Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Kategorie: Grundsatzdebatte (Seite 2 von 5)

Inhalte und Entstehen der Grundsatz- und Wahlprogramme, Grundwerte, Koalitionsabkommen

265/366: “Wärme des Lebendigen wird weggeplant”. Alternative Liste Innsbruck

Wahlprogramm der Alternativen Liste Innsbruck (1983).

Wahlprogramm der Alternativen Liste Innsbruck (1983).

Vor 33 Jahren, am 25. September 1983, erreichte die Alternative Liste Innsbruck 2,87%  bei der Gemeinderatswahl und zog mit einem Mandat in den Gemeinderat ein. KandidatInnen waren Hans Augustin, Astrid Kirchbaumer, Eva Köckeis-Stangl, Rainer Patek und Sylvia Wallinger. Der aus der alternativen “Stattzeitung” hervorgegangene Stattclub mit Gerhard Fritz an der Spitze erreichte 1,1%.

“Nachdem die ALI ein Gemeinderatsmandat erreicht hatte, wurde sie von der ‘Stattzeitung’ unterstützt; der Stattclub als politisches Projekt der ‘Stattzeitung’ löste sich auf, Gerhard Fritz wurde nach kurzer Zeit selbst bei der ALI aktiv. Politisch fand eine ‘pragmatische Hinwendung zur Realität’ statt”, konstatieren Martin Achrainer und Niko Hofinger in ihrem Aufsatz “Politik nach ‘TirolerArt – ein Dreiklang aus Fleiß, Tüchtigkeit und Zukunftsglauben’. Anmerkungen, Anekdoten und Analysen zum politischen System Tirols 1945—1999”, erschienen 1999 im Tiroler Band der “Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945” (S. 90).

Wir bringen einen Auszug aus dem Wahlprogramm der Alternativen Liste.


Wohnung

Stufenweiser Abbau des Profitwesens auf dem Wohnungsmarkt, Ausschaltung der Wohnungsmultis; Hausbau durch demokratische Kleingenossenschaften von Wohnungssuchenden. Abbau der Hausherrenwillkür durch Selbstverwaltung der Hausgemeinschaften; Ausschaltung des Makler(un)wesens bei der Wohnungsvergabe. Vorrang für Althaussanierung und Dachbodenausbau statt Wohnsilos auf der grünen Wiese. Keine Umwandlung von Wohnungen in Geschäftsraum, Ver-wendung innerstädtischer Baugründe ausschließlich für den Wohnungsbau, Baustopp für Bürohäuser, Banken, Großkaufhäuser, Supermärkte, Großhotels.

Verkehr

Die Stadt Innsbruck plant Autobahnen in die Innenstadt, die ohnehin schon voll ist (Innrain, Gummpstraße). Damit werden Fußgänger und Radfahrer vollends in den Hintergrund gedrängt. Lärm und giftige Abgase bekommt der Bürger frei Haus. Die Rechtfertigung der jetzigen Politiker läuft darauf hinaus, daß die Innsbrucker das alles wollen. Wir finden das absurd und fordern: Verringerung des motorisierten Individualverkehrs durch Attraktivmachen der umwelt- und menschengerechteren Verkehrsmittel: Massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, radikale Tarifsenkung, Verkehrsverbund von IVB, ÖBB und Post. Echter Vorrang für den Radwegbau, vor allem in der Innenstadt, auch auf Kosten von Autospuren. Berücksichtigung der Bedürfnisse von Fußgängern, vor allem von Kindern. Verkehrsberuhigung in allen Wohngebieten. Kein Bau von Zentrumsgaragen, kein Straßenausbau.

Umwelt und Ökologie

Die Arroganz der Politiker und ihrer Beamten dieser Stadt wird unerträglich.

Die Wärme des Lebendigen wird weggeplant und zuasphaltiert.

Die Umwelt beginnt den Menschen zu bedrohen, und zwar mit vom Menschen produziertem Gift in Boden, Luft und Wasser. Diese Bedrohung der Gesundheit kann nur dann abgewendet werden, wenn ein Umdenken erfolgt. Ein ganzheitliches (ökologisches) Betrachten ist notwendig. Schlechte Luft, Lärm, von Pflanzen und Tieren ausgeräumte Stadtteile sind nicht einzelne getrennte Erscheinungen, sondern entspringen einem Denken “nach immer mehr”. Und die Stadt stolpert von einer Schein-Reparatur zur anderen. Die Stadtpolitiker sprechen von mehr Grün, ohne sich über dessen Funktion im Klaren zu sein. Wir treten daher ein für städtische Abteilungen für Naturschutz und Landschaftsplanung, Erhaltung und Ausweitung der Grünflächen in der Stadt, Entgiftung des Verkehrs, tägliche Veröffentlichung der Luftgütemessungen, Müllrecycling.

Behinderte

Weil verstehbar wird, was auch erlebbar ist: Integration von Behinderten bereits in Kindergärten und Schulen. Weitestgehender Abbau von aussondernden und ghettobildenden Einrichtungen wie Sonderkindergärten und Sonderschulen. Lebensbereiche so gestalten, daß Behinderte selbstverständlich daran teilnehmen können: Integration in Betrieben, behindertengerechte Wohnungen, Ausbau eines wirksamen mobilen Betreuungsnetzes (Zivildiener!) für behinderte und alte Menschen – beginnender Abbau der entsprechenden Heims. Großzügige Unterstützung aller Organisationen und Initiativen, sofern sie integrativ mit Behinderten und Nicht-Behinderten arbeiten.

