Weblog des Grünen Archivs zur Geschichte der Grünen und Alternativen in Österreich

Monat: August 2016 (Seite 2 von 4)

234/366: Alternative was?

Heute eine Anekdote von einem Besuch unserer Archivleiterin im Wiener Stadt- und Landesarchiv:

Archivbenutzer neben mir am Schalter: “Was haben Sie denn da für eine Schachtel? Die ist ja gar nicht beschriftet”. Ich (hebe Bestellzettel hoch): “Oja, hier”. Er (beugt sich herüber): “Alternative was?” Ich: “Alternative Liste”. Er: “Und was sind da für Daten gespeichert? Was ist das für eine Liste?” Ich: “Das war eine politische Partei”. Er: “Ach so” (wendet sich uninteressiert ab).

Der Benutzer dachte wahrscheinlich, die “alternative Liste” sei ein geheimer Katalog, den das Archiv nur an besondere BenutzerInnen aushändigt, und fragte sich, warum er die nicht bekommt 😉

233/366: Sozialstaat Österreich. Das Volksbegehren

Das Volksbegehren Sozialstaat Österreich (2002)

Das Volksbegehren Sozialstaat Österreich (2002)

Im April 2002 wurde das Volksbegehren “Sozialstaat Österreich” abgehalten. Der sogenannte “Einleitungsantrag”, der an das Innenministerium geht, war von Werner Vogt, Stephan Schulmeister, Emmerich Talos, Ernst Berger und Elisabeth Paschinger eingereicht und von 38.425 Personen unterstützt worden.

Das Volksbegehren selbst wurde von 717.102 Personen unterzeichnet, das sind 12,20%.

Ziel war, dass dem Artikel 1 der Österreichischen Bundesverfassung folgender Absatz angefügt wird:

Österreich ist ein Sozialstaat. Gesetzgebung und Vollziehung berücksichtigen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele. Vor Beschluss eines Gesetzes wird geprüft, wie sich dieses auf die soziale Lage der Betroffenen, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirkt (Sozialverträglichkeitsprüfung). Die Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut erfolgt solidarisch durch öffentlich-rechtliche soziale Sicherungssysteme. Die Finanzierung der Staatsaufgaben orientiert sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.

“Dass die Grünen das Volksbegehren unterstützen, versteht sich von selbst. Wir sind überzeugt, dass Österreich nur dann ein reiches und menschenwürdiges Land bleiben wird, wenn es ein funktionierender Sozialstaat bleibt. Nur so ist der gesellschaftliche Zusammenhalt gewährleistet”, sagte der Wiener Landessprecher Albert Steinhauser in einer Presseaussendung vom 1. April 2002. Volker Plass, Vorsitzender der Grünen Wirtschaft, sagte in einer Presseaussendung vom 21. März 2002: “Eine solidarische Gesellschaft, die ohne Ausgrenzung und Benachteiligung von Schwächeren auskommt, ist die beste Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft.”

In einer Broschüre brachten die Grünen Beispiele, die die Dringlichkeit unterstrichen. Hier eines zum Thema Wohnen:


Leistbare Wohnungen für alle

Wohnen ist teuer genug. Für viele Menschen in Wien zu teuer. Noch dazu ist die Wohnbauförderung oft ungerecht verteilt.
Der alleinstehende 35-jährige Akademiker Karl K. wohnt seit Studienzeiten in einer Gemeindewohnung, die er vor fünf Jahren von seinen Eltern übernommen hat. Er verdient € 1.935,90 netto monatlich und bezahlt für 58 m2 € 305,95 Monatsmiete inklusive Betriebskosten und Steuern. Er muss also 15,8 % seines Monatseinkommens für die Miete verwenden. Mag. K. bekommt natürlich keine Wohnbeihilfe, weil er ja gut verdient.

