Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Kategorie: Wenn ich so zurückdenke… (Seite 2 von 3)

“Mein grüner Moment” – wie war das als erste grüne Gemeinderätin, als Demonstrant gegen Zwentendorf? Was waren unterhaltsame, bemerkenswerte, traurige Augenblicke?

126/366: Tschernobyl: Auch 1000 Kilometer sind nebenan

Scheiß auf Tschernobyl - Wackersdorf ist überall.

Scheiß auf Tschernobyl – Wackersdorf ist überall.

1987 am Titelbild der alternativen Zeitschrift “Netzwerk”: ein Bild einer Demonstration mit dem Slogan “Scheiß auf Tschernobyl – Wackersdorf ist überall”. Der Physiker Peter Bossew zog Bilanz über (fast) ein Jahr Atomkatastrophe: “Die Begriffe Entfernung und Nachbarschaft haben ihre Bedeutung etwas verändert”.


//zitat// Plötzlich hat man sinnlich und praktisch erfahren (wobei freilich die Sinnesorgane die Medien sind), was die Gescheiteren auch vorher theoretisch und im Kopf schon gewußt haben, nämlich daß auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse eintreten können. Die traditionell zu den Dümmeren zählenden Politikern haben geglaubt, und haben uns ihrer extrovertierten Natur entsprechend glauben machen wollen, ein Mal in (sagen wir) einer Million Jahren heißt: erst in einer Million Jahren; also wenn wir schon längst unter dem Rasen liegen. Die elementare Einsicht in die Wahrscheinlichkeitstheorie, daß es nicht so ist, hat Tschernobyl nun popularisiert. […]

Die Begriffe Entfernung und Nachbarschaft haben ihre Bedeutung etwas verändert. Waren für die Herren Experten bisher sensible, für den Katastrophenfall relevante Zonen von wenigen Kilometern Radius um ein AKW schon Zugeständnisse an die Hysterie der Atomgegner, hat das Publikum nun gelernt, daß auch 1000 Kilometer nebenan sein können. //zitatende//


Vorwort und Artikel zum Download: 126-netzwerk-ein-jahr-tschernobyl (PDF, 4 MB)

106/366: ERDgespräche 2016 in memoriam Freda Meissner-Blau

Am 3. Mai 2016 finden zum neunten Mal die ERDgespräche in Wien statt. Auch heuer wartet der Dialog von NGOs, AktivistInnen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen über die Zukunft der Erde mit inspirierenden Vortragenden auf. Die erste Sprecherin der ERDgespräche im Startjahr 2008 war die am 22. Dezember 2015 verstorbene grüne “Galionsfigur” Freda Meissner-Blau. Die Veranstaltung findet daher heuer in memoriam Freda statt. Heute bei 366xgrün ein Gastbeitrag ihres Enkels Adam Pawloff.

Adam wurde 1981 in Großbritannien geboren. 2004 kam er nach Österreich und studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien. Von 2010 bis 2015 arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit, BOKU. Seit 2015 ist er als Klima- und Energiesprecher bei Greenpeace in Österreich. Seit 2009 organisiert Adam gemeinsam mit Gründerin Angie Rattay die ERDgespräche.

ERDgespräche 2016 am 3. Mai, in memoriam Freda Meissner-Blau

Freda Meissner-Blau. Foto: Hannes Huber

Freda Meissner-Blau. Foto: Hannes Huber

“Wir haben die Au gerettet. Ihr müsst jetzt die Welt retten”.

Mit diesen Worten hat Freda uns auf dem Weg zur Klimakonferenz nach Paris verabschiedet.

Zuletzt haben wir sehr viel über den Klimawandel gesprochen – darüber hat sie sich am meisten Sorgen gemacht. Sie war ziemlich erleichtert, als der Deal bei der Klimakonferenz zu Stande gekommen ist. Ich habe auch das Gefühl, dass sie gewissermaßen Paris noch abgewartet hat.

Viel Kraft hat sie auch dadurch schöpfen können, dass wir auch nach ihrem Ableben die Arbeit weiter tragen. In ihre Fußstapfen treten. Unter anderem mit den ERDgesprächen!

Um Freda gerecht zu werden, müsste man eigentlich sagen, dass sie nicht nur die Au mitgerettet hat, sondern auch einen nicht unwesentlichen Beitrag zum atomkraftfreien Österreich geleistet und die Grüne Partei mitgegründet hat. Kurz vor der Parteigründung nahm sie 1986 an der Bundespräsidentschaftswahl teil.