Kinder und Jugendliche

Damit Kinder-haben und Kind-sein in der Stadt erlebens-wert sein können, dürfen die Lebensbereiche und -bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen nicht denen der Erwachsenen rigoros unterge-ordnet werden. Weder die Kinder noch ihre Erwachsenen sollten aufgrund ihrer speziellen Situation an der Teilnahme am Stadt-Leben behindert werden. Wir fordern den Ausbau von kindgerechten Spielmöglichkeiten (Wohnstraßen, Abenteuerspielplätze,…), Kindergärten nach den Bedürfnissen der Kinder und auch der berufstätigen Mütter (Öffnung über Mittag und über die Ferien), Förderung von Alternativschulen, Förderung autonomer, selbstverwalteter Jugendzentren und prinzipiell: Hilfe zur Selbsthilfe.

Frauen

Förderung von Fraueninitiativen (Autonomes Frauenhaus, Notruf, Frauenzentrum,”…), geschlechtsneutrale Stellenausschreibung, Öffnung aller Arbeitsstellen in der Gemeinde und ihren Betrieben für Frauen, Förderungsprogramm für Frauen im Gemeindedienst, besonders Ausbildung für Mädchen. Vertretung von Frauen in allen öffentlichen Gremien 50:50, gleichmäßige Aufteilung der Hausarbeit auf Männer und Frauen.

Demokratie

In der heutigen “Demokratie” wird von “oben nach unten” regiert. Z.B. werden Straßen gebaut, die die Bürger/ innen gar nicht wollen. Wir wollen nun, daß sich viele Men-schen demokratisch in alles, was sie betrifft, einmischen. Politik darf nichts Geheimes sein, daher fordern wir, daß alle Sitzungen der städt. Gremien öffentlich sind. Damit mehr Leute politische Erfahrung als Mandatare sammeln können, wechseln unsere Vertreter/innen alle zwei Jahre (Rotationsprinzip). Damit unsere Vertreter/innen nicht Entscheidungen treffen, die von uns gar nicht gewollt werden und damit die Erfahrungen, Meinungen und Vorschläge möglichst vieler ALI-Wähler berücksichtigt werden, sind unsere Mandatare/innen dazu verpflichtet, Grundsätzliches vorher in der Versammlung der ALI zu diskutieren. An die dort getroffenen Beschlüsse sind sie dann gebunden. “Privilegienabbau” heißt für uns Kürzung aller Politikergehälter auf die Hälfte, keine zusätzlichen Ämter und Aufsichtsratsposten für städtische Mandatare. Wir von der ALI werden, falls wir in den Gemeinderat kommen, mit gutem Beispiel vorangehen.

Budget

Die Mittel für die von uns gewünschten Maßnahmen können und sollen im Wesentlichen durch Umschichtungen gewonnen werden. So gibt die Stadt 1983 z.B. 116 Mio.S für Straßenneu- und ausbauten aus, aber nur 10,7 Mio.S für Radwege, Gehsteige, Behindertenrampen und Wohnstraßen. Für Repräsentation und Städtepartnerschaften u.ä. sind 1.890.000 S genehmigt worden – die Dienstmercedesse nicht mitgerechnet. Wir finden die Subventionierung parteinaher Verbände und Vereine einen Skandal: So bekommen z.B. die ÖVP-Frauenbewegung und ihr gemeinsam mit der kath. Kirche betriebenes “Frauenzentrum” 250.000 S (neben den kirchlichen Subventionen!), während von den unabhängigen Frauengruppen und -initiativen nur die “Tiroler Initiative Frauenhaus” 100.000 S erhält. Die Junge ÖVP bekommt 90.000 S Steuergelder, die Soz.Jugend 60.000 S, die Kath. Arbeiterjugend etwa aber nur 10.000 S.

248/366: Braune Flecken der grünen Bewegung

Die Nähe von autoritären Vorstellungen und Naturschutz ist kein Zufall. Auch in Österreich gibt und gab es rechtsextreme Strömungen in der Umweltbewegung – von Teilen der Vereinten Grünen über den Weltbund zum Schutze des Lebens bis zu einzelnen esoterischen Strömungen. Noch heute gibt es blau-grüne Wechselwähler_innen, die sich mit dem grünen Grundwert “ökologisch”, wohl aber nicht mit den anderen Grundwerten identifizieren können.

Der steirische Historiker David Kriebernegg – nebenbei bemerkt der erste Benutzer des Grünen Archivs – hielt 2013 in Graz einen Vortrag zu den “braunen Flecken der grünen Bewegung” im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Facetten des Rechtsextremismus” der Jungen Grünen Steiermark. Außerdem hat die Grüne Bildungswerkstatt das Thema bei der Veranstaltungsreihe “Braune Ökologie” mit dem Autor und Journalisten Peter Bierl aufgegriffen. Die Reihe wird heuer fortgesetzt.

237/366: Von der Basisbewegung zur Partei. Eine Außensicht

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Parteien und Katholische Kirche im Gespräch (1999)

Die Veranstaltungsreihe “Parteien und Katholische Kirche im Gespräch” fand von April bis Juni 1999 im Salzburger Bildungshaus St. Virgil statt. Alle fünf Parlamentsparteien wurden von der Österreichischen Bischofskonferenz zu einem Studientag eingeladen, an dem eine Momentaufnahme der Gemeinsamkeiten und Gegensätze versucht wurde. Nach einleitenden Referaten eines Zeithistorikers und eines Politikwissenschaftlers folgten  Grundsatzreferate von Vertreter_innen der Katholischen Kirche und der jeweiligen Partei. Am Nachmittag folgten Arbeitskreise und eine abschließende Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung.