Die Frau im Stockwerk darüber ist Verkäuferin in einem Lebensmittelladen und verdient € 961,53 monatlich. Für ihre exakt gleich große Wohnung bezahlt sie den gleichen Mietzins. Sie benötigt also 31,8 % ihres Monatseinkommens für Mietzahlungen und bekommt dennoch ebenfalls keine allgemeine Wohnbeihilfe, weil sie zu wenig verdient! Für die allgemeine Wohnbeihilfe ist nämlich ein Mindesteinkommen notwendig.

232/366: Landschaft erschwert Teilnahme. BUKO in Gmunden

Die GAZ vom Juni 1992 berichtete über den Bundeskongress in Gmunden.

Die GAZ vom Juni 1992 berichtete über den Bundeskongress in Gmunden.

Michael Kosz berichtete in der Grün-Alternativen Zeitung (GAZ) vom Juni 1992 über den Bundeskongress in Gmunden, bei dem unter anderem die Unvereinbarkeit von Parteifunktion und öffentlichem Mandat diskutiert wurde.


Der Bundeskongreß in Gmunden sollte klären, ob und wie die Partei reformiert werden solle. Die Wochenendveranstaltung war vor allem demokratiepolitisch sehr interessant: die alte Weisheit, daß JEDE Stimme wichtig ist, wurde hier bewiesen.

Eine wunderschöne Landschaft am Traunsee erschwerte die Teilnahme an den Sitzungen des kürzlich abgehaltenen Bundeskongresses.

Während lautstark Meinungen vertreten oder Abänderungsanträge gestellt und diskutiert wurden, konnte man flüchtig und nur im Bruchteil einer Sekunde die Fledermäuse sehen, die einen abendlichen Rundflug unternahmen.

Den Statuten und Strategien war dieser Bundeskongreß gewidmet. “Grüne Dogmen”, so die Wortwahl mancher Spitzenrepräsentanten, sollten abgeschafft werden. Andere sahen wiederum grün-alternative Grundsätze in Gefahr.

Während heftig über die Unvereinbarkeit zwischen dem Ausüben eines öffentlichett Mandates (also Nationalrats- oder Landtagsabgeordnete/r) und einer Parteifunktion (Bundesvorstand) diskutiert wurde, blieben die wesentlichen politischen und strategischen Fragen eher im Hintergrund.

Über das Politikverständnis der Grünen Alternative, über grüne Öffentlichkeitsarbeit oder über die strategischen Ziele wurde wenig gesprochen. Die Zukunft und die Politik der Grünen soll jedenfalls nach dem neuen Modell in einem “strategischen Zentrum” geklärt werden. Dieses neue Zentrum soll beim Bundesvorstand angesiedelt sein. Wie dies mit dem Anspruch der Grünen Alternative, dezentrale Strukturen zu fördern, kompatibel ist, muß noch geklärt werden.

Persönliche Auseinandersetzungen

Überschattet war dieser Bundeskongreß von persönlichen Auseinandersetzungen in der Parteispitze: Ehemalige gegen derzeitige Klubobleute hieß die ausgeloste Paarung – dadurch wurde oftmals verschleiert, welche sachlichen Gründe für oder gegen ein bestimmtes Abstimmungsverhalten sprechen sollten.

Nach vierstündiger Diskussion stimmten die Delegierten ab: Die generelle Aufhebung der schon erwähnten Unvereinbarkeit erhielt bei einem Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit um eine Stimme zuwenig. Hektische Diskussionen und eine Krisensitzung aller Kontrahenten folgten – mit dem selbstverständlichen Ergebnis, daß die Abstimmung respektiert wurde.

Lex Pilz

Auf der Tagesordnung standen aber noch weitere Anträge zur Unvereinbarkeit. Angenommen wurde in der Folge ein Vorschlag, daß alle Funktionen des Bundesvorstandes ausgenommen die des Finanzreferenten, des Bundessprechers und des Bundesgeschäftsführers mit einem öffentlichen Mandat kompatibel seien. Diese Regelung wurde inoffiziell mit dem Titel “Lex Pilz” versehen, da vermutet wird, daß Peter Pilz für die Funktion des Bundessprechers kandidieren will. Traurig aber wahr, daß sich einige Delegierte davon leiten ließen, die Verfassung der Grünen Alternative unter personalpolitischen Aspekten zu beurteilen.