Für die ERDgespräche war sie erste Sprecherin (2008), Wegbegleiterin, Schirmherrin und Ehrenpräsidentin unseres Vereins Neongreen Network. In unserem Engagement und den ERDgesprächen hat sie auch gewissermaßen die Fortsetzung ihrer Arbeit gesehen.

Zu ihren Ehren finden die nächsten ERDgespräche in memoriam Freda statt. Neben den Vorträgen von Filmemacherin Céline Cousteau, Aufdecker-Journalist und Guardian-Chefredakteur (1995-2015) Alan Rusbridger, Designkritiker John Thackara und Landschaftsfotograf Simon Norfolk, wird das diesjährige Programm mit Fotos, Videos und kurzen Statements von Wegbegleiter.innen Fredas begleitet.

Am 3. Mai ist es soweit. Um 17.00 öffnet die Winterreithalle (Halle E) des Museumsquartiers für die neunten ERDgespräche ihre Pforten.
Und Freda wird wieder bei uns sein. Diesmal auf eine andere Art und Weise.

Alle Infos zum Programm und Anmeldung: erdgespraeche.net


ERDgespräche 2016 in memoriam Freda Meissner-Blau.

ERDgespräche 2016 in memoriam Freda Meissner-Blau – jetzt anmelden.

Programm der ERDgespräche am 3. Mai 2016

16:30 Empfang mit VIP*Ticket
17:00 Einlass zu den ERDgesprächen
17:30 Beginn der ERDgespräche
20:30 Bio-Buffet und Networking
23:00 Offizielles Ende

Side Events & Vormittagsprogramm

2. Mai, 14-18 Uhr, MAK Forum
Workshop “How to thrive in the next economy” von und mit dem britischen Designguru John Thackara unter Teilnahme von lokalen Akteuren wie Biotope City, Komobile und Lastenradkollektiv.
In Kooperation mit MAK, Stadtfabrik und IDRV.

2. Mai, 20:20 Uhr, designforum MQ
Die dritte Eco Pecha Kucha – spannende Kurzvorträge im bewährten Format, 20 Slides à 20 Sekunden.
In Kooperation mit Pecha Kucha Night Vienna und designaustria.

3. Mai, 8:30-12:30 Uhr, Impact HUB Vienna
Wir präsentieren den dritten Neongreen HubClub als offizielles ERDgespräche-Vormittagsprogramm: Gemeinsames Networking-Frühstück; Podiumsdiskussion mit den Vortragenden Céline Cousteau, Simon Norfolk und John Thackara: “Neongreen (Ad)ventures” und Entwicklung kreativer Geschäftsmodelle für die Welt von morgen.

3. Mai, 17 Uhr, Kunsthaus Wien
Meet the artist: Ausstellungsbegehung der Fotoausstellung “Seen on earth” mit der Kuratorin Verena Kaspar-Eisert und ERDgespräche-Sprecher Simon Norfolk. In Kooperation mit Kunsthaus Wien.

102/366: 25 Jahre Kampf gegen “mir san mir” in Zwettl

2015 feierten das Bürgerforum bzw. die Grünen im niederösterreichischen Zwettl das 25jährige Bestehen. In der Festschrift zum Jubiläum erinnert sich Hans Berger an seine Zeit als Gemeinderat und Stadtrat vom März 1990 bis Februar 2002 – trotz beruflicher Nachteile bereut er sein Engagement in der Gemeindepolitik nicht.


Festschrift "Grünes Jubiläum Zwettl".

Festschrift “Grünes Jubiläum Zwettl”.