Wir bringen heute im Blog eines der beiden Einleitungsreferate am Studientag mit den Grünen, in dem der Historiker Ernst Hanisch die Entwicklung der Grünen “Von der Basisbewegung zur Partei” darstellt. Die anderen Beiträge werden in den nächsten Wochen veröffentlicht.

Mit freundlicher Genehmigung des Medienreferats der Österreichischen Bischofskonferenz.


// Die Grünalternativen sind tatsächlich eine neue Partei, im Gegensatz zur Altpartei FPÖ. Den klassischen Konfliktlagen, welche die Entstehung des europäischen Parteiensystems erklären — Staat versus Kirche, Kapital versus Arbeit, Zentrum versus Peripherie, dann die ethnischen Konflikte — gesellte sich in den 1970/80er Jahren der Konflikt Ökologie versus Ökonomie hinzu. Natürlich existierten Vorläufer, die Romantik mit ihrer Abscheu vor der Industrie, die konservative Kapitalismuskritik, die Theologie der Schöpfungsordnung, der Heimat- und Naturschutz um 1900, die Lebensreformbewegung als Begleiterin des ganzen 20. Jahrhunderts. Doch der eigentliche Entstehungszusammenhang der grünen Bewegung hängt mit dem Ende des Goldenen Zeitalters zusammen. So nämlich nennen die Wirtschaftshistoriker die Jahre von 1950 bis 1973. Nie vorher in der Geschichte hatte Europa einen solchen Wirtschaftsaufschwung erlebt, ein historisch einmaliger Zuwachs des Bruttonationalproduktes. Die Wirtschaftshistoriker streiten über die Ursachen, aber ein Faktor hebt sich klar ab: das sogenannte 1950er-Syndrom, die Ausbeutung billiger Energien, Strom und Erdöl. Daher wurde Kaprun zu einer Ikone des Goldenen Zeitalters, daher war der Ölpreisschock von 1973 weniger ein ökonomisches als ein symbolisches Ereignis. Die Fahnenwörter des intellektuellen Diskurses änderten sich, “Grenzen des Wachstums” ersetzten die Fortschrittsparolen, es entstanden Brüche in den Mentalitäten. Der rebellische Katholik Heinrich Böll sprach 1973, eben im Jahr der Ölkrise, bei seiner Nobelpreisvorlesung von der instrumentellen Vernunft der westlichen Zivilisation: “Für die Poesie des Wassers und des Windes, des Büffels und des Grases … gab es nur Hohn — und nun beginnen wir westlich Zivilisierten in unseren Städten, den Endprodukten unserer totalen Vernunft…, zu spüren, wie wirklich die Poesie des Wassers und des Windes ist und was sich in ihr verkörpert.” Der okzidentale Rationalismus, der das Grundgerüst der westlichen Zivilisation aufgebaut hat, geriet an einen kritischen Punkt.

Dazu kam ein weiterer Faktor: Das geschlossene politische System in Österreich wurde in den 1980er Jahren aufgesprengt. Überall entstanden Basisbewegungen, Bürgerinitiativen und lehrten die Herrschenden das Fürchten. Kein Baugroßprojekt kann mehr ohne große Konflikte durchgeführt werden. Das wiederum hängt mit der Pluralisierung der Lebensstile, dem Individualisierungsschub und der Bildungsrevolution zusammen, den Privilegien der reichen Länder. Der massenmobilierende Schlüsselkonflikt war Zwentendorf 1978. Seitdem gehört Österreich zum exklusiven Klub der kernenergiefreien Länder wie Norwegen und Dänemark, dem Klub der Reichen.

Im internationalen Vergleich ist Österreich ein Land mit einem hohen Umweltbewußtsein. 75 Prozent der Österreicher, aber nur 23 Prozent der Briten, sahen in den 80er Jahren die Gefährdung der Umwelt als großes Problem. Die Erklärung dürfte bei der österreichischen Identität liegen, die ganz wesentlich von der Landschaft bestimmt wird: als Land der Berge und Land am Strome. Wenn es allerdings in der Praxis darum geht, zum Schutze der Umwelt den Benzinpreis zu erhöhen, wird diese Forderung von der Bevölkerung deutlich zurückgewiesen.

2. Die Katholische Kirche schätzte den postmaterialistischen Wertewandel der 80er Jahre und fand Zugang zur Ökologie-, zur Friedens-, zur Anti-Atom-Bewegung. Die Parole der Bürgerbewegungen — Think globally, act locally — entsprach guter alter katholischer Tradition. Es spießte sich aber bei der neuen Frauenbewegung, die zunächst als Derivat der 68er Bewegung entstand. Die Frauen hatten es einfach satt, für die jungen Herren Revolutionäre Kaffee zu kochen und Flugblätter zu hektographieren.