Die Fledermäuse, die am See nach Insekten suchten, störte das nicht weiter, und die ausgelassene Stimmung im Tanzschuppen des Kongreßhauses zeigte, daß auch die Teilnehmer/innen sich vom Vergnügen nicht abhalten ließen…

231/366: GAJ zur Flüchtlingspolitik der 1990er

EU-Informationen der Grünalternativen Jugend, 1994, Cover

“Vorlaut” Nr. 12

“Europa trägt gemeinsam mit den anderen Industrieländern kräftig dazu bei, daß Menschen überhaupt flüchten müssen”, stellte die Grünalternative Jugend in ihren EU-Informationen aus dem Jahr 1994 fest, “doch nur wenn endlich damit begonnen wird, überall auf der Erde Lebensbedingungen zu schaffen, die einem ein erträgliches Leben ermöglichen, werden Menschen nicht mehr gezwungen sein, vor Hunger, Krieg und Elend zu flüchten”.


Die restriktive Flüchtlingspolitik ist ein Phänomen, das sich primär auf die reichen Industrieländer beschränkt. Gerade die ärmsten Länder der Erde führen uns ein Lehrstück an Gastfreundschaft und Menschlichkeit in Sachen Flüchtlingspolitik vor. Obwohl selber von Armut betroffen, werden vor Krieg und Hunger flüchtende Menschen zu zigtausenden aufgenommen. Tansania (südwestliches Afrika) öffnete beispielsweise Mitte der 80er Jahre nicht nur mehr als 200.000 Flüchtlingen aus den Nachbarländern die Grenzen, sondern bot ihnen auch Land und Bürgerrechte an [Flüchtlinge aus Burundi und Ruanda, Anm.].

Vertreibung und Klimaerwärmung

Im sich immer so fortschrittlich gebenden Europa ist dies undenkbar. Im Gegenteil, Europa trägt gemeinsam mit den anderen Industrieländern kräftig dazu bei, daß Menschen überhaupt flüchten müssen. Sei es durch die Finanzierung von Megakraftwerken mit dazugehörenden Stauseen, wodurch jeweils zigtausende Menschen aus ihrem Lebensraum vertrieben werden oder sei es durch die Lieferung von Waffen an Diktaturen in der sogenannten “Dritten Welt”. Aber auch die durch die gigantischen CO2-Emmissionen der Industrieländer verursachte Erwärmung des Weltklimas führt dazu, daß weite Landstriche Afrikas und Asiens unfruchtbar und somit unbewohnbar werden. Ebenso müssen riesige Flächen von Regenwäldern Grasweiden für Rinderherden weichen. Das Fleisch der Rinder landet dann in Form von Fast Foos in den Mägen der Europäer und Nordamerikaner.

Unterdrückung der Schwächeren

Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen. All diese Verbrechen geschehen im Namen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Die Industrieländer sehen es als legitim an, daß sie auf Kosten von 80 Prozent der Weltbevölkerung leben. Ausbeutung anderer wird als Wirtschaftsmethode nicht nur akzeptiert, sondern forciert. Daß der wirtschaftlich Stärkere den wirtschaftlich Schwächeren unterdrückt, wird als “normal” angesehen.

Die Täter wollen die Opfer dieser “Normalität” nicht sehen. Die Grenzen werden dicht gemacht, die Augen vor dem Elend im Süden geschlossen. Das Recht, daß jedeR leben kann, wo er/sie will, wird, wie im Falle der EU, nur einer privilegierten vermögenden Schicht gewährt.