//zitat// Motivation: Eines war klar. Es musste etwas geschehen, da ich im Krankenhaus Zwettl als Oberarzt der chirurgischen Abteilung politischen Druck erfahren musste. Als dann noch Bruno Gorski mit dem Vorschlag zu mir kam, mit einer eigenen Liste bei der Gemeinderatswahl 1990 zu kandidieren, stimmte ich sofort zu. Außerdem wurde der Natur- und Umweltschutzgedanke in der Gemeinde Zwettl auch gegen die Bemühungen der eigenen Gemeindefunktionäre vernachlässigt. Die politische Unzufriedenheit mit den lokalen Politikern versammelte dann schnell Mitstreiterinnen, trotz der Gefahr, Nachteile im weiteren Berufsleben zu erfahren, um uns. Der Gründungsname “Bürgerforum Zwettl (BFZ)” leitete sich aus einer Erneuerungsbewegung in der CSSR ab. Eine junge Mannschaft mit Brigitte Kein, Gabriele Kastner, Dr. Anna Maria Fürnsinn, Bruno Gorski, Gerhard Mayer, Dr. Bernhard Schmid, Johannes Gutmann und mir stellte sich zur Wahl am 25. März 1990 und erreichte drei Mandate. Anna Maria Fürnsinn, Bruno Gorski und ich wurden in den Gemeinderat entsandt. Das erste Foul erfolgte prompt durch Herabsetzung der Stadtratsmandate durch die ÖVP Fraktion und damit den Verlust eines Stadtrat-Mandates. Unsere Arbeit bestand in gewissenhafter Vorbereitung auf jede Gemeinderatssitzung, Kontrolle der Gemeinderats- und Stadtratsprotokolle und das Stellen von Dringlichkeitsanträgen im Gemeinderat. in nächtelanger Arbeit wurden unsere Artikel für die Zeitung “Zwettl Transparent” von Bruno Gorski unter der kritischen Anleitung von Werner Fröhlich erstellt.

Hans Berger war von 1990 bis 2002 in der Zwettler Gemeindepolitik aktiv.

Hans Berger war von 1990 bis 2002 in der Zwettler Gemeindepolitik aktiv.

Der Erfolg stellte sich bei der nächsten Gemeinderatswahl am 19. März 1995 ein: Wir erreichten fünf Mandate. Brigitte Mayerhofer, Bruno Gorski, Werner Fröhlich, Josef Schiller und ich zogen in den Gemeinderat ein. Ich wurde Stadtrat für Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. In heftigen Diskussionen setzte ich mich für eine dezentrale Abwasserentsorgung und Kleinkläranlagen mit einer Pflanzenstufe als Nachreinigung ein. Damit gelang es mir – auch wenn die Früchte erst nach meinem Ausscheiden aus der Politik reiften – Kleinkläranlagen mit nachfolgender Pflanzenstufe in der Großgemeinde salonfähig zu machen. Ich erinnere mich an viele böse Fouls durch die ÖVP-Fraktion, an die Mentalität “mir san mir”, an geflüsterte Worte bei Ansuchen an die Gemeinde nicht genehmer Mitbürger “den ge’ma des net”, sowie an die Schwierigkeiten, die Sporthallenkosten für die Handballmannschaft, deren Obmann ich war, gefördert zu bekommen (für die Gemeinde eine Nullsummenrechnung). Nach meinem Wechsel an das Krankenhaus Gmünd wurde die zeitliche Belastung spürbarer. Nach den verlorenen Wahlen im Jahr 2000 bereitete ich den Übergang vom Bürgerforum Zwettl in die Partei “Die Grünen Zwettl” vor und trat im Februar 2002 zurück. Ich bereue meinen Einsatz als Gemeindepolitiker in keinster Weise. Es ist wichtiger denn je, eine schlagkräftige Oppositionspartei im Gemeinderat zu besitzen. Mit unserer Zeitung “Zwettl Transparent” haben wir Böcke der politischen Gegner in heftiger Weise kritisiert. Die Überraschung nach meinem Ausscheiden aus der Politik war, dass der lange Arm der Macht mich weiter zu schütteln trachtete. //zitatende//


Festschrift zum Download: 102-festschrift-25-jahre-buergerforum-zwettl (PDF, 4 MB); Bilder vom Geburtstagfest: https://bezirkzwettl.gruene.at/geburtstagsfest

94/366: Mit Mehrheit abgelehnt

Titelblatt der Broschüre "Mit Mehrheit abgelehnt"(Grünes Archiv)

Titelblatt der Broschüre “Mit Mehrheit abgelehnt” (Grünes Archiv, Inventarnr. 256)

“Die Ignoranz und Arroganz, mit der unsere Arbeit oft bedacht wurde, war kaum zu überbieten”, resümierte der grüne Klubobmann Andreas Wabl im Vorwort zur Broschüre “Mit Mehrheit abgelehnt” (unten im Volltext). In diesem Heft werden grüne Anträge und Anfragen aus der ersten Zeit im Parlament aufgelistet – ein bemerkenswertes Spektrum. Und seine Vorgängerin Freda Meissner-Blau fasste zusammen: “Unzählige Anträge der Grünen waren dazu angetan, die Misere an ihren Wurzeln zu packen. Abgelehnt! Schauen sich die Herrschaften nie in den Spiegel?”