In der historischen Perspektive der “langen Dauer” ist die Frauenemanzipation wohl die wirkungsvollste sozialgeschichtliche Tendenz im 20, Jahrhundert. Jahrtausende der patriarchalischen Derealisierung der Frauen, die Vorgeschichten der Frauen wurden beendet. Die Frauen sind in allen sozialen Feldern in die sichtbare Geschichte eingetreten. Natürlich existieren noch viele Ungleichzeitigkeiten und Ungleichheiten, natürlich sind die mentalen Tiefenstrukturen, die Gefühlswelten nicht von heute auf morgen zu ändern. Es ist mühsam, in den Familien die alten Herrschaftsstrukturen abzubauen. Aber man soll nicht nur auf das Nichterreichte blicken. Gemessen an der sozialen Lage der Frauen um 1900 haben sich in den letzten Jahrzehnten ungeheure Veränderungen durchgesetzt, zumindest bei den Mittelschichten und im Bildungsbürgertum. Es gibt Rückschläge, die neue Armut beispielsweise trägt immer noch ein weibliches Gesicht, aber die Tendenz der Frauenemanzipation ist unaufhaltsam, und davon profitieren auch die Männer: Die Anstrengungen und Verhärtungen des Männerspiels werden etwas abgebaut; nicht umsonst sterben die Männer um Jahre früher als die Frauen. Die neue Frauenbewegung der späten 60er Jahre stieß auf eine der härtesten Männerorganisationen, auf die Katholische Kirche, wo der Vater als “Heiliger Vater” überlebte. Der Konflikt entzündete sich im Symboljahr 1968. Es begann die sexuelle Revolution, mit vielen Verwerfungen, in Österreich besonders — Friedensreich Hundertwasser zog sich bei einer Vernissage demonstrativ nackt aus und vertrieb die erschreckte sozialistische Wiener Stadträtin Gertrude Sandner, gleichzeitig wurde in eben diesem Jahr das deutsche Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” für drei Monate verboten, “wegen Reizung der Lüsternheit” — und es erschien die päpstliche Enzyklika “Humanae vitae“, mit der Verurteilung der künstlichen Empfängnisverhütung. Damit riß eine Kluft zwischen den kirchlichen Moralvorschriften und den sexuellen Praktiken auch der gläubigen Katholiken auf. Die österreichischen Bischöfe haben diese Kluft mit der Mariatroster Erklärung zu mildern versucht, aber die Kluft zwischen der Kirche und einem Teil der Frauen vertiefte sich, als die neue Frauenbewegung als erstes Thema das Abtreibungsverbot politisierte: Bei der Muttertagsdemonstration 1971 in Wien trug ein Plakat die Aufschrift “Selbstbestimmung über den eigenen Bauch”. Ein Jahr darauf ließ sich die Aktionskünstlerin Erika Mis in einem “Schandkarren” durch die Mariahilferstraße ziehen, von einem “Priester” und einem “Arzt” als Hüter der Ordnung begleitet. Mit einer Axt zerschlug sie den Karren —als Aktion der Befreiung, als Ausdruck der Autonomie der Frau. Weiterlesen

229/366: Das erste grüne Landwirtschaftsprogramm

Grünes Landwirtschaftsprogramm der Liste Freda Meissner-Blau.

Grünes Landwirtschaftsprogramm der Liste Freda Meissner-Blau (Grünes Archiv).

Das erste grüne Landwirtschaftsprogramm stammt von der Liste Freda Meissner-Blau. Es ist nicht datiert, aber vermutlich für die Nationalratswahl 1986 verfasst. Wir bringen im Blog die vier allgemeinen Ziele des Programms. Als Fernziel wurde zum Beispiel eine “gesunde, möglichst naturnahe Landwirtschaft” definiert, die im Jahre 2000 erreicht werden hätte sollen…

Download des gesamten Dokuments: liste-fmb-landwirtschaftsprogramm (PDF, 2,6 MB)


1/1 Eine gesunde, lebensfähige und naturnahe Landwirtschaft soll uns in Übereinstimmung mit der Natur unsere Ernährungsgrundlagen schaffen, ohne die Umwelt zu schädigen. Sie soll uns gesunde Nahrungsmittel bieten, unseren Lebens- und Erholungsraum erhalten und uns vom Ausland möglichst unabhängig machen. Sie soll aber auch dem Bauern, insbesondere dem Mittel- und Kleinbauern, dem Nebenerwerbslandwirt eine lebenswerte Existenz sichern. Er soll (wieder) von seinem landwirtschaftlichen Ertrag leben können. Die Problematik der Landwirtschaft soll im Bewußtsein der gesamten Bevölkerung eine wesentliche Aufwertung erfahren, da der Zustand der Landwirtschaft für alle von größter Bedeutung ist.

Schrittweise Näherung bis zum Jahr 2000

1/2 Fernziel eines grünen Landwirtschaftsprogrammes ist eine gesunde, möglichst naturnahe Landwirtschaft. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen so zu setzen, daß sich die heutige Landwirtschaft schrittweise diesem Ziel nähert und es etwa im Jahre 2000 erreicht.

Neuordnung der Landwirtschaftspolitik

1/3 Dazu bedarf es einer grundlegenden Neuordnung der gesamten Landwirtschaftspolitik — auch in bezug auf die Gesamtgesellschaft. Es muß eine echt bäuerliche, naturnahe Landwirtschaft ohne industrielle Massenproduktion und ohne sinnlose Überproduktion geben. Dem Bauern, Gärtner, Weinbauern usw. muß ein gerechtes, gesichertes Einkommen (auch bei geringerer Bodenfläche) zustehen und dem Verbraucher gesunde, wertvolle Nahrung in breiter Vielfalt zur Verfügung stehen.