Festung EUropa

Doch nur wenn endlich damit begonnen wird, überall auf der Erde Lebensbedingungen zu schaffen, die einem ein erträgliches Leben ermöglichen, werden Menschen nicht mehr gezwungen sein, vor Hunger, Krieg und Elend zu flüchten. Dieses Ziel rückt mit der Errichtung der Festung EUropa in weite Ferne.

230/366: Kämpferische Mode der Alternativen Liste Wien

Piet Grusch im ALW-Pullover.

Piet Grusch im ALW-Pullover (2012)

Vor einer Woche haben wir eine Schenkung von Peter “Piet” Grusch an das Grüne Archiv übernommen, die vor allem Materialien zur Arenabewegung, zur Alternativen Liste Wien und zu den Brigittenauer Grünen und Alternativen beinhaltet. Die Materialien werden ab Oktober benutzbar sein. Im Blog haben wir am 11. August einen Auszug aus der Broschüre “Für ein rot-grünes Österreich”, die Teil dieser Schenkung war,  und am 25. Jänner ein Interview mit Piet Grusch und Fritz Zaun gebracht.

Leider ist dieser wunderschöne Pullover mit dem entschlossen und kämpferisch blickenden Maskottchen der Alternativen Liste Wien (noch?) nicht dabei gewesen. Wäre eine tolle Ergänzung für unsere Textilsammlung – ein Kapuzenpulli von Julian Schmid ist auch noch ausständig 😉

Ein visionärer Beitrag

“Zwei Varianten gibt’s für das Burgenland: Entweder es wird ein Nationalpark oder ein Altersheim”, diese Prognose von Horst Horvath aus den 1990ern haben wir am 31. Juli in diesem Blog zitiert. Nicht einmal eine Woche später, am 6. August, titelte Bernadette Redl im Immobilienteil des Standard: “Das Südburgenland soll Österreichs Florida werden. Warmes Wetter und günstige Immobilienpreise machen das südliche Burgenland für ältere Semester attraktiv.” Wir wussten das schon vor zwanzig Jahren 😉

229/366: Das erste grüne Landwirtschaftsprogramm

Grünes Landwirtschaftsprogramm der Liste Freda Meissner-Blau.

Grünes Landwirtschaftsprogramm der Liste Freda Meissner-Blau (Grünes Archiv).

Das erste grüne Landwirtschaftsprogramm stammt von der Liste Freda Meissner-Blau. Es ist nicht datiert, aber vermutlich für die Nationalratswahl 1986 verfasst. Wir bringen im Blog die vier allgemeinen Ziele des Programms. Als Fernziel wurde zum Beispiel eine “gesunde, möglichst naturnahe Landwirtschaft” definiert, die im Jahre 2000 erreicht werden hätte sollen…

Download des gesamten Dokuments: liste-fmb-landwirtschaftsprogramm (PDF, 2,6 MB)


1/1 Eine gesunde, lebensfähige und naturnahe Landwirtschaft soll uns in Übereinstimmung mit der Natur unsere Ernährungsgrundlagen schaffen, ohne die Umwelt zu schädigen. Sie soll uns gesunde Nahrungsmittel bieten, unseren Lebens- und Erholungsraum erhalten und uns vom Ausland möglichst unabhängig machen. Sie soll aber auch dem Bauern, insbesondere dem Mittel- und Kleinbauern, dem Nebenerwerbslandwirt eine lebenswerte Existenz sichern. Er soll (wieder) von seinem landwirtschaftlichen Ertrag leben können. Die Problematik der Landwirtschaft soll im Bewußtsein der gesamten Bevölkerung eine wesentliche Aufwertung erfahren, da der Zustand der Landwirtschaft für alle von größter Bedeutung ist.

Schrittweise Näherung bis zum Jahr 2000

1/2 Fernziel eines grünen Landwirtschaftsprogrammes ist eine gesunde, möglichst naturnahe Landwirtschaft. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen so zu setzen, daß sich die heutige Landwirtschaft schrittweise diesem Ziel nähert und es etwa im Jahre 2000 erreicht.