//zitat// Mit dieser Zusammenstellung grüner Anträge, Zusatzanträge und Abänderungsanträge liegt nicht nur ein guter Querschnitt grüner parlamentarischer Arbeit vor, sie gibt auch Auskünfte über den Zustand unserer Demokratie. Die Ignoranz und Arroganz, mit der unsere Arbeit oft bedacht wurde, war kaum zu überbieten. Viele Ausschußverhandlungen verkamen zu Solospielen der grünen Abgeordneten, weil die Mitglieder anderer Fraktionen ihr Verhandlungsergebnis bereits paktiert hatten. Allerdings täuscht diese undemokratische Vorgangsweise der Großparteien über die dennoch wichtige Einflußnahme grüner Politik in vielen gesellschaftlichen Bereichen hinweg. Das oft sinnentleerte Ritual der Ausschüsse im Parlament wurde durch ein kurzfristiges Aufflackern interessanter Debatten und Diskussionen durchbrochen, und die in Hinterzimmern der Sozialpartnerschaft konstituierten Gesetzestexte zeigten manchmal doch Facetten, die die Reste des Selbstwertgefühls mancher Abgeordneten aufleben ließen. Grüne Ideen und Anträge wurden und werden zwar meist in der ersten Phase als unrealistisch abgetan, fanden und finden sich dann aber plötzlich als tagespolitische Heldentaten auf den Titelseiten der Zeitungen wieder. Durch umfassende grüne Anträge ist es auch gelungen, in vielen gesellschaftlichen Bereichen Diskussionen zu verstärken, die bisher im Schatten der Ministerialbürokratie dahinvegetierten.

Grünes Antidiskriminierungsgesetz

Illustration zum Antidiskriminierungsgesetz aus der Broschüre "Mit Mehrheit abgelehnt".

Illustration zum Antidiskriminierungsgesetz aus der Broschüre “Mit Mehrheit abgelehnt”.

Das grüne Antidiskriminierungsgesetz (ADG) wurde ein wichtiger Beitrag zur Emanzipationsdiskussion, gerade im Zusammenhang mit den ständigen Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Österreicherinnen. Mit dem Umweltschädenhaftpflichtgesetz, dem wohl umfassendsten Gesetzesantrag aus “grüner Werkstatt”, ist uns ein wichtiger Beitrag zur ökologischen Entwicklung unserer Industriebereiche gelungen [Die Referate und Diskussionen von der Enquete der Grünen zum Thema “Haftung und Pflichtversicherung für Umweltschäden” im Juli 1991 liegen im Grünen Archiv vor, Anm.]. Dieses Gesetz beabsichtigt eine Verteuerung bis Verunmöglichung umweltbelastender, umweltriskanter und umweltschädigender Produktionsverfahren. Ökologisches Wirtschaften soll nicht durch Beamtenkontrolle, sondern durch effektive Versicherungskontrolle erreicht werden. Da eine Verbesserung der ökologischen Bedingungen und des Umweltzustandes untrennbar mit der demokratischen Frage verknüpft ist, waren wir bemüht, vor allem die Bürgerbeteiligung und die Rechte des Einzelnen zu verbessern. Insbesondere der Zugang zu Informationen ist Voraussetzung für wirksames Einschreiten einzelner Bürgerinitiativen und Gruppen. Die Regierung hat jedoch ihr Versprechen eines umfassenden Bürgerbeteiligungsgesetzes gebrochen. Weiterlesen

87/366: Grüne Frauen: Frei und wild, kein Freiwild

“Wir sind frei und wild, kein Freiwild” war der Titel des ersten grünen Frauenprogramms. In ihrem Text zum 25jährigen Bestehen der Grünen Frauen Wien ging Maxie Klein zu den Anfängen der grünen Frauenorganisation zurück. Dafür interviewte sie Ingrid Gurtner, Eva Hauk, Elfi Schuh und Hedi Spanner-Tomsits.


Cover der 2013 erschienenen Broschüre "25 Jahre feministische Politik" (Grünes Archiv, Inventarnr. 185)

Cover der 2013 erschienenen Broschüre “25 Jahre feministische Politik” (Grünes Archiv, Inventarnr. 185)

Wie alles begann – der Aufbruch der 1980er Jahre

Die Geschichte der Frauenorganisation beginnt gleichzeitig mit der Geschichte der Grünen. 1982 schafften es bei der Nationalratswahl weder die Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) noch die Alternative Liste (AL) ins Parlament. Dies war – gemeinsam mit der Besetzung der Donauauen in Hainburg – der Anstoß zur Grünen Einigung.