Befreiung aus der Abhängigkeit

1/4 Der Bauer soll aus den Abhängigkeiten von Monopolen, Großvermarktungskonzernen und dem Grünen Riesen befreit werden. Er soll aus der Anonymität heraustreten und in direktem Kontakt mit dem Verbraucher seine Produkte selbst verkaufen können. Das ergibt eine direkte Anpassung an die Verbraucherwünsche, eine ausgewogene Erzeugung, Rückkoppelung und Anerkennung. In gemeinsamer Anstrengung aller Beteiligten lassen sich die derzeit katastrophalen Zustände mit neuen Ideen, besseren Argumenten und mit gutem Beispiel überwinden. Bei gesunder, naturgemäßer Nutzung unserer natürlichen Grundlagen ist eine Gesundung sehr wohl möglich!

228/366: Linke Alternative zur Liste Freda Meissner-Blau: das Kurzprogramm der GAL

GAL Kurzprogramm

GAL Kurzprogramm

“Zwischen der Vergewaltigung einer Frau, der Eroberung eines Landes und der Zerstörung der Erde ist kein prinzipieller Unterschied”. So beginnt das Kurzprogramm der Grünalternativen – Demokratische Liste (GAL). Selbstdefinition: “Alternative, Umweltbewußte, Feministinnen, Friedensbewegte, Gewerkschafter, Linke und Grüne”. Bei der Nationalratswahl 1986 trat die GAL als linke Alternative zur Liste Freda Meissner-Blau an, erreichte jedoch nur 6005 Stimmen bzw. 0,1%. Wir bringen heute einen Teil der Einleitung aus dem Kurzprogramm, das als “Ausdruck der Vielfalt der Initiativen, Strömungen, Gruppen und Ansichten, die die Grün-Alternativen – Demokratische Liste ausmachen”. verstanden wurde.

Download des gesamten Kurzprogramms: gal-kurzprogramm (PDF, 2,8 MB)


//zitat// Zwischen der Vergewaltigung einer Frau, der Eroberung eines Landes und der Zerstörung der Erde ist kein prinzipieller Unterschied: Im Patriarchat besteht ein Zusammenhang zwischen der Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zwischen den Völkern, der gewaltsamen Aneignung und Zerstörung der Natur und den gewaltsamen Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Während aber allmählich begriffen wird, daß die rücksichtslose Ausbeutung der Natur und die permanente Drohgebärde des Wettrüstens das Leben auf diesem Globus auszulöschen drohen, wird die Ausbeutung und Diskriminie-rung der Frauen vielfach immer noch als “naturgegeben” angesehen.

Spätestens seit Tschernobyl ist klar geworden, daß der Sieg der abstrakten patriarchalischen “Vernunft” über die “Unvernunft” von Natur und Frauen, der Glaube an die technische Machbarkeit und Beherrschbarkeit des Lebens und der Gesellschaft geradewegs in die Selbstzerstörung führen. Die wirtschaftliche, soziale und emotionale Spaltung der Gesellschaft in Männer und Frauen, die den einen die Öffentlichkeit, den anderen den “Privatbereich” zuweist. den einen das Aufbauen und Zerstören, den anderen die Sicherung des biologischen Überlebens des Menschen, hat sich als Sackgasse erwiesen. Die Abkehr von diesem System der Zweiteilung ist heute mehr denn je zu einer Überlebensfrage schlechthin geworden. Wir werden deshalb darum kämpfen, daß sowohl in unseren Reihen als auch in allen anderen Bereichen von Arbeitswelt und Politik ein Frauenanteil von mindestens 50 % gesetzlich verankert wird.

Gleichzeitig geht es aber auch darum, unter Arbeit mehr zu verstehen als nur Lohnarbeit. Gerade Frauen sind nie arbeitslos, auch wenn sie keinen Lohn bekommen. Um ein solches Verständnis von Arbeit zu ermöglichen, bedarf es einer rigorosen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und einer ausreichenden Grundversorgung aller Staatsbürger, die nicht, noch nicht oder nicht mehr einer Erwerbsarbeit nachgehen (können). Eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme aller Frauen am öffentlichen Leben ist der Ausbau von kostenlosen Einrichtungen zur Kinderversorgung mit Öffnungszeiten, die auf die Arbeitszeiten abgestimmt sind. Kinder dürfen nicht länger als lästige Anhängsel der Frauen angesehen werden, die in den Gratis-Privatbereich abgeschoben werden. Sie müssen von der Arbeitswelt berücksichtigt und von den Männern als wichtiger Bestandteil ihres eigenen Lebens erkannt werden, für den sie materiell und emotional zu sorgen haben. Um eine solche erweiterte Sichtweise von Öffentlichkeit zu erreichen, ist es notwendig, die Familie als nur eine mögliche Lebensform anzuerkennen. Denn obwohl immer mehr Menschen nach Alternativen des Zusammenlebens suchen, sind Ehe und Kleinfamilie noch immer die gesellschaftlich anerkannten und staatlich geförderten Lebensformen. Die Entscheidung, welche Sexualität und welche Lebensformen sie wählen und ob und wieviele Kinder sie in die Welt setzen, muß Frauen selbst überlassen bleiben. //zitatende//

225/366: Emmeline und Flora. Das Wiener Frauenprogramm

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Im Oktober 1987 luden die Grünen Frauen Wien zur basisdemokratischen Diskussion des Frauenprogramm. Auf dem Titelblatt der Einladung sind sechs FrauenrechtlerInnen abgebildet:


So, nun ist endlich soweit! Kommt bitte alle am Samstag, den 10. Oktober 1987 um 10.00 Uhr und am Sonntag, den 11. Oktober 1987 um 14.00 Uhr um unser Frauen-Programm basisdemokratisch zu diskutieren. Die frauenfreundliche Runde findet am Rennweg 84, in 1030 Wien statt.

