel fehlte das Geld – ich erinnere mich an eine frierende Übernachtung in einem lagerartigen Büroraum ohne Warmwasser irgendwo in Brüssel. Erst 1988/89 besserte sich die Lage. Weiterlesen

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