Im Zuge der langwierigen Einigungsprozesse kam es zum Treffen zwischen den beiden Organisationen und so auch zur Vernetzung von feministischen Positionen, die zusätzliches Futter von Frauen aus der alternativen Bewegung bekamen. Dabei ging es diesen Feministinnen nicht nur um frauenpolitische Anliegen, sondern auch um die Berücksichtigung von Frauen im Einigungsprozess und beim Aufbau Grüner Strukturen.

1986 stellte Gexi Tostmann der sich formierenden Grünen Frauengruppe die Räumlichkeiten zur Verfügung, die davor schon Freda Meissner-Blau als Wahlkampfzentrale für ihre Kandidatur als Bundespräsidentin dienten. Am 3. Oktober 1986 kam es in der Nacht vor der berüchtigten offenen Landesversammlung der Grünen Alternativen Sammlung – Freda Meissner-Blau erlitt dort einen Herzanfall – zur Gründung der Grünen Frauenorganisation.

8 Frauen

Vorkämpferinnen wie Eva Hauk, Elfi Schuh oder Hedi Spanner-Tomsits ist es zu verdanken, dass bei erwähnter Landesversammlung eine Mindestparität bei Listenwahlen und Grünen Funktionen beschlossen wurde. Dass es noch lange dauerte, bis diese umgesetzt wurde, steht auf einem anderen Blatt. Im ersten Parlamentsklub war Freda Meissner-Blau noch die einzige Frau unter 7 Männern. Im Jahr darauf kandidierten Renate Bahr, Gabi Fröhlich, Susanne Moidl, Hedi Spanner-Tomsits und Claudia Strasser auf einer Frauenliste für den Landesvorstand. Vor dieser Wahl wurde allerdings das Statut so geändert, dass keine Kandidaturen als Liste, sondern nur als Einzelperson möglich waren. Von der Frauenliste schaffte es nur Hedi Spanner-Tomsits in den Landesvorstand.

Teilorganisation mit Geld

Die Frauenliste und dahinter stehende Forderungen führten immerhin zu einer Anerkennung als Teilorganisation, die jedoch erst 1988 mit Budget ausgestattet wurde. Ende der 1980er wurde Elfi Schuh als Vertreterin der Grünen in den Frauenausschuss von Johanna Dohnal entsendet. Die Ergebnisse dieser Treffen waren geheim, und weil sich das mit der basisdemokratischen Ausrichtung der FO nicht vereinbaren ließ, wurde die Teilnahme der Grünen Frauen beendet.1987 wurde unter dem Titel “Wir sind frei und wild, kein Freiwild” das erste Frauen-Programm von Jutta Sander, Elfi Schuh und Hedi Spanner-Tomsits erstellt. Viele der Forderungen von damals sind auch heute noch aktuell, einige wenige konnten umgesetzt werden.

Der steinige Weg

“Frauen aus dem damaligen Wiener Landesvorstand diskutierten mit uns, ob wir als Gruppe überhaupt existieren dürften. Viele meinten, unsere Gruppe sei ein ‘Ghetto’, in dem sich Frauen einriegeln und ihre Qualitäten und ihr Engagement so für die Grüne Partei verlorengehen”, schreibt Ingrid Gurtner 1992 in “Brot und Rosen”. Und obwohl in den späten 1980ern bereits der erste Bundesfrauenkongress mit über 200 Teilnehmerinnen aus allen Bundesländern stattfand, wurde die Gründung einer österreichweiten Frauenorganisation von vielen abgelehnt. Der Kampf um Geld und Anerkennung zehrte aus. Viele feministische Frauen verließen daraufhin die Partei. Die Frauenorganisation schrumpfte auf 5 Frauen. Diese kleine Gruppe versuchte die feministischen Forderungen trotzdem innerhalb der Partei sichtbar zu machen und sie in der Zeitung “Brot und Rosen” zu verbreiten. Geld aus der Partei gab es dafür keines und so wurde diese Arbeit von der Bildungswerkstatt finanziert.

79/366: Bezirksrat Michael Kohlhaas wird in Jeans angelobt

Im Grünen Archiv gibt es Berichte zum Jubiläum “Ein Jahr Grüne in der Wiener Bezirksvertretung” (1988), die wir hier in unregelmäßigen Abständen veröffentlichen wollen. Der erste Teil – aus Floridsdorf – erschien am 13. März unter dem Titel “Platzkarten im Amtshaus” in diesem Blog.