Folgende Tagesordnungspunkte sind vorgesehen:

Samstag:

  • Begrüßung durch Eva Hauk (Bundesvorstand der Grünen)
  • Renate Bahr (Obfrau Grüne Bildungswerkstatt Wien) berichtet über die “Positionen der Frauen innerhalb der Alternativen Partei”
  • Perspektiven zur kommunalpolitischen Frauenarbeit, Jutta Sander (Kandidatin zur Wiener Gemeinderatswahl)
  • Der Rohentwurf des “Frauenprogramms” wird von Elfriede Schuh vorgestellt

Sonntag:

  • Erarbeitung und Ideenfindung zur Struktur der Frauenorganisation.

223/366: Gewerkschaften – Alternative Liste: Ein Gegensatz?

Das "1000-Seiten-Programm-Magazin" der Alternativen Liste Graz.

Das “1000-Seiten-Programm-Magazin” der Alternativen Liste Graz mit einem Beitrag zu den Gewerkschaften.

Über das Verhältnis der Gewerkschaften zur Alternativen Liste schrieb Otto Hwaletz im “1000-Seiten-Programm-Magazin” der Alternativen Liste Graz: Er hielt fest, dass “zwischen Alternativenbewegung und Gewerkschaften eine prinzipielle Differenz, was die grundlegende Interessenslage der Basis beider politischer Kräfte angeht, nicht existiert”, nennt aber auch Kritikpunkte wie eine schwach ausgeprägte innergewerkschaftliche Demokratie und die “unattraktive” Fraktionspolitik.


// Jede alternative Politik steht heute in Österreich vor einer fundamentalen Tatsache: Der Großteil der Erwerbstätigen setzt sich aus sogenannten “Unselbständigen” zusammen, lebt also vom Verkauf der Arbeitskraft und ist fremdbestimmten Arbeitsbedingungen unterworfen. Das Lohnverhältnis bildet eine wesentliche Grundlage für die Entfremdung der arbeitenden Menschen von den Bedingungen und Resultaten ihrer gesellschaftlichen Tätigkeit. Die Gewerkschaft stellt die elementare Organisationsform dar, die entstand, um die Lebensinteressen dieser wesentlichen Gruppe der Bevölkerung zu verteidigen oder zu verbessern. Der Organisationsgrad der unselbständig Beschäftigten in Österreich ist relativ hoch. Keine alternative Politik kann es sich leisten, an diesen Gegebenheiten vorbeizugehen.

Übereinstimmungen…

  • Arbeiter, Angestellte und Beamte halten als Produzenten bzw. Organisatoren (im weitesten Sinne) eine Wirtschaftsordnung in Gang, deren wesentlichstes Ziel die einzelbetriebliche Profitabilität ist, die ihnen kaum Mitbestimmung und schon gar nicht Selbstverwaltung gewährt und deren Rücksichtslosigkeit gegen Mensch und Natur nicht zuletzt auch durch die Geschichte der Arbeiterbewegung erwiesen ist. Daher liegt es im Interesse der Arbeitnehmer als Lohnabhängige, die Fremdbestimmtheit aufzulockern und zu beseitigen; und in ihrem Interesse als von einer gesunden Umwelt abhängige Menschen, umweltfreundliche Formen des Wirtschaftens zu verwirklichen. Dies umso mehr, als sie im Durchschnitt nur über begrenzte Möglichkeiten verfügen, sich aus einer zerstörten Umwelt zurückzuziehen.
  • Alle wesentlichen Gruppen der Arbeitnehmer haben starke demokratische Traditionen. In der Arbeiterbewegung waren und sind – wenn auch in wechselndem Ausmaß – auch basisdemokratische Bestrebungen lebendig.

Diese beiden Feststellungen weisen darauf hin, daß zwischen Alternativenbewegung und Gewerkschaften eine prinzipielle Differenz, was die grundlegende Interessenslage der Basis beider politischer Kräfte angeht, nicht existiert, daß vielmehr eine wenigstens teilweise weitgehende Zusammenarbeit möglich erscheint.

…und Gegensätze

Daß dies aktuell nicht zwangsläufig eintreten wird, hat sicherlich mehrere Gründe so u.a.: Weiterlesen

222/366: Georg Prack: Wohin gehen die Grünen?

Suspect Cover

Der Beitrag von Georg Prack ist im Suspect 16 (2008) erschienen.

“Die Grünen stehen an einem Scheideweg. Eine Repolitisierung des grünen Projekts erscheint notwendig. Visionäre grüne Politik muss an die Stelle eines immer stromlinienförmiger werdenden Politikverständnisses treten. Das Streben nach Macht in den Institutionen kann in diesem Zusammenhang nur Mittel zum Zweck sein. Nie darf dieses Machtstreben zum Selbstzweck werden.” – Wohin die Grünen gehen, fragte Georg Prack 2008 in der Zeitschrift “Suspect” der Grünalternativen Jugend Wien.

Prack war damals Mitglied des Erweiterten Bundesvorstands der Grünen. Von Juni 2012 bis November 2015 war er Landessprecher der Wiener Grünen.


Wohin gehen die Grünen?

Basisdemokratie ist zum lästigen Prinzip verkommen, Migration soll durch ein Punktemodell beschränkt werden, einer Koalition mit der ÖVP wird “Charme” attestiert, … Sind die Grünen noch zu retten?