Neuordnung der Landwirtschaftspolitik

1/3 Dazu bedarf es einer grundlegenden Neuordnung der gesamten Landwirtschaftspolitik — auch in bezug auf die Gesamtgesellschaft. Es muß eine echt bäuerliche, naturnahe Landwirtschaft ohne industrielle Massenproduktion und ohne sinnlose Überproduktion geben. Dem Bauern, Gärtner, Weinbauern usw. muß ein gerechtes, gesichertes Einkommen (auch bei geringerer Bodenfläche) zustehen und dem Verbraucher gesunde, wertvolle Nahrung in breiter Vielfalt zur Verfügung stehen.

Befreiung aus der Abhängigkeit

1/4 Der Bauer soll aus den Abhängigkeiten von Monopolen, Großvermarktungskonzernen und dem Grünen Riesen befreit werden. Er soll aus der Anonymität heraustreten und in direktem Kontakt mit dem Verbraucher seine Produkte selbst verkaufen können. Das ergibt eine direkte Anpassung an die Verbraucherwünsche, eine ausgewogene Erzeugung, Rückkoppelung und Anerkennung. In gemeinsamer Anstrengung aller Beteiligten lassen sich die derzeit katastrophalen Zustände mit neuen Ideen, besseren Argumenten und mit gutem Beispiel überwinden. Bei gesunder, naturgemäßer Nutzung unserer natürlichen Grundlagen ist eine Gesundung sehr wohl möglich!

228/366: Linke Alternative zur Liste Freda Meissner-Blau: das Kurzprogramm der GAL

GAL Kurzprogramm

GAL Kurzprogramm

“Zwischen der Vergewaltigung einer Frau, der Eroberung eines Landes und der Zerstörung der Erde ist kein prinzipieller Unterschied”. So beginnt das Kurzprogramm der Grünalternativen – Demokratische Liste (GAL). Selbstdefinition: “Alternative, Umweltbewußte, Feministinnen, Friedensbewegte, Gewerkschafter, Linke und Grüne”. Bei der Nationalratswahl 1986 trat die GAL als linke Alternative zur Liste Freda Meissner-Blau an, erreichte jedoch nur 6005 Stimmen bzw. 0,1%. Wir bringen heute einen Teil der Einleitung aus dem Kurzprogramm, das als “Ausdruck der Vielfalt der Initiativen, Strömungen, Gruppen und Ansichten, die die Grün-Alternativen – Demokratische Liste ausmachen”. verstanden wurde.

Download des gesamten Kurzprogramms: gal-kurzprogramm (PDF, 2,8 MB)


//zitat// Zwischen der Vergewaltigung einer Frau, der Eroberung eines Landes und der Zerstörung der Erde ist kein prinzipieller Unterschied: Im Patriarchat besteht ein Zusammenhang zwischen der Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zwischen den Völkern, der gewaltsamen Aneignung und Zerstörung der Natur und den gewaltsamen Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Während aber allmählich begriffen wird, daß die rücksichtslose Ausbeutung der Natur und die permanente Drohgebärde des Wettrüstens das Leben auf diesem Globus auszulöschen drohen, wird die Ausbeutung und Diskriminie-rung der Frauen vielfach immer noch als “naturgegeben” angesehen.

Spätestens seit Tschernobyl ist klar geworden, daß der Sieg der abstrakten patriarchalischen “Vernunft” über die “Unvernunft” von Natur und Frauen, der Glaube an die technische Machbarkeit und Beherrschbarkeit des Lebens und der Gesellschaft geradewegs in die Selbstzerstörung führen. Die wirtschaftliche, soziale und emotionale Spaltung der Gesellschaft in Männer und Frauen, die den einen die Öffentlichkeit, den anderen den “Privatbereich” zuweist. den einen das Aufbauen und Zerstören, den anderen die Sicherung des biologischen Überlebens des Menschen, hat sich als Sackgasse erwiesen. Die Abkehr von diesem System der Zweiteilung ist heute mehr denn je zu einer Überlebensfrage schlechthin geworden. Wir werden deshalb darum kämpfen, daß sowohl in unseren Reihen als auch in allen anderen Bereichen von Arbeitswelt und Politik ein Frauenanteil von mindestens 50 % gesetzlich verankert wird.