Heute geht es in den sechzehnten Bezirk: Der Ottakringer Bezirksrat Christian Luksch fasste seine resignierenden Erinnerungen unter dem Titel “Nackte Gewalt” zusammen und erinnert an Michael Kohlhaas – die literarische Figur und ihr historisches Vorbild setzten sich gegen Machtmissbrauch, unfaire Behandlung und Unterdrückung ein. Vieles von seinen Beobachtungen deckt sich mit den Berichten aus den anderen Bezirken, und es dürfte wohl grünen Gemeindevertreter_innen auch in anderen Orten bekannt vorkommen.


Christian Luksch: Nackte Gewalt, 1988 (Grünes Archiv)

Christian Luksch: Nackte Gewalt, 1988 (Grünes Archiv)

//zitat// Ein Jahr grüner Bezirksrat in Ottakring, der “Roten Burg” Wiens, was ist das? Ein Jahr Billy the Kid im Wilden Westen. Ein Jahr Michael Kohlhaas gegen die Feudalherren des Mittelalters. Ein Jahr mit einem Fuß im Gefängnis und mit dem anderen im Irrenhaus.

Das wärs auch schon wieder. Recht viel mehr gibts dazu nicht zu sagen. Im großen und ganzen. Und im Detail?

Angelobung: Natürlich erscheine ich ohne Krawatte. Dafür aber in Blue Jeans, mit Tennisschuhen, grünem Hemd und weißer Weste. Vizebürgermeisterin Smejkal sackt bei meinem Anblick zusammen. Ob ich gelobe? Natürlich gelobe ich.

1. Sitzung: Wir lehnen es ab, den Bezirksvorsteher mitzuwählen. Die Stadtverfassung ist in diesem Punkt ein Prachtbild der Demokratiefeindlichkeit, nur die stärkste wahlwerbende Partei darf einen Kandidaten für das Amt stellen.
Ebenfalls abgelehnt wird von uns das Bezirksbudget. Erstens haben wir nicht daran mitgearbeitet und können so auch keine Verantwortung dafür übernehmen, zweitens sind uns 450 Schilling pro Ottakringerin einfach zu wenig.
Der neue alte Bezirksvorsteher kocht fast über. Wir haben uns das Türl zugeschlagen, bevor wir durchgegangen sind.

2. Sitzung: 2 Anträge der Grünen – Einladung von Schulklassen zu den öffentlichen Sitzungen der Bezirksvertretung im Rahmen des Politikunterrichtes sowie öffentliche Bekanntgabe der Sitzungstermine über die Bezirkszeitungen werden bereits in der Präsidiale abgeschmettert. “Dafür sind wir nicht zuständig.”

3. Sitzung: In der Präsidiale wird ein Antrag auf Rauchverbot während der Sitzungen abgeschmettert. Nach Auffassung des Bezirksvorstehers verstößt dieser Antrag gegen die Menschenrechte, da er die Minderheit der Raucher diskriminiert. Der Bezirksvorsteher selbst ist Nichtraucher. Weiterlesen

73/366: Platzkarten im Amtshaus

Ein interessanter Neuzuwachs im Grünen Archiv ist die Presseunterlage zum Jubiläum “Ein Jahr Grüne in der Wiener Bezirksvertretung” (1988). Aus jedem Bezirk kam ein Bericht – teilweise einfach die grünen Anträge aus dem ersten Jahr, teilweise aber auch längere Berichte, die zeigen, wie die Grünen von den anderen Fraktionen aufgenommen wurden. So viel sei verraten: Die Erfahrungen sind ähnlich. Die einzelnen Berichte werden in den nächsten Wochen in diesem Blog veröffentlicht. Den Beginn macht die Floridsdorfer Bezirksrätin Flora Neuberger mit ihrer Bilanz über das erste Jahr: “Jahrelang saß ich so gut wie allein, mit den Journalisten der kommunalen Blätter, in der Besucherreihe. Seit dem Einzug der Grünen ins Amtshaus müssen Platzkarten ausgegeben werden”.


handschriftlicher Bericht. Der Floridsdorfer Bezirksvorsteher erklärte der grünen Bezirksrätin Flora Neuberger ihre Aufgabe.

Der Floridsdorfer Bezirksvorsteher erklärte der grünen Bezirksrätin Flora Neuberger ihre Aufgabe.