Als das grüne Projekt vor mehr als 20 Jahren im österreichischen Parlament angekommen ist war es Ziel dieser Bewegung an einer gesellschaftspolitischen und ökologischen Alternative zum etablierten politischen System und seinen AkteurInnen zu arbeiten. Die grünen Parteien, die sich in den 1980er Jahren gründeten, verstanden sich als (parlamentarisches) Spielbein der neuen sozialen Bewegungen, insbesondere der Friedens-, Frauen- und Ökologiebewegung, in denen sie ihr Standbein sahen. Die politischen Grundsätze, die Form der Meinungsbildung, die Art Politik zu machen sollte auf diesem Standbein, wie der Begriff schon sagt, fußen.

Politik als Selbstzweck?

Misst frau/mann die Berechtigung einer grünen Partei an diesen Vorgaben, dann muss dieses Projekt gesellschaftliche und ökologische Veränderung mit dem Ziel eines politischen Umbruchs anstreben. Die politischen AkteurInnen des Projekts müssten die Grundsätze der Bewegung als Handlungsauftrag begreifen.

“Grün” zu sein ist kein Wert an sich, sondern hat nur dann einen Sinn, wenn dieses Grünsein auf einem gesellschaftsverändernden Programm basiert und dieses umzusetzen sucht.

Wenn das politische Establishment der grünen Partei in Österreich, ganz genau wie andere Parteien, versucht ist sich primär an der Maxime möglichst viele Wählerinnenstimmen zu generieren, zu orientieren, dann läuft zweierlei schief:

Erstens: Es gibt ein politisches Establishment der Grünen Partei. Genau diese Form von struktureller Hierarchisierung sollte durch andere Konzepte der Meinungsbildung- Basisdemokratie – und durch Reglementierung der Zeit die Menschen für die Grünen in Mandaten vertreten sind – Rotationsprinzip und Zulassungsabstimmung – verhindert werden. Eine basisdemokratische Partei waren die Grünen nie, Basisdemokratie ist eine Vision, nicht ein Zustand, der einfach erreicht werden kann. Basisdemokratie ist Ausdruck für das Ziel einer egalitären Auslegung von innerparteilicher Demokratie und einer breiten Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Meinungsbildungsprozessen. Der Versuch an dieser Vision zu arbeiten ist es, was die Grünen basisdemokratischer macht(e), als andere Parteien. Geblieben sind Listenwahlen, bei denen sich das politische Establishment regelmäßig über die Entscheidungen “der Basis” ärgert, wenn ihm gerade nicht gelungen ist die Wahl zuvor ausreichend zu beeinflussen. Und geblieben ist der Anspruch einen möglichst breiten, innerparteilichen Meinungsbildungsprozess durchzuführen, was regelmäßig als lästig, bremsend und altmodisch empfunden wird.

Das Rotationsprinzip hat sich zumindest bei den österreichischen Grünen nie wirklich durchgesetzt. Nach einigen Versuchen in den 80er Jahren wurde dieses Prinzip schnell aufgegeben. Bis Ende der 90er Jahre gab es jedoch eine große personelle Fluktuation in Parlamentsklub wie Partei. Diese führte zu Dynamik und setzte eine Streitkultur voraus. Als Alexander Van der Bellen 1997 als Bundessprecher antrat wäre der Wahlkampfslogan “Dauerstreit — Mit mir nicht!” als Motto für das was folgte passend gewesen. Es trat so etwas wie Ruhe ein innerhalb der Grünen. Eine fatale Ruhe. Die Streitkultur kam abhanden und personelle Strukturen im Parlamentsklub, wie in der Partei begannen sich im Zuge einer Professonalisierung zu versteinern. Nun ist diese Professionalisierung nicht prinzipiell abzulehnen.

Dass sich aber in einer Partei, die sich eigentlich einmal egalitär organisieren wollte, innerhalb von zehn Jahren kaum ernstzunehmende personelle Alternativen zu einem Bundessprecher und Klubobmann entwickeln konnten, sollte zu denken geben.

Durch die Hierarchisierung und die lange Verweildauer in Funktionen und Mandaten verlieren die Grünen zunehmend den Kontakt zur Zivilgesellschaft, zu den sozialen Netzwerken, zu den NGOs und politischen wie kulturellen Initiativen. Das Ziel der Systemveränderung hat sich abgeschwächt zu einer Systemkritik, die die Mitarbeit im politischen System nicht mehr hinterfragt. Systemerhaltende parlamentarische Arbeit tritt in den Vordergrund, emanzipatorische Projektarbeit in den Hintergrund. Weiterlesen

220/366: ChristInnen und Grüne – wie geht das zusammen?

ChristInnen und Grüne - wie geht das zusammen?

“Sind Religionen und Politik nur Gegensätze, die einander berühren oder können sie gemeinsam wirken?”

“Die ‘andere Politik’, die ‘andere politische Kultur’, die von den Grün- und Alternativbewegten primär gefordert wird, decken sich in vieler Hinsicht mit jenen Forderungen, die in den Evangelien und den Apostelbriefen von den ‘Brüdern und Schwestern’ eingemahnt werden”. Rudolf Sablattnig stellt in seinem Beitrag “ChristInnen und Grüne – wie geht das zusammen?” einen Vergleich zwischen den urchristlichen Gemeinden bzw. heutigen Laienbewegungen und der Grün- und Alternativbewegung an.

Artikel zum Download im Original-Layout: 220-sablattnig-christen-gruene-text (PDF, 2 MB)


ChristInnen und Grüne – Wie geht das zusammen?

Sind Religionen und Politik nur Gegensätze, die einander berühren oder können sie gemeinsam wirken?