Gleichzeitig geht es aber auch darum, unter Arbeit mehr zu verstehen als nur Lohnarbeit. Gerade Frauen sind nie arbeitslos, auch wenn sie keinen Lohn bekommen. Um ein solches Verständnis von Arbeit zu ermöglichen, bedarf es einer rigorosen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und einer ausreichenden Grundversorgung aller Staatsbürger, die nicht, noch nicht oder nicht mehr einer Erwerbsarbeit nachgehen (können). Eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme aller Frauen am öffentlichen Leben ist der Ausbau von kostenlosen Einrichtungen zur Kinderversorgung mit Öffnungszeiten, die auf die Arbeitszeiten abgestimmt sind. Kinder dürfen nicht länger als lästige Anhängsel der Frauen angesehen werden, die in den Gratis-Privatbereich abgeschoben werden. Sie müssen von der Arbeitswelt berücksichtigt und von den Männern als wichtiger Bestandteil ihres eigenen Lebens erkannt werden, für den sie materiell und emotional zu sorgen haben. Um eine solche erweiterte Sichtweise von Öffentlichkeit zu erreichen, ist es notwendig, die Familie als nur eine mögliche Lebensform anzuerkennen. Denn obwohl immer mehr Menschen nach Alternativen des Zusammenlebens suchen, sind Ehe und Kleinfamilie noch immer die gesellschaftlich anerkannten und staatlich geförderten Lebensformen. Die Entscheidung, welche Sexualität und welche Lebensformen sie wählen und ob und wieviele Kinder sie in die Welt setzen, muß Frauen selbst überlassen bleiben. //zitatende//

227/366: UNO-City versus Ökodorf

Ursula Baatz: Ökodorf im Prater (1979)

Ursula Baatz: Ökodorf im Prater (1979)

Ein Kontrastprogramm zur Eröffnung der UNO-City und zur internationalen Konferenz über die “Neue Weltwirtschaftsordnung” organisierte das österreichische “Forum – Alternativ” im Jahr 1979: Arbeitskreise zu Arbeitskollektiven, sanfter Geburt, Alternativer Energieproduktion und Naturmedizin wurden abgehalten, Straßentheater mit Dritte-Welt-Thema aufgeführt und im “Ökodorf” im Wiener Prater alternatives Leben, Essen und Wohnen vorgeführt. “Das Forum – Alternativ versteht sich selbst als Zwischenstation auf dem Weg zum selbstverantwortlichen, selbstverwalteten, selbstbestimmenden Menschen in einer Umwelt, die den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen entspricht”, schrieb Ursula Baatz in der Zeitschrift “Frischfleisch” 22/1979 (Wiederabdruck in “Frischfleisch & Löwenmaul” 30/1981). Der Text wird mit freundlicher Genehmigung der Autorin (www.ursula.baatz.at) wiedergegeben.

Download im Original-Layout: 227-baatz-oekodorf-prater (PDF, 1,6 MB)


Was im Ausland schon seit zwei Jahren bekannt ist, pries die Kronen-Zeitung im März dieses Jahres als Veranstaltung der Superlative in Kriminalpolizei-, Hotel- und Unterhaltungsbranche an: die feierliche Eröffnung der UNO-City im August und die UNCSTD (United Nations Conference on Science and Technology for Development – Konferenz der Vereinten Nationen über Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung) berät über die von den Entwicklungsländern geforderte “Neue Weltwirtschaftsordnung“.