//zitat// Am 8. November 1987 erreichte die “Grüne Alternative Floridsdorf” bei der Bezirksvertretungswahl 2.382 Stimmen (4,31%) und zwei Mandate. Seit der Angelobung Mitte Dezember 1987 ist ein Jahr vergangen – was hat sich im Bezirk geändert?

Ein Jahr Arbeit im Bezirksparlament – mit Erfolg?  Gemessen an den schwierigen Bedingungen unter der Regentschaft von Bezirkskaiser Landsmann antworte ich mit “Ja”! Denn bis zum Herbst 1987 waren bei den Bezirksvertretungssitzungen kaum Interessenten zu finden. Jahrelang saß ich so gut wie allein, mit den Journalisten der kommunalen Blätter, in der Besucherreihe.

Seit dem Einzug der Grünen ins Amtshaus müssen Platzkarten ausgegeben werden. Wer keinen Einlaß findet, kann am Gang mittels Lautsprecher zuhören. In früheren Sitzungen gab es nur wenig Anfragen und Anträge, auf echte Debatten wartete man vergebens. Reibungslos wurden fertige Konzepte abgestimmt. Auch das ist inzwischen anders geworden. Auf Wortmeldungen der Grünen muß spontan reagiert werden. Und es wird spürbar, daß die Bezirksräte der Großparteien nicht nur gegen den Wunsch der Bezirksbewohner, sondern sogar gegen ihre eigene Überzeugung argumentieren müssen. Die wenigen Bezirksrätinnen der Etablierten dürfen sich nur selten zu Wort melden. Liegt das an der Konkurrenzangst der Männer vor den meist engagierteren Frauen? Als Grüne genieße ich den Vorzug, – entsprechend der Verfassung! – meinem Gewissen und damit dem Bürger verantwortlich zu sein. Nicht dem Klubzwang einer Partei! Es gibt Bezirksräte, die mich um diese Freiheit beneiden. Es wäre eine Beleidigung meiner Intelligenz, wenn ich stumm bleiben und auf Befehl die Hand heben müßte. Diese Perversion nennen die Etablierten “demokratische Entscheidung”. Das wollen wir Grüne verändern. Dieser Stimmenmehrheit können wir aber nur mit Unterstützung von Bürgerinitiativen begegnen.

Logo der Grünen Floridsdorf - natürlich mit Floh.

Logo der Grünen Floridsdorf – natürlich mit Floh.

Im vergangenen Jahr habe ich Einblick in die Dichte und das Ausmaß von Parteiapparaten gewonnen. Das Rezept des großen Kuchens, an dem alle mitschneiden wollen, besteht aus folgenden Zutaten: krisensicherer Arbeitsplatz, Beziehungen und Privilegien. Wer ist schon bereit, auf so viel Annehmlichkeit zu verzichten? – Unsere “Volksvertreter’ vertreten uns längst nicht mehr. Sie sind zu disziplinierten Befehlsempfängern geworden. Sie stillen Interessen der Betreiber statt Bedürfnisse der Bürger.

Wir Grüne sind zu einer Sammelstelle von Bürgerinitiativen geworden, die aus Abwehr gegen undemokratische Entscheidungen zahlreich aus dem Boden wachsen. Die akute Gefährdung unserer Gesundheit macht jeden einzelnen zum Politiker und Betroffenen. Unsere Atemluft ist zum kostengünstigsten Abtransporter von Schadstoffen geworden, und unsere lebenswichtigen Gewässer sind bereits Spülmaschinen. Der “Selbstbedienungsladen Natur” wird immer kleiner. Das Schlimmste ist die Bedrohung. Das Zweitschlimmste ist die Resignation. Resignieren wir nicht! Politischer Mut und persönlicher Einsatz sind die letzte Chance, Krisen und Gefahren zu bannen. Jeder von uns trägt sein Stück Verantwortung an diesem System und an der tickenden Zeitbombe, die wir unseren Kindern hinterlassen. Dessen sollten wir uns bewußt werden. Wir alle! //zitatende//

66/366: 25 Jahre Grüne in den Wiener Bezirksvertretungen – ein Blick von innen und außen