Wenn von Christentum und Politik die Rede ist und die beiden Begriffe in unserer Zeit eher als Gegensätze empfunden werden, so liegt das vor allem daran, daß Christentum immer mit den christlichen Amtskirchen gleichgesetzt wird. Die Geschichte zeigt, daß zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft wechselnd einmal volle Übereinstimmung, zum anderen Todfeindschaft im wahrsten Sinne des Wortes herrschte. Übereinstimmung, wie bei den Kreuzzügen, in der missionarischen Kolonialisierung, in der “Ketzer-” und Hexenbekämpfung, Feindschaft im Investiturstreit, in den verschiedenen “Kulturkämpfen”. Der Begriff “Geistliche Herrschaft” bezeichnet auch heute noch genau das, worum es im Verhältnis von Politik und Amtskirche geht. Und dabei stellt sich mehr und mehr heraus, daß insbesondere jene politischen Parteien, die plakativ das “Christlich” in ihrem Namen führen, aber auch jene die das “Christliche” in den Vordergrund stellen, immer weniger und weniger mit den Grundwerten des Christentums – gleich welcher amtskirchlichen Konfession – zu tun haben.

Eine Amtskirche, die sich in massiver und mitunter geradezu verleumderischer Weise (man denke an die Aussagen von Erzbischof Eder über Bischof Kräutler) über Mitbrüder, über die Befreiungstheologie, über Basisgemeinden äußert, hat mit den christlichen Grundwerten, mit dem Christentum der Evangelien nur wenig mehr gemein, als den – man könnte fast sagen – usurpierten Namen.

Konsens über Grundwerte

Nun zeigt sich aber, daß es sowohl in der katholischen, als auch in den evangelischen Kirchen gerade die – vorwiegend von Frauen getragenen – Laienbewegungen sind, die diese “evangelischen Urwerte” des Christentums wieder in den Mittelpunkt gestellt sehen wollen. Wenn wir nun an die Anfänge der Grün- und Alternativbewegungen zurückdenken, dann zeigt sich, wie weit hier mit diesen Laienbewegungen, mit den Basisgemeinden Konsens über Grundwerte herrscht.

Die “andere Politik”, die “andere politische Kultur”, die von den Grün- und Alternativbewegten primär gefordert wird, decken sich in vieler Hinsicht mit jenen Forderungen, die in den Evangelien und den Apostelbriefen von den “Brüdern und Schwestern” eingemahnt werden.
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208/366: Günther Nenning und das verflixte Religiöse

Grün-Alternative Zeitung GAZ vom November 1992.

Grün-Alternative Zeitung GAZ vom Dezember 1992 mit Themenschwerpunkt Religion.

“Das Grüne ist tatsächlich eine religiöse Bewegung, und insofern reicht sie übers Politische hinaus. Bei Grüngegnern ist dies ein Gegenstand des Spottes, es ist aber ein Ehrentitel”, schrieb Günther Nenning im Dezember 1992 in einem sicher kontroversen Beitrag für die Grün-Alternative Zeitung GAZ.

In dieser “Weihnachtsausgabe” sind außerdem Beiträge über die Theologie der Befreiung in Lateinamerika, Eugen Drewermann, die Frage “ChristInnen und Grüne – wie geht das zusammen?” und den Arbeitskreis ChristInnen und Grüne erschienen.


Das verflixte Religiöse

Günther Nenning über osmotische Prozesse

// Überall wo Grüne auftreten, stehen sie in einem politischen Bündnis mit Kräften, die ideologisch eigentlich nicht zusammenpassen – nicht untereinander und nicht mit den Grünen: Linke (Restsozialisten, Restliberale, Restprogressive). Die aber sind immer für Industriegesellschaft und Naturbeherrschung – die Grünen aber nicht oder nur mit großer Skepsis.

Christen vom progressiven Flügel – die aber denken z.B. in Sachen Abtreibung oft anders als viele Grüne und fast alle Linke.

Das Bündnis Grüne/Linke/Christen ist praktisch, weil es in allen aktuellen Fragen rasch zur Hand ist (z.B. Ausländerfrage). Ohne dieses Bündnis wären die Grünen weniger wirksam.

Es ist auch eine fruchtbare Spannung drin. In der praktischen Zusammenarbeit ideologisch verschiedener Partner lernt man voneinander. Es kommt zu osmotischen Prozessen.

Die Grünen, die zum Nichts-als-Grünen neigen, kriegen von ihren “linken” Partnern sozialpolitische Impulse. Von den Christen kriegen die Grünen Impulse in Sachen Abtreibung. (“Kann ich für die Frösche in der Au sein, wenn ich nicht für die Frösche im Mutterleib bin”, formulierte ich seinerzeit nach Hainburg.)

Der Nachteil dieser nun schon selbstverständlichen Dreierkoalition Grüne/Linke/Christen ist, daß sie so schmal ist. Sie läßt große Gruppen draußen, die für das Vorwärtskommen in grünen Fragen entscheidend sein können und insofern dazugehören: grüne Rote, die aber nicht links sind (Rotkonservative); grüne Schwarze, die aber nicht christlich-progressiv sind, sondern ÖVP- oder Krenn-Menschen; grüne Blaue, die aber nicht braun sind oder nur hellbraun. Ich bin sehr für dieses erweiterte Grünbündnis (Pilz-Koalition), aber es wäre ja närrisch, deswegen die bewährte Grüne/Linke Christen-Koalition fahren zu lassen. Weiterlesen

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