Die Länder der Dritten Welt wollen neben anderen Forderungen (Indexierung der Rohstoffpreise, d.h. Anpassung an die Teuerung der Industriegüter, Recht auf Nationalisierung der ausländisch beherrschten Betriebe und Rohstoffabbaustätten), um den industriellen Vorsprung der Industrienationen aufholen zu können, einen billigeren Zugang zum technischen Know-How und den Patenten. Dazu soll auf dieser Konferenz ein “Kodex für den Transfer von Technik” ausgearbeitet werden.

Dies ist verständlich, wenn man die UNO-Statistik für die Jahre 1966 -1970 ansieht: danach investierten multinationale Konzerne in Konzernfilialen in Entwicklungsländer ohne Erdöl 4,9 Mrd. $ und entnahmen 7,6 Mrd. $ Gewinne; in 7 Ölländer wurden 1,9 Mrd. $ investiert und 16,2 Mrd. $ Gewinn entnommen. Was auf diese Weise gefördert wird, ist eine “Entwicklung der Unterentwicklung”; die den Gegensatz zwischen den industrialisierten Metropolen und der allmählich verelenden[den] Peripherie der Entwicklungsländer zunehmend verschärft. Ein solches ungleiches Verhältnis gibt es aber bereits auch zwischen den industrialisierten Entwicklungsländern (Submetropolen) und den noch ärmeren Nationen.

Ob die auf der UNCSTD beschlossenen Maßnahmen tatsächlich diese Situation positiv verändern werden, ist mehr als fraglich. Denn durch ein Abkommen über billigen Technologie-Transfer wird die krasse Einkommensdifferenz in Ländern der 3. Welt nicht berührt – in Entwicklungsländern beträgt das Einkommen der obersten 5 % der Bevölkerung 20 – 40 Mal soviel wie das Einkommen der ärmsten Bevölkerungsschichten; in Lateinamerika lebt die Hälfte der Bevölkerung von 35 % des durchschnittlichen Pro -Kopf-Einkommens – und den daraus entstehenden Machtverhältnissen. Wie das Beispiel Iran zeigt, dient die Industrialisierung primär der Oberschichte und der Finanzierung von unverhältnismäßigem Luxus und Militärbudgets. Das Geschehen in Persien läßt sich als Folge eines extrem forcierten Industrialisierungsprozesses verstehen, der die gewachsenen Strukturen aus dem Gleichgewicht brachte.

Dee sozialen Folgen des Technologie-Transfers lassen sich sehr leicht durch Zahlen deutlich machen: In Westafrika etwa verdrängten zwei Plastikpreßmaschinen, die jährlich 1,5 Millionen Paar Plastiksandalen herstellen und nur 40 Leute zu ihrer Bedienung brauchen, in wenigen Jahren 5000 Handwerker – Gerber, Zwirndreher, Schuster… und während früher die meisten Materialien aus dem Land selbst stammten, müssen heute Maschinen und Rohstoffe importiert werden. Arbeitslosigkeit durch Einführung neuer Technologien ist aber keineswegs nur ein Problem der Entwicklungsländer. Dies haben die Streiks in der Druck- und Stahlindustrie gezeigt, bei denen es ebenfalls um Erhaltung von Arbeitsplätzen ging. Die Krise in der Energieversorgung, die Frage der Kernkraftwerke, die zunehmende Zerstörung der Umwelt durch Industrieanlagen und -produkte – es ist offensichtlich, daß die Frage, wer wie welche Technologien benutzt, von globalem Interesse ist und nicht bloß eine Frage der Entwicklungspolitik. Weiterlesen

226/366: Wie die Grünen den Gemeindebau in Wien verbessern möchten

Unser Gemeindebau

Unser Gemeindebau. Broschüre der Wiener Grünen (um 2010)

Rund zweihunderttausend Gemeindewohnungen in zweitausend Gemeindebauten für fünfhunderttausend Menschen gibt es in Wien. Wie die Grünen das Leben und Zusammenleben in den Gemeindebauten verbessern wollen, schilderte David Ellensohn, damals nicht-amtsführender Stadtrat, in der Broschüre “Unser Gemeindebau”. Er forderte unter anderem einen Delogierungsstopp für Kinder und Jugendliche.