Das Grüne Archiv wurde am 1. Juli 2012 gegründet. Als erste öffentlichkeitswirksame Aktion wurde – in Kooperation mit der Bezirkekonferenz – eine Wanderausstellung zum Jubiläum “25 Jahre Grüne in den Wiener Bezirksvertretungen” gestaltet. Nachdem es bereits ab 1983 BezirksrätInnen der Alternativen Liste Wien und der Vereinten Grünen gegeben hatte, zogen 1987 in alle 23 Bezirksvertretungen grün-alternative BezirksrätInnen ein. In der als “lustvolles Training für das grüne Gedächtnis” konzipierten Schau wurden die wichtigsten Stationen der Grünen und Alternativen in Wien (von der Vorgeschichte mit Hausbesetzungen und Demos über erste kommunalpolitische Programme bis zu den Angelobungen der grünen Bezirksvorsteher) und die Geschichte der Grünen im jeweiligen Bezirk in Erinnerung gerufen. Die Ausstellung war in den Bezirken Währing, Neubau, Hernals, Leopoldstadt, Brigittenau und Landstraße zu sehen und kann jederzeit im Grünen Archiv ausgeliehen werden.

Am 8. November 2012 versuchten Andrea Binder-Zehetner (1987 grüne Bezirksrätin in Wien-Währing), Herbert Sburny (grüner Bezirksrat in Wien-Neubau, Amerlinghaus-Aktivist), Herbert Tamchina (1991-1998 Bezirksvorsteher von Wien-Neubau, SPÖ) und Heribert Steinbauer (Bezirksvorsteher-Stellvertreter von Wien-Neubau, ÖVP) im Festsaal des Amtshauses Neubau über eine Bewertung: Welchen Beitrag haben die Grünen zur politischen Kultur geleistet? Wie haben die anderen Parteien die ersten grünen BezirksrätInnen wahrgenommen? An welchen gesellschaftlichen Bruchstellen entstehen neue politische Bewegungen? Wann wird eine Bewegung zu einer Partei? Die Diskussion wurde von Silvia Nossek moderiert und von Peter Horn für zige.tv / ichmachpolitik.at dokumentiert.

60/366: “Kompetenz nicht gefragt”. Frauen in der Politik 1990

Die steirische Grünpolitikerin Gundi Kammlander schilderte in ihrem Bericht “Kompetenz nicht gefragt” ihre Erfahrungen als Frau in der Politik – in der eigenen Partei und mit den anderen Parteien. Der Text erschien 1990 in der Zeitschrift “Impuls grün”. Kammlander, von Beruf technische Zeichnerin, war von 1986 bis 1991 Abgeordnete zum steirischen Landtag als Vertreterin der Alternativen Liste in einem Wahlbündnis mit den Vereinten Grünen.


Gundi Kammlander in Impuls Grün 22/1990. UrheberIn: unbekannt.

Gundi Kammlander in Impuls Grün 22/1990. UrheberIn: unbekannt.

//zitat// AIs grüne Frau in abgeordneter Position ist die Konfrontation von besonderer Art- nicht nur, daß unsere politischen Anliegen meistens über die Forderungen anderer Parteien hinausgehen, haben wir auch einen alternativen Anspruch an den Stil der Aus-Einander-Setzungen. Meine Vorstellung von Mitsprache und Aktivität stieß am Anfang beim Großteil der männlichen Kollegen schlicht auf Unverständnis – Bemerkungen wie “Emanze” und “arrogante Kuh” sind Ausdrücke der Mißachtung. Immer noch wird für eine bescheidene und zurückhaltende Rolle applaudiert und eine “potente” Oppositionshaltung abfällig kommentiert.

Frauen können sich in dieser Situation wieder einmal nicht nach eigenen Vorstellungen präsentieren, sondern müssen reaktiv eine Rolle entwickeln, um auf der politischen “Bühne” reüssieren zu können. Fest steht, daß die “Inszenierungen” nur langsam von uns Frauen bestimmt und die “Regieanweisungen” abgeschüttelt werden. Im Krisenfall weichen Männer neuerdings auf die “Wir-brauchen-die-Frauen” Beschwichtigungsmethode aus.

Die Grüne Alternative hebt ja mit ihrer Frauen/Männer-Parität den Frauen-Anteil in den Entscheidungsgremien an. Frauen bekommen dadurch Öffentlichkeit und werden vielleicht auch – im besten Fall – von den Medien und Parteigranden zu mutigen Vor-Bildern für eigene Parteifrauen stilisiert. Kommt das Prinzip “Teile-und-Herrsche” zum Tragen bekommt die zarte Pflanze “Frauen-Solidarität” den nächsten Knacks.

Es müßte uns demnach gelingen eine unabhängige Frauen-Basis zu schaffen, die frei bleibt von männlichen Einflüsterungen bzw. Einflüssen. Hier sollten wir die Antenne auf Empfang stellen und einen klugen Stil für die tägliche Praxis entwickeln. //zitatende//

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