//zitat// Jede vierte Wohnung in Wien ist eine Gemeindewohnung. Auf diese fast 100 Jahre alte Errungenschaft ist die Wiener SPÖ auch heute noch stolz. Doch die Enkerl und Urenkerl des “Roten Wien” sind dabei, dieses Erbe zu verspielen. Anzeigenserien in Zeitungen und auf Plakaten tun so, als ob im Gemeindebau alles in Ordnung wäre.

1000 Delogierungen pro Jahr

Aber sehr vieles ist nicht in Ordnung: Jedes Jahr führt Wiener Wohnen 1000 Delogierungen durch – davon betroffen sind auch 300 Kinder. Gerade neulich wurde eine Familie mit 4 Kindern auf die Straße gesetzt, weil einer der Buben psychisch krank ist und angeblich die Nachbarn stört. Neue Wohnung gibt es keine. Das Geld der MieterInnen wird für sinnlose Kampagnen vergeudet.

schlechter baulicher Zustand

Viele Gemeindebauten gehören dringend saniert, die MieterInnen klagen über den schlechten baulichen Zustand, über Schimmel und Kälte im Winter. Um diese Wohnungen im Winter warm zu halten, muss zu viel Geld fürs Heizen ausgeben werden. Anstatt die Mietrücklagen für wichtige Sanierungen zu verwenden, werden Einzelwohnungen teuer hergerichtet. Und oft stimmen auch die Abrechnungen für Miete und Betriebskosten nicht. Grünflächenpflege passiert nach dem Zufallsprinzip und genauso wird sie auch verrechnet. Fast immer, wenn die Abrechnungen genau überprüft werden, kommen viel zu hohe Beträge zum Vorschein. Hat man eine Frage oder eine Beschwerde, so muss man sich mit dem unpersönlichen Call Center herumschlagen.

Wir Grüne fordern schon lange die rasche Sanierung von Gemeindebauten und eine Information für alle, wann ihr Haus saniert wird. Sanierungen bringen Arbeitsplätze, viele Menschen sparen Geld beim Heizen, und der Umwelt tut so eine Sanierung auch gut. Wir Grüne fordern transparente und nachvollziehbare Betriebskostenabrechnungen. Und wir fordern endlich eine erreichbare und verantwortliche Ansprechperson für jedes Haus.

wichtiges öffentliches Gut

Transparente Vergabe im Gemeindebau

Transparente Vergabe im Gemeindebau

Die Gemeindewohnungen in Wien sind ein wichtiges öffentliches Gut. Sie gehören saniert und in einem ordentlichen Zustand erhalten und jenen Menschen zur Verfügung gestellt, die sie brauchen. Und nicht verkauft, wie es die SPÖ im Kleinen bereits angegangen ist (600 Wohnungen hat der heutige Kanzler und Häupl-Ziehsohn Faymann verkauft) und die ÖVP schon lange im großen Stil fordert. Im Gegenteil: Nach über 10 Jahren Pause ist es Zeit, wieder Gemeindewohnungen zu bauen. Große für Familien und kleine für Singles. Nach modernen Standards und energiesparend. Billig für die weniger Betuchten, finanziert durch Steuern von denen, die mehr als genug haben.

Wir Grüne wollen, dass der Wiener Gemeindebau auch in Zukunft seinen Zweck erfüllt: Wienerinnen und Wienern, jungen Familien und Menschen in Pension Wohnungen zur Verfügung zu stellen, in denen sie sich wohl fühlen und die sie sich leisten können.

Der soziale Wohnbau muss wieder sozial werden.


Die Broschüre mit wunderbaren Illustrationen von Gannet zum Durchblättern